Konstantin Wecker gehört sicherlich zu den umtriebigsten Künstlern in diesen unseligen Corona-Zeiten. Ganze drei vollständige Livekonzerte hat er in den letzten Wochen aus seinem Münchner Tonstudio gestreamt, die noch immer über YouTube abrufbar sind. Aus dem Erlös der virtuellen Ticketverkäufe unterstützt er die Künstler seines Labels „Sturm und Klang“. Nebenbei engagiert er sich wie gewohnt gesellschaftspolitisch, beispielsweise mit der Aktion „Break Isolation“ bei der es darum geht, die Bewohner von Alten-, Pflege- und Flüchtlingsheimen aus ihrer Isolation zu holen, die durch die strikten Besuchsregeln und Ausgangssperren entstanden ist. „Leave No One Behind“ ist ein Motto, das auch Konstantin Wecker mit aller Kraft verfolgt.
Konstantin Wecker, Fany Kammerlander und Johannes Barnikel bilden das bewährte Trio – und es ist wirklich ein Genuss, ihnen zuzuhören. Nachdem der Liedermacher Ende letzten Jahres noch mit großem Orchester auf Tour war, reduziert er die Musik hier wieder auf das Wesentliche: Piano, Cello und Gesang. Auch wenn kein Publikum anwesend und hörbar ist, macht es doch große Freude Konstantins Ansagen zu hören, die sich an die Zuschauer am Bildschirm richten und in denen er zu Solidariät in diesen schweren Zeiten aufruft. Natürlich nicht ohne dass Populisten und Fanatiker, die aus der Krise ihren Profit ziehen wollen und auf Menschenfang gehen, ihr Fett abbekommen.
Schon der Anfang ist wunderschön und das perfekte Motto: „Ich singe, weil ich ein Lied hab'“. Dazu Konstantins wundervolle sonore Ansagen, in denen er erzählt, was ihn bewegt. Von Gedichten, die wie Küsse sind – in einer Zeit, da man Abstand halten soll. Es gibt anderes, an dem man sich festhalten kann! Der berühmte „Willy“ bekommt eine Neuinterpretation. Im Sprechgesang lamentiert Wecker über die Beschneidung seiner Freiheit. Und dass wir aufpassen müssen, damit die Restriktionen nicht zur Gewohnheit werden. Er ruft dazu auf, solidarisch zu sein, den Schutzsuchenden aus aller Welt unsere Luxushotels zu öffnen. Von der Vehemenz dieser Forderungen und der grundehrlichen Haltung bekomme ich Gänsehaut.
„Stürmische Zeiten mein Schatz“ passt natürlich wie die Faust aufs Auge. Und er denkt an die Kinder, wenn er ihnen seine Lieder widmet. Konstantin erzählt, belehrt, sucht nach neuen Wegen. Er spricht von Poesie als dem einzig wahren Widerstand und liest Gedichte „Über die Zärtlichkeit“ und „Gelebtes Leben“.
Als Gast ist die Liedermacherin Sarah Straub mit im Studio, die unlängst ein Album mit ganz eigenen Wecker-Interpretationen veröffentlicht hat, unfd singt mit ihm im Duett „Niemand kann die Liebe binden“. Es gibt die altbekannten ideologischen Songs, die leider nichts an Aktualität eingebüßt haben: „Den Parolen keine Chance“, „Sage Nein“ und „Was keiner wagt“. Zum Schluss bedankt sich Konstantin Wecker wie so oft mit „Gracias a la Vida“ beim Leben, das ihm, das uns so viel geschenkt hat – und ich bin dankbar, solche Momente mit erleben zu dürfen.
Auch mit fast 73 Jahren bleibt Konstantin unermüdlicher Kämpfer gegen Ungerechtigkeiten und für eine neue Weltordnung. Er ist stolz darauf, ein „Gutmensch“ zu sein und fordert die Menschen auf, mit dem Herzen zu denken. So ist auch diese live-CD ein wundervolles Zeitdokument. Es gibt die CD in physischer Form nur auf der Homepage www.wecker.de, aber als Download auch auf vielen legalen Portalen. Mit 5 Euro pro verkauftem Album unterstützt man die Musiker seines Labels.
