Wer Wecker in den letzten Jahren live gesehen hat, weiß, dass er absolut in Topform ist als Revolutionär und Mahner, als Sänger, als Geschichtenerzähler. Und dass er eine fantastische Band mit sich bringt. Mit Cynthia Nickschas als Co-Heldin sind die Konzerte noch ein Stück geiler, doch sie steht als Liedermacherin immer mehr auf eigenen Füßen. Daher war sie im zweiten Tourabschnitt nicht dabei und wirkt bei der vorliegenden CD nicht mit. Doch auch die Gigs ohne ihre Mitwirkung sind einfach hervorragend – und das liegt nicht zuletzt an Jo Barnikel und Fany Kammerlander.
Gut auch, dass Konstantin Wecker momentan fast zu jedem Tourprogramm einen Mitschnitt veröffentlicht. Im vorliegenden Fall („Ohne Warum – live“) ist es ein ordentliches Bandkonzert in voller Besetzung. Noch einmal kann man sich mit dem Musiker und seiner fulminanten Band zum heiligen Tanz aufmachen, vom Glück des Gebens erfahren und beginnen mit dem Herzen zu denken. Die Auswahl der insgesamt 16 Stücke umfasst Klassiker wie „Es ist schon in Ordnung“, „Fast ein Held“ und „Wenn unsere Brüder kommen“ sowie aktuelle Songs, darunter „An meine Kinder“, „Der Krieg“ und „Ich habe einen Traum“. Sie alle vereinen Poesie und Widerstand, Liebe und Zärtlichkeit. Doch Wut ist eben nicht genug. Und so wärmen die wundervollen Klänge in der nun beginnenden kalten Jahreszeit.
Still wird es, wenn Konstantin erzählt: von Georg Heym, von der singenden Frau Petry, und von den Flüchtlingen in aller Welt. Sein Appell „Denkt mit dem Herzen“ sollte alle Menschen berühren. Aber leider werden es nicht gerade AFD-Anhänger sein, die sich eine live CD des Wortkünstlers anhören. Schade.
Bei seinem Live-Programm begibt sich der Musiker und Lyriker auf eine tiefdringende Suche nach dem Wunderbaren. Und dies eben ganz „Ohne Warum“. Der Titel entstand aus einem über 300 Jahre alten Gedicht von Angelus Silesius: „Die Ros ist ohn Warum, sie blühet, weil sie blühet. Sie achtet nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.“ Erschaffen wurde das Wortpaar von dem spätmittelalterlichen Philosoph Meister Eckhart, der den Begriff „sunder warumbe“ als Ausdruck mystischen Denkens verstand. Dieser Song beendet jedes Konzert und auch diesen Mitschnitt – eindringlich, tiefgehend und wunderschön!