RPWL – die Progger aus Freising – hatten viel vor. Der November 2020 sollte eigentlich eine groß angelegte, mehrwöchige Anniversary Tour zum 20-jährigen Jubiläum der Veröffentlichung ihres Debütalbums „God Has Failed“ sehen, aber es kam natürlich anders. Was macht man denn nun, wenn man eine perfekt eingespielte Band hat, die Auftrittsmöglichkeit einem aber unter den Füßen weggezogen wird? Richtig, man filmt eine Live-Studiosession des gesamten Albums. Und das geschah am 14. und 15. November 2020 in der Luitpoldhalle Freising – mit vierköpfiger Bandbesetzung, zusätzlichem Bass und zwei weiblichen Backing Vocals.
Es gibt ja dieses geflügelte Wort, man habe fürs Debütalbum ein Leben lang Zeit. Die Musik entstand gemeinsam im Proberaum, der Bandname steht sinnbildlich für das basisdemokratische Selbstverständnis von RPWL, denn jeder der Musiker brachte sich zu gleichen Teilen ein. Das Album war nicht nur ein gewaltiger Schritt weg von der vermeintlichen Identität als Pink-Floyd-Tribute Band, sondern verarbeitete auch in seinen sphärisch-spirituellen Stücken sehr persönliche Erfahrungen.
Sänger Yogi Lang reflektierte intensiv den Abschied von seinem jüngst verstorbenen Vater. Abschied, Trauer und Vergänglichkeit sind wiederkehrende Motive in den Texten von „God Has Failed“, denn bereits zu Beginn zeichnete sich das Faible für thematische Überbauten in ihren Alben ab. Das stellt auch ein Freistellungsmerkmal dieser beeindruckend produktiven Band heraus: die Kunst des Albums in Zeiten, in denen dieses Format immer mal wieder medial zu Grabe getragen wird.
RPWL lieben noch immer, was sie tun. So wehte bei dieser Produktion ein besonderer Hauch von Nostalgie durch die Halle. Die gemeinsam zurückgelegte Strecke hat die Bandmitglieder noch näher zusammenwachsen lassen, denn längst ist RPWL ein Mischwesen aus der Summe seiner einzelnen Mitglieder geworden. Die Band stellte sich für die Aufnahme im Kreis zueinander auf und schuf mit der Möglichkeit zu Blickkontakten ein Ambiente, das die ausufernden Jams intim, teils experimentell, aber stets vertraut ausfallen ließ.
Meistergitarrist Kalle Wallner singt auf seinen Nik Huber Gitarren episch-lyrische Soli, während seine Gilmour Girls mit ihrem hervorragenden Chorgesang sphärische Flächen beitragen, die den Horizont bis in die Unendlichkeit wegschieben. Darüber hinaus kamen vintage Moog-Sounds und sogar ein Konzertflügel zum Einsatz. „God Has Failed“ ist der Status Quo von RPWL live 2020 und 2021, so nah man ihnen in dieser Zeit kommen kann.
Mit „God Has Failed“ kann man sich RPWL ins Wohnzimmer holen. Die Produktion wird wie immer höchsten audiophilen und visuellen Ansprüchen gerecht. Die Aufstellung der Band und die durchdachten Kamerafahrten erschaffen beim Zuschauer das Gefühl mittendrin zu sein, vielleicht sogar mehr noch, als beim klassischen Livekonzert. Während Langzeitfans sich wie die Band selbst vielen Erinnerungen hingeben können, klingt das Material immer noch derart frisch, dass es problemlos auch ein aktueller RPWL-Release sein könnte.
Ursprünglich erschien das Album bei Tempus Fugit. Jetzt gibt es die neue Studioversion auf eigenem Label. Dass es sich um eine Live-Einspielung handelt, merkt man kaum. Die sphärischen Nuancen sind großartig wie eh und je. Das Zusammenspiel mit Bine Heller und Caroline von Brünken klingt phänomenal und bringt neue Aspekte ins Spiel. Ein Opener wie das epische „Hole In The Sky“ ist und bleibt fantastisch, aber auch der Rest kann selbst nach 20 Jahren zeitlos schön überzeugen. Was mir zu meinem Glück noch fehlt, sind die Pink-Floyd-Cover „Cymbaline“ und „Fat Old Sun“, die nur auf der Vinyl-Version zu erwerben sind. Ich habe aber entdeckt, dass sie sich auch als Einzeltracks auf dem käuflich zu erwerbenden MP3-Download finden. Da werde ich wohl noch zuschlagen müssen.