„Für Johann Wolfgang Goethe waren Gedichte Küsse, die man der Welt gibt. In diesem Sinne wollen wir mit den 18 Liedern und Gedichten, in Zeiten, die eine körperliche Nähe ausschließen, die Menschen umarmen. So viele Konzerte mussten wir bereits absagen und verschieben und all jenen, die gerne zu uns gekommen wären, können wir hiermit eine Freude machen“, so Konstantin Wecker. Dem ist nichts hinzufügen.
Am 30. Dezember gastierte Konstantin Wecker mit seiner bewährten Band und der Bayerischen Philharmonie in der Halle 45 in Mainz. 90 Minuten vor Konzertbeginn konnte unser Redakteur Andreas Weist ein Interview mit dem 72jährigen Liedermacher führen. Sein Fazit: Ein sehr sympathischer, überaus gesprächiger Mensch, der sich trotz der späten Stunde vor dem Konzert sehr viel Zeit nahm, aus seinem Leben erzählte, die orchestrale Seite seiner Musik beleuchtete und auch politische Themen nicht aussparte.
Heute ist das letzte Konzert der „Weltenbrand“ Tour. Wie war es für dich mit großem Orchester auf der Bühne?
Der absolute Traum. Es war sicherlich das Schönste, was ich jemals gemacht habe, weil alle Lieder so klingen, wie ich sie mir beim Komponieren gedacht habe. Es gibt auch einige Stücke von mir, die eher rockiger sind. Die haben wir halt nicht mit dabei. Obwohl auch hier durch unseren wunderbaren E-Gitarristen, den Severin Trogbacher, den ich für ein Genie halte, durchaus rockige Klänge mit rein kommen.
Die orchestrale Seite ist nicht neu für dich?
Nein. Ich bin nun mal ein Musiker, der aus der Klassik kommt. Und meine Ziehväter sind – im Gegensatz zu meinen geschätzten Kollegen – klassische Komponisten. Bei Hannes Wader ist es englischer Folk, bei Reinhard Mey französischer Chanson, bei mir Franz Schubert.
Jetzt kommt diese klassische Seite so richtig durch?
Das war schon immer so. Ich kann mich noch erinnern, als ich in den 60er Jahren ein Cello mit auf die Bühne brachte. Da musste ich mir unglaubliche Sachen sagen lassen: Das kann man doch nicht machen, mit so einem bourgeoisen Instrument. Aber eine Gitarre ist nicht bourgeois?
Fany Kammerlander am Cello ist eine große Bereicherung für deine Konzerte, oder?
Ja, Fany ist eine große Bereicherung. Aber ein Cello war immer bei mir mit dabei. In den 60ern war es Hildi Hadlich, die ist jetzt in Rente. Und in den 80ern war ich mit einem Kammerorchester unterwegs. Das hatte einen Schlagwerker, weil ich damals Schlagzeugern misstraut habe. Auch zu Recht, weil die meinen Text kaputt geschlagen haben. Schlagwerk ist feiner. Jetzt kenne ich auch Schlagzeuger, die sensibel spielen können, aber das war früher nicht so der Fall. Damals war ich schon in Italien und hatte ein Studio dort. Es kamen immer Musiker zu Besuch. Wenn ein Oboist da war, habe ich was für Oboe geschrieben. Oder für Klarinette, Trompete – es war ein kleines Kammerorchester. Das war damals sehr mutig, denn zu dieser Zeit kam der Punk als neue Musikrichtung auf und das Publikum kam nicht wegen meiner Musik, sondern trotz meiner Musik.
Foto: Thomas Karsten
Hast du deine Arrangements damals selbst geschrieben?
Ja, das habe ich alles selbst gemacht. Für Kammerorchester habe ich in vielen Varianten selbst geschrieben. Bis in die 90er habe ich auch einen Großteil meiner Filmmusiken selbst arrangiert. Bei „Schtonk!“ allerdings nicht mehr. An großes Orchester habe ich mich nicht ran getraut. Da fehlte mir die Erfahrung. Man muss selbst in einem großen Orchester gespielt oder es dirigiert haben.
Und jetzt? Die neuen Arrangements?
Jetzt hat es der Jo Barnikel gemacht. Er kennt mich seit 25 Jahren und weiß, wie ich ticke. Er hat das wahnsinnig feinfühlig gemacht und er hat, was ich ihm hoch anrechne, keine persönliche Eitelkeit. Es gibt Arrangeure, die wollen unbedingt ihren eigenen Stil durchsetzen, aber das wäre bei meinen Liedern einfach falsch, denn die haben schon ihren eigenen Stil. Der Jo weiß, wie ich empfinde, und hat sich auch gut angehört, was ich früher alles geschrieben habe. Interessanterweise sagte mal ein Pianist zu mir, dass er genau merkt, dass ich beim Komponieren eigentlich orchestral denke und nicht pianistisch. Und so ist es auch. Ich bin groß geworden mit Verdi, Puccini und Mozart. Mein Vater war Opernsänger. Bis zu meinem 18. Lebensjahr habe ich nur klassische Musik gehört – doch dann kam Janis Joplin. Sie hat mir eine andere Richtung gezeigt.
Du hast auf deinen Konzerten schon Aufnahmen vorgespielt von dir und deinem Vater. Das fand ich sehr berührend.
Ja, das war „La Traviata“. Ein Wunder, dass es das noch gibt. Meine Mama hat die Aufnahme aufbewahrt. Es war 1959 und eines der ersten Tonbandgeräte, die man als Privatmann kaufen konnte: ein SAJA – das werde ich nie vergessen. Vorher hatte nur der Rundfunk solche Geräte. Meine Mama hatte diese alten Bänder aufgehoben und wir haben sie irgendwann digitalisiert. Davon gibt es noch viel mehr.
War es schwer für dich, bestimmte Titel für die „Weltenbrand“ Tour auszuwählen? Du gehst ja einige Jahrzehnte weit zurück.
Ja, aber auch nein. Ich habe einfach viele Lieder, die von Haus aus orchestral gedacht waren. Und dann habe ich auch einige dabei, die ich allein am Klavier spiele, zum Beispiel „An meine Kinder“.
Foto: Thomas Karsten
Warum hast du den Titel „Weltenbrand“ gewählt, der doch sehr politisch ist?
Weil ich unbedingt auf die Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg hinweisen wollte. Der Titel erinnert daran. Ich habe mich mein Leben lang intensiv mit der Räterepublik beschäftigt. Davon werde ich auch im Konzert heute sprechen. Was war das für eine blühende Zeit in der Weimarer Republik mit großartigen demokratischen Ideen wie dem Frauenwahlrecht und wie schnell ist das kaputt gegangen. Dabei ist das Lied „Weltenbrand“ eher ein philosophisch-lyrisches. Aber der Titel ist deutlich. Irgendwie war mir von Anfang an klar, dass ich das Programm so nennen will.
Und wie geht es im neuen Jahr weiter?
Das nächste Programm heißt „Utopia“. Da werde ich die Grundidee dieses Weltenbrands weiterführen und sagen, wir dürfen nie die Utopie der herrschaftsfreien und liebevollen Gesellschaft aufgeben. Wenn wir nicht einmal die Utopie in uns tragen, dann sind wir rettungslos verloren. Dann haben die Angepassten, die uns immer als naiv, verrückt und als Spinner bezeichnen, gewonnen. Dann überrollen uns das Kapital und die Wettbewerbsgesellschaft. Das darf nicht sein. Aber ich bin guter Dinge. Die nächste weltweite Revolution muss eine weibliche sein, da bin ich mir ganz sicher. Es ist gar nicht anders möglich. Selbst in der Türkei gibt es einen Aufstand der Frauen gegen Erdogan. Was meinst du, wie den das ärgert? Davor hat er am meisten Angst. Genauso ist es in Südamerika. Auch „Fridays for Future“ ist von Frauen gemacht. Nicht nur wegen Greta. Die meisten Aktivisten sind Mädchen. Eine herrschaftsfreie Welt ist ohne wirkliche Gleichberechtigung nicht möglich. Das fehlt uns auch hier. Es ist besser als im Iran, aber es ist noch keine Gleichberechtigung. Eine Politikerin der Grünen sagte mir mal, wenn sie in der Politik aufsteigen wolle, müsse sie männliche Machtstrukturen ausüben, was sie aber nicht will. Das ist die Gefahr. Das Patriarchat ist fünf- oder zehntausend Jahre alt. Wenn eine Frau sich wie ein Mann aufführt, wie Marine Le Pen, dann haben wir auch keine weibliche Politik.
Wie stehst du denn zu Angela Merkel? Bist du versöhnt mit ihr aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik?
Ich war mit ihr nie politisch einer Meinung, aber spätestens seit „Merkel muss weg“ war ich auf ihrer Seite. Sie hat zwei herausragende Eigenschaften, die mir sehr imponieren: Sie ist nicht eitel und sie ist nicht korrupt. Ich halte sie für eine wirklich unbestechliche Person – im Gegensatz zu unserem Herrn Scheuer, dem die Autoindustrie aus den Ohren rausschaut. Auch wenn ich anderer Meinung bin, habe ich schon eine Achtung vor Frau Merkel.
Foto: Roland Pohl
Wird es zum neuen Programm auch ein Lied mit dem Titel „Utopia“ geben?
Vielleicht – das weiß ich noch nicht. Ich muss ja bei den Liedtexten immer warten, bis sie mir passieren. Ich kann sie nicht erzwingen. Das konnte ich noch nie. Ein paar neue Stücke habe ich geschrieben und ich werde noch einige Vertonungen von Mühsam, Kästner und Mascha Kaléko machen, also von den verbrannten Dichtern. Und ich werde zwei Schauspielerinnen dabei haben, die auch Texte sprechen.
Vielen Dank, Konstantin! Eine letzte Frage hätte ich noch: Meine Frau meinte, ich soll unbedingt nach der bunten Kette fragen, weil es da doch sicher eine Geschichte zu gibt.
Natürlich. Das kommt aus der Kultur des Friedens, der ich sehr verbunden bin. Da war ja früher auch Mikis Theodorakis dabei und viele tolle Leute. Mit denen war ich kurz vorm Irakkrieg in Bagdad. Wir haben diese Kette entworfen und verkauft. Der Erlös ging an Kinder dort. Wir haben Kindern geholfen, die mit 7 oder 8 Jahren in Bagdad arbeiten mussten. Wir halfen, damit sie in die Schule gehen konnten. Ich hatte auch ein Patenkind dort, Amir, aber dann kam der Krieg und der Kontakt ist abgebrochen. Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Diese Friedenskette hat die „PACE“-Farben und dient jetzt anderen wohltätigen Zwecken.
Ganz lieben Dank für das Interview und deine Zeit. Gleich ist Einlass. Ich wünsche dir und uns ein tolles letztes „Weltenbrand“ Konzert.
Es war wundervoll, so ausgiebig und intensiv mit Konstantin sprechen zu können. Wir waren direkt beim „Du“ und ich bewundere seine Offenheit in den angesprochenen Themen. Mein Dank geht an den Tourleiter Peter Ledebur für die perfekte Betreuung vor Ort, an Mark Dehler von Netinfect für die Vermittlung des Interviews und natürlich an den lieben Konstantin, der den Abschluss der „Weltenbrand“-Tour zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. Wir freuen uns auf „Utopia“ und die nächsten Weisheiten des unermüdlichen „Kämpfers für eine herrschaftsfreie Welt“. PACE!
Eines der besten Konzerte im Jahr 2019 durfte ich erleben, als das Jahr schon fast zu Ende war. Am 30. Dezember gastierte Konstantin Wecker mit seiner bewährten Band und der Bayerischen Philharmonie in der Halle 45 in Mainz. Es war ein großes orchestrales Ereignis, das die Zuschauer in der alten Industriehalle erleben durften. Es war etwas chaotisch, bis jeder seinen Platz gefunden hatte, denn das Konzerte sollte eigentlich in der Rheingoldhalle stattfinden, die aufgrund eines Brandes für längere Zeit gesperrt ist. Doch mit vereinten Kräften schafften es die Veranstalter vom Frankfurter Hof, jedem seinen Sitzplatz zuzuweisen.
Ich wurde um 16 Uhr darüber informiert, dass ich ein Interview mit Konstantin Wecker führen kann. Also ab ins Auto, Sprint nach Mainz und gegen 18.30 Uhr den gut gelaunten Liedermacher beim Abendessen gestört. Was ich sagen kann: Ein sehr sympathischer, überaus gesprächiger Mensch, der sich trotz der späten Stunde vor dem Konzert sehr viel Zeit nahm, aus seinem Leben erzählte, die orchestrale Seite seiner Musik beleuchtete und auch politische Themen nicht aussparte. Das komplette Interview könnt ihr in Kürze hier nachlesen.
Knapp nach 20 Uhr betrat das Orchester die Bühne und startete mit „Nur dafür lasst uns leben“, bevor Konstantin schon unter tosendem Applaus die Bühne betrat. Dieses erste Stück ist 40 Jahre alt und aktuell wie eh und je. Das betonte er in seiner ersten Ansage – und stellte sogleich das wundervolle Orchester vor: Zwölf Musiker aus neun Nationen unter der Leitung von Mark Mast. Und der Klang war wirklich gewaltig. Schon im zweiten Stück gab es ausufernde Soli der Instrumentalisten und man konnte nur bewundern, wie alles zusammen harmonierte. Immerhin hatte Wecker auch noch seine rockige Band aus Fany Kammerlander, Jo Barnikel und Severin Trogbacher dabei.
Der Meister selbst intonierte Stücke wie „Schlaflied“ und das bewegende „An meine Kinder“ allein am Piano und sorgte für die ruhigen Momente. Besonders groß aber waren die orchestralen Suiten. Ich denke da an die Vertonung von Goethes „An den Mond“ in atmosphärischen Klängen, oder das morbide „Hexeneinmaleins“ mit virtuosen Rhythmus-Spielereien.
„Und das soll dann alles gewesen sein“ ist ebenfalls ein 40 Jahre alter Song. In der Ansage brach Konstantin eine Lanze für Greta und Fridays for Future, für die Schulschwänzer und Träumer. Klar wünschte er sich die 68er zurück. Im Anschluss zitierte er Erich Kästner: “Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen” und es folgte ein starker Part mit „Frieden im Land“ und „Das macht mir Mut“. Nach diesen deutlichen politischen Statements, die Weckers gelebten Pazifismus ausdrücken, entließ er das Publikum um 21.15 Uhr in die Pause.
Im zweiten Teil wurde deutlich, dass die orchestrale Tour heute Dernière feierte. Zum „Heiligen Tanz“ kamen die Crewmitglieder hinter der Bühne hervor und legten mit Band und Orchester eine heiße Sohle aufs Parkett. Selbst Konstantin, dem nach einigen Worten das Tanzen nicht so liegt, war ausufernd in Bewegung. Seine inzwischen 72 Jahre sah man ihm wahrlich nicht an – vor allem wenn ich bedenke, wie lange das Konzert noch dauern sollte.
Natürlich war das Setting wie gemacht für Ausflüge in die Filmmusik und so kamen die Klänge von „Kir Royal“ mal wieder zu Ehren – ebenso wie der „Tango Joe“ aus dem Soundtrack von „Schtonk!“. Rainer Maria Rilke („Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“) wurde zitiert, bevor der Titelsong „Weltenbrand“ erklang. Ängste und Hoffnungen spielten eine große Rolle in den vorgetragenen Texten und Aphorismen. „Die weiße Rose“, das zu Herzen gehende Lied über Sophie und Hans Scholl, wurde gefolgt vom Text „Warum ich kein Patriot bin“ und dem wundervollen „Ich habe einen Traum“ mit orientalischen Klängen und dem Wunsch nach friedlichem Zusammenleben aller Völker.
Der Zugabenblock begann eigentlich schon kurz vor 23 Uhr, doch der wunderschöne und stimmungsvolle Konzertabend wollte einfach kein Ende nehmen. Dass das klanggewaltige „Sage Nein“ mit seinem Aufruf zum Widerstand als Orchesterhymne in den Abschlussblock gehörte – geschenkt. Bei den mitreißenden italienischen Nummern „Questa nuova realtà“ und „Gracias a la Vida“ war Konstantin im Publikum unterwegs, schüttelte Hände, umarmte die Menschen, tanzte mit ihnen – es waren wundervolle Momente, die man da sehen und erleben durfte. Es wurde aus voller Kehle gemeinsam gesungen, als er das Publikum animierte, den Refrain von „Den Parolen keine Chance“ nochmal anzustimmen, für das er Beethovens „Ode an die Freude“ mit neuem Text versehen hat: „Lasst uns jetzt zusammen stehen, es bleibt nicht mehr so viel Zeit. Lasst uns lieben und besiegen wir den Hass durch Zärtlichkeit.“
Doch immer wieder nahm er die ausgelassene Stimmung zurück und stimmte nachdenkliche Titel an wie „Das Leben will lebendig sein“, ein melancholisches „Lied der Lieder“ über die Deportationen der Vergangenheit und Gegenwart sowie den anrührenden Schluss mit „Schlendern“. Ganz zum Ende (es war fast schon Mitternacht) durfte das – inzwischen ohnehin nur noch stehende Konzertpublikum – dem Rilke-Gedicht „In meinem wilden Herzen“ lauschen, dass jedem ein stimmungsvolles Motto für den Abend und die Nacht mitgab. Ja, Weckers Herz ist weiterhin wild und er füllt es mit Poesie und allgegenwärtiger Lebendigkeit. Ich hoffe, dass er noch lange die Bühnen des Landes bereist und uns auch mit dem neuen Programm „Utopia“ (quasi dem optimistischen Gegenentwurf zum „Weltenbrand“) so bewegen kann.
Für alle, die nicht auf der Tour dabei sein konnten, kann ich das Livealbum „Weltenbrand“ wärmstens empfehlen (HIER findet ihr unsre Review). Obwohl die Orchestertour offiziell beendet ist, gibt es eine letzte Chance: Am 1. Mai 2020 in der Schwarzwaldhalle Karlsruhe. Im Oktober startet dann die „Konzertreise nach UTOPIA“.
Konstantin Wecker ist jetzt 72 Jahre alt aber zum Glück topfit in allen Bereichen. Er gibt weiterhin wundervolle Konzerte, hat viel zu sagen – vor allem in politischer Richtung -, gibt sich lyrischen Ausschweifungen hin und hat die Poesie zur wichtigsten Ausdrucksform im Widerstand erhoben. Seine Konzerte sind immer eine Wucht, egal ob er mit seinen Getreuen als Trio auf der Bühne steht, eine komplexe Band im Rücken hat oder sich neuerdings durch die Bayerische Philharmonie unterstützen lässt.
Die aktuelle Konzertreihe heißt „Weltenbrand“ und der dazugehörige Longplayer erscheint am kommenden Freitag. Noch bis Ende des Jahres ist der Liedermacher mit Weltenbrand in Deutschland, Österreich und in der Schweiz unterwegs. Und dies nicht nur zur Freude der bislang über 20.000 Besucher. Auch die Medien sind voll des Lobes und schlicht begeistert von den Abenden, an denen der Münchner mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie – unter der Leitung von Mark Mast – Lieder präsentiert, die er im Lauf von vier Jahrzehnten komponiert hat. Angegraut ist kein einziger Ton davon.
Die Arrangements sind ausufernd schön und füllen in orchestraler Breite vor allem die musikalischen Lücken der Stücke aus. Konstantins erzählende Stimme wird zum Glück nur selten überlagert. Er kann seine Ideen und seine Poesie in vollem Glanz verbreiten. Ermahnend, anklagend und begeisternd wie eh und je.
Foto: Thomas Karsten
„Nur dafür lass uns leben“, ein 40 Jahre altes Stück des Münchners, leitet das Konzert ein und er vergisst nicht zu erwähnen, dass der Text aktuell ist wie damals. Es folgt der Text „Ein Plädoyer für die Ohnmächtigen“, ganz im Sinne, wie Konstantin sein Leben sieht und wie er die Kunst des Scheiterns zelebriert. Eine solche Mischung aus Songs und kleinen Aphorismen zieht sich durch das ganze Album.
Die Highlights reihen sich aneinander. „Stürmische Zeiten meine Schatzen“ gewinnt vor allem im Refrain durch den Sturm des Orchesters. Ich mag es, wie Wecker aus seinem Leben erzählt, als er beispielsweise mit 50 erstmals Vater wurde – und wie er das „Schlaflied“ und den aktuellen Song „An meine Kinder“ ansagt, als ein Lied, das er an die kleinen Kinder geschrieben hat, und eins, das er jetzt ganz aktuell ergänzt.
„Und das soll dann alles gewesen sein“ ist ebenfalls ein 40 Jahre alter Song. In der Ansage bricht Konstantin eine Lanze für Greta und Fridays for Future, für die Schulschwänzer und Träumer. Klar wünscht er sich die 68er zurück. Später zitiert er Erich Kästner: „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen“.
CD 2 startet mit dem modernen Klassiker „Heiliger Tanz“. Konstantin liest von Bert Brecht „An die Nachgeborenen“. „Ich habe Angst“ und „Empört euch“ sind eindringliche Aufrufe. Rainer Maria Rilke wird zitiert, bevor der Titelsong „Weltenbrand“ erklingt. Es geht um Ängste und Hoffnungen. „Die weiße Rose“ wird gefolgt vom Text „Warum ich kein Patriot bin“ und dem wundervollen „Ich habe einen Traum“ mit seinen orientalischen Klängen und dem Wunsch nach friedlichem Zusammenleben aller Völker.
Dieses Album fasst alles zusammen, wofür Konstantin Wecker steht und wofür er immer stehen wird. Es ist zugleich „Best of“ Album und Standortbestimmung. Ein historisches Gesamtwerk und eine CD, die die Aktualität aller Songs des Meisters unter Beweis stellt. Zum einzigartigen musikalischen Gewand tragen neben der Philharmonie auch die bekannten Gesellen Fany Kammerlander und Jo Barnikel bei.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Sarah Straub, junge Sängerin aus dem schwäbischen Dillingen, hat bereits drei englischsprachige Alben veröffentlicht und sich eine große Fangemeinde erspielt. Vor allem ihre frische und wandelbare Stimme ist es, die das Publikum betört. Es gibt starke Uptempo-Nummern aus ihrer Feder, aber auch melancholische Balladen, bei denen sie sich oft selbst am Piano begleitet.
Das vierte Album „Alles das und mehr“ wird bei Konstantin Weckers Label Sturm und Klang veröffentlicht. Jetzt mag es manchem wie Anbiederung vorkommen, wenn die 33jährige ausnahmslose Stücke des Altmeisters covert, doch man braucht nur reinzuhören, um zu erkennen, dass sie genau die Richtige für eine Neuinterpretation ist.
Die Songs des deutschen Liedermachers sind geprägt von zeitloser Schönheit. Der Opener „Ich singe, weil ich ein Lied hab“ ist der Titel, mit dem sie Konstantin auf Anhieb überzeugte: Eine luftige Pianomelodie, dazu ihre lebendige Stimme. Mehr braucht es nicht, um einen neuen emotionalen Zugang zu schaffen. Wenn die Vocals energisch in die Höhe schweben, bekomme ich Gänsehaut.
Doch auch das politische Schaffen erfährt eine Würdigung im neuen Gewand: „Empört euch“, „Was keiner wagt“, „Den Parolen keine Chance“ und „Die weisse Rose“ klingen poppiger, verlieren aber nicht an Anziehungskraft. Selbst „Das ganze schrecklich schöne Leben“, das doch so autobiographisch Konstantins Leben beschreibt, klingt auch aus weiblichem Mund wundervoll authentisch.
Sarah Straub haucht den bekannten Titeln neues Leben ein und führt sie verspielt und melodisch in eine neue Zukunft. Zum Abschluss interpretiert sie „Niemand kann die Liebe binden“ im Duett mit dem Meister himself. Dem Hörer wird einmal mehr klar, warum „Wut und Zärtlichkeit“ für Konstantin Wecker so untrennbar zusammen gehören.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
In „Mein Respekt“ huldigt Josef Hien seinem großen Vorbild Reinhard Mey. Und er tut dies auf sehr herzliche Art, damit kokettierend, dass er Meys Klasse niemals erreichen wird. Wenn man aber das aktuelle Album „Mit dir“ des Regensburgers hört, ist er schon verdammt nah dran – an diesen poetischen Zeilen des Kollegen aus Berlin. Und er schafft es, in einer Textstrophe vier bekannte Mey-Songs sehr wohltuend als Hommage zusammenzufassen.
Genug also, um aufzuhorchen und sich näher mit diesem Singer/Songwriter zu beschäftigen, den Konstantin Wecker für sein „Sturm & Klang“ Label entdeckt hat. „Ein gutes Lied denkt nach und macht das Angebot mitzudenken; für sich selbst um- oder eben weiterhin anders zu denken“, so umschreibt Hien seine Profession als Liedermacher. Und er scheint diese als Mittvierziger zu leben, wenn man der Biographie und den Songs Glauben schenken will.
Josef Hien war schon Spielzeugverkäufer, Opernsänger, Konzert- und Eventmanager, Tennistrainer, Marketingleiter und Koordinator für Altenheimumzüge. Dieser Welt hat er inzwischen den Rücken zugekehrt und schaut gesellschaftskritisch in die Zukunft. Inzwischen sagt er, er wolle fortan ohne Smartphone, Müll und Plastik durch’s Leben gehen.
„Der Adler, der ein Huhn war“ setzt eine Fabel aus Ghana um und erklärt, dass man nicht immer Huhn bleiben muss, nur weil man mit den Hühnern scharrt. „Schwarzes Gefieder“ beschäftigt sich mit Korruption und Karrieregeilheit. Und das nachdenkliche „Mitten im August“ beginnt als schreckliche Moritat, die sich aber nach einem Twist zum Ende des Lieds (den ich jetzt nicht spoilern will), sehr anschaulich selbst erklärt. Kein Wunder also, dass Wecker sich entschieden hat, dieses Debütalbum unter seine Fittiche zu nehmen.
Auf der anderen Seite sind da die Liebeslieder, die sehr eigen sind und doch zu Herzen gehen. „Genial“ beschreibt die üblichen Missgeschicke des Alltags im Gegensatz zum Glück, den richtigen Partner gefunden zu haben. „Wenn du nicht bei mir bist“ spricht von der Leere des Lebens, die eintritt, wenn der Partner fern ist. „Elitepartner“ behandelt die Unperfektheit echter Beziehungen und der Titelsong „Mit dir“ schließlich erzeugt Gänsehaut, wenn Josef Hien ans Sterben denkt und wie es dann mit der Liebe weitergehen kann.
Für mich ist „Mit dir“ ein wunderschönes Debüt in späten Jahren. Vergleichbar mit Tim Linde, der im Norden seine Stücke zum Besten gibt, während Josef Hien den Süden unsicher macht. Er hat einen genauen Blick für seine Umwelt entwickelt, gefühlsstark und lustig, böse und politisch, aber vor allem immer hoch persönlich.
Natürlich sind die Samstage und vor allem die Samstagabende sehr verklärt, wenn man nostalgisch in die Vergangenheit schaut. Wie war das noch? Mit dem Papa Auto waschen? Gesetzt. Dann Sportschau, danach in die Badewanne – und zum Schluss im Schlafanzug auf die Couch. Wer war der absolute Held? Thomas Gottschalk mit „Wetten, dass…?“, aber auch Joachim Fuchsberger war hoch im Kurs, Kulenkampff und natürlich „Verstehen Sie Spaß?“ mit Paola und Kurt Felix. Wenn keine große Show angesagt war, dann halt ein Winnetou-Film. oder das Ohnsorg-Theater. Dieser Abend war für die Familie heilig.
Ob diese Erinnerungen aber für einen dicken Wälzer ausreichen, der sich ganz den Helden dieser Zeit widmet? Und ob! Das beweist Tim Pröse mit vorliegendem Buch. Der Journalist und Autor schrieb für die Münchner Abendzeitung und das Magazin Focus. In vielen Begegnungen mit einigen der oben genannten Stars konnte er ihnen Geschichten und Anekdoten entlocken, die sich nun auf unterhaltsame Art in dieser Sammlung wiederfinