Green Lung und OPETH am 6. August 2024 im FZW Dortmund – Fotogalerie
Seht hier unsere Fotos von Green Lung und OPETH am 6. August 2024 im FZW Dortmund!
Fotos: Ingrid Silvasi
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Fotos: Ingrid Silvasi
„Everyone is paranoid” erklingt es mantrahaft aus den Boxen des kleinen Saals im Dortmunder FZW als zwei schräge Vögel die Bühne betreten. Drummer Ashton Bird macht noch ein paar Liegestütze auf offener Bühne, während sein Bruder Caleb die fünfsaitige Gitarre brummen lässt. Wahrscheinlich würde ihm auch ein dreisaitiges Instrument genügen, denn er bevorzugt die tiefen Töne. Schon beim Opener „People” dröhnt es so gewaltig aus seinen Amps, dass sich niemand der vielleicht 150 Zuschauer mehr fragt, wo denn der Bassist verlorengegangen sei. Den Bird-Brüdern reicht ein Bass-Verstärker, durch den das Gitarrensignal zusätzlich geschliffen wird. Und sollte das mal nicht genug sein, stimmt Caleb die Gitarre eben noch ein paar Halbtöne nach unten.
Dass zwei Instrumente völlig ausreichen können, ist natürlich auch ein Verdienst von Ashton an den Drums. Schon nach dem zweiten Stück „Weight” entledigt er sich seines so ausgeleierten wie störenden Oberteils. Klischeefreie Tatoos wie „sweet” über der einen und „sour” über der anderen Brustwarze offenbaren sich in kleiner Schrift nur den besten Augen. Wild treibt Ashton „Psychorain” voran, das aber hauptsächlich vom knabenhaften Doppelgesang der Brüder lebt. Der Gegensatz von wuchtigen Riffs und zerbrechlich wirkenden Stimmen ist das herausstechende Merkmal des Stonerrocks à la Tweak Bird. Ein weiteres ist die Kürze der Songs, die live gespielt zwar hier und da durch Jams gestreckt werden, ansonsten aber Mühe haben, die Zwei-Minuten-Schallmauer zu durchbrechen.
Die psychedelische Seite der beiden Wahl-Kalifornier bringt vor allem „The Future” vom Album „Tweak Bird” hervor. Mit „Lights in Lines” wird ein weiterer Kracher dieses Albums zum Besten gegeben. Ansonsten besteht das Set fast ausschließlich aus Songs des aktuellen Werks „Undercover Crops” welches vom Melvins Drummer Dale Crover produziert wurde (hier gibt’s das Review). Dass die Tweak Birds also schon die Melvins als Support Act begleitet haben liegt nahe. Etwas überraschender dagegen ist die Tasache, dass sie diese Rolle auch schon für die Progrocker von Tool 2009 eingenommen haben. Ashton und Caleb haben große Fürsprecher, die in ihnen ein recht einzigartiges Phänomen entdeckt haben. Vergleiche mit anderen Bands bleiben nämlich schon im Ansatz stecken.
Mit „Pigeons” wird auch mal ein Gang runter geschaltet und zusammen mit dem anschließenden Jam entwickelt es sich zum längsten Stück des Abends. Dieser ist nicht nur musikalisch interessant, sondern auch äußerst unterhaltsam. Ashton übernimmt den Job des Teilzeit-Standup-Comedians. Dialoge wie „Here we go” (Ashton) – „Here we go, too” (Caleb) vor dem tollen „Bunch Of Brains” sind einfach amüsant. Nach 50 Minuten voller Hingabe verlassen die beiden die Bühne. Bis zur Zugabe dauert es lange und sie scheint tatsächlich spontan zu sein. Zumindest soll der Handtuch-Turban auf Calebs Kopf dies vermitteln. Stand er schon halb unter der Dusche? Als Bonus gibt es ein schönes Cover der T.Rex-Hitsingle „Children Of The Revolution”. Jetzt aber wirklich ab unter die Dusche ihr zwei und vielen Dank für die kurzweilige Unterhaltung!
Zum bisher einzigen Mal habe ich Soundgarden 1996 in der Kölner Live Music Hall gesehen. Das Quartett stand damals kurz vor seiner Auflösung und hatte hörbar keine Lust mehr aufeinander. Es war ein grottenschlechtes Konzert. Ich bin nach der Hälfte gegangen. Bis dahin gehörten Soundgarden neben Pearl Jam und Nirvana zu den maßgeblichen Seattle-Protagonisten, die Anfang der Neunziger Jahre die Grunge-Ära einläuteten und nachhaltig prägten. Inzwischen haben sich Frontmann Chris Cornell, Schlagzeuger Matt Cameron, Gitarrist Kim Thayil und Bassist Ben Sheperd wieder versöhnt. Am 9. November erscheint ihr neues, sechstes Studioalbum „King Animal“, das sie zwei Tage vor dem Release ihren deutschen Fans bei einem exklusiven Showcase im Dortmunder FZW erstmals live vorstellen.
Der heutige Abend wird vom WDR Rockpalast und dem Visions-Magazin präsentiert und firmiert unter dem Motto „An Evening with Soundgarden“ als Nachschlag zum diesjährigen Westend Festival. Am Wochenende zuvor gaben sich an gleicher Stätte bereits solch illustre Gäste wie Archive, Coheed & Cambria, Danko Jones, Kettcar oder Biffy Clyro die Klinke des FZW in die Hand. Das Westend Festival wird vom WDR Rockpalast komplett aufgezeichnet und zeitversetzt in mehreren Häppchen ausgestrahlt. Soundgarden sind dabei am 26. November zur arbeitnehmerfreundlichen Zeit von 0.15 Uhr an der Reihe.
Aufgrund der Enttäuschung vor 16 Jahren mache ich mich mit durchaus gemischten Gefühlen auf den Weg in den Ruhrpott. Auch wenn erste Hörproben von „King Animal“ vermuten lassen, dass Soundgarden zu gewohnter Stärke zurückgefunden haben (unser vollständiges Album-Review findet ihr hier). Das FZW ist zwar nahezu voll und dementsprechend knackig warm, aber nicht ausverkauft, was am etwas übertriebenen Ticketpreis von 50 Euro liegen mag. Viele Fans haben ihre abgewetzten Nirvana-, Pearl Jam- oder Alice In Chains-T-Shirts aus den Tiefen des Kleiderschranks gekramt und angesichts der prächtigen Haarfülle um mich herum fühle ich mich sofort wieder in jene besondere Zeit zurückversetzt, in der man fast täglich eine andere spannende Band entdecken konnte und es auf MTV noch richtige Musik und keine Dauerwerbesendung für Klingeltöne zu sehen gab. Vielen ist es seitdem jedoch nicht viel besser als mir ergangen und sie haben ihren Kopfschmuck ebenfalls in Ehren verloren. Gemeinsam warten wir gespannt auf den Einzug unserer alten Helden.
Zunächst jedoch erscheint ein junger Mann, der verkündet, dass Soundgarden vor der eigentlichen Show noch eine Art Soundcheck zum Testen der Ton- und Kameraeinstellungen einlegen werden. Als erster wird Matt Cameron mit großem Jubel begrüßt, dann der Rest der Band empfangen. Der Quasi-Soundcheck besteht aus dem grossartigen „Rowing“ von „King Animal“ sowie „Incessant Mace“ von ihrem Debüt „Ultramega OK“. Die Nebelmaschine wird in Stellung gebracht, es folgt eine kurze Pause, dann geht es endlich richtig los. Überraschenderweise sind die ersten sieben Songs allesamt Klassiker. Ob „Spoonman“, „Outshined“, „Room A Thousand Years Wide“ oder „Fell On Black Days“, sie alle werden begeistert abgefeiert. Vor der Bühne bildet sich sogar ein kleiner Mosh-Pit. Der Sound ist nahezu perfekt und Chris Cornell wunderbar bei Stimme. Wenn ich könnte, dann würde ich mich zufrieden zurücklehnen.
Erst „Eyelid’s Mouth“ und „Non-State Actor“ sind dann die ersten beiden neuen Stücke. Am Ende werden es deren acht sein, was fast genau der Hälfte des Sets entspricht. Darunter die Single „Been Away Too Long“ oder das spacige „Blood On The Valley Floor“. Auch wenn die Band auf der Bühne eher emotionslos agiert kommen die Songs mit sehr viel Druck und Intensität rüber. Einzig Chris Cornell versprüht sein Charisma und schäkert mit den Fans in der ersten Reihe: „Ich glaube, du hast Drogen genommen. Mach dir keine Sorgen. Bis der Film hier fertig ist, bist du wieder clean“. Zum Ende des Mainsets macht er dann noch einen auf Pete Townshend und versucht seine Gitarre zu zertrümmern.
Schade ist, dass die Zugaben aus lediglich einem Stück bestehen. „Rowing“ wird ein zweites Mal am heutigen Abend gespielt. Obwohl man den Song ohne Zweifel mehr als nur einmal hören sollte, macht sich ein wenig Unmut breit, als nach knapp zwei Stunden (inklusive Soundcheck) die Lichter im FZW wieder angehen. Letztlich zählt aber wie immer im Leben die Musik. Und was die betrifft haben Soundgarden in Dortmund einen in allen Belangen überzeugenden Auftritt hingelegt. Freuen wir uns einfach darüber, dass sie wieder da sind. Ich habe nach dem Desaster von Köln heute jedenfalls meinen Frieden mit ihnen gemacht.
Setlist: