Eigentlich sollte es die Band um Frontmann Samu Haber inzwischen gar nicht mehr geben: Mit der Veröffentlichung ihrer Single „Thank You For Everything“ ging im Dezember 2019 eine Ära zu Ende, als Sunrise Avenue in einer weltweiten Pressekonferenz ihre Auflösung bekanntgaben. Gegründet 2002 hatten sie ihren Durchbruch im Jahr 2006 mit dem Album „On The Way To Wonderland“. Da 18 Jahre im Musikgeschäft nicht ohne großen Knall zu Ende gehen sollen, war eine Abschiedstournee geplant, die dann aber pandemiebedingt ins Wasser fiel. Terminiert sind die Konzerte nun für Herbst 2021. Warten wir ab, was möglich ist.
Zur Überbrückung der Wartezeit gibt es ihr neues Live-Doppel-Album „Sunrise Avenue Live With Wonderland Orchestra“. Und das zeigt deutlich, warum das Ende der Band ein großer Verlust für die Musikwelt sein wird: 2015 überraschte das Quintett seine Fans in Hannover mit einer exklusiven Orchester-Show. Es folgten unzählige Anfragen, ob die Band nicht noch weitere Orchester-Shows spielen würde und im März 2016 war es soweit – Sunrise Avenue gingen mit dem Wonderland Orchester auf Tour. Dabei machten sie unter anderem Halt in der Festhalle in Frankfurt am Main, wo auch die Aufnahmen für das Album entstanden sind.
Die Arrangements wurden von Trompeter Tero Lindberg geschrieben und das Ergebnis ist einfach göttlich. Was für ein Sound und was für ein geniales Zusammenspiel von Orchester und Band! Beide Seiten geben sich gegenseitig genügend Raum. Es gibt ergreifende Soli wie die Posaune zu „Nothing Is Over“. Und man lässt sich extrem viel Zeit, um die Songs aufzubauen. So startet „Funkytown“ mit Solo-Trompete und einem Bolero-Rhythmus, bevor der Song endgültig abgeht und zudem noch energische Rap-Einlagen bietet. Das mag symbolisch für Vielfalt und Können der Protagonisten stehen.
Die Instrumentals zwischen orchestralem Sound und Funk mit Blechbläser-Einlagen sind beeindruckend. „Out Of Tune“ startet mit einer launisch-sympathischen Ansage von Samu und führt in einen starken Bigband-Sound. Doch es geht auch leiser, wie der Sänger mit sonorer Stimme bei „Girl Like You“ (begleitet von ruhigen Pianoklängen) beweist.
Mit einem starken „Wonderland“ startet die Setlist – und natürlich muss sie mit „Hollywood Hills“ enden. Doch auch hier kein euphorischer Start. Der Übergang von „Fairytale Gone Bad“ zum letzten Song des Abends wird mit romantischem Piano gestaltet.
Das ganze Livealbum funktioniert als Best of in orchestralem Sound. Vor allem die zweite Konzerthälfte zeigt die Band und den musikalischen Hintergrund in ganzer Größe. Vermutlich wird es auch ein Livealbum von der Abschiedstournee geben, aber ich denke nicht, dass man das „Wonderland Orchestra“ noch toppen kann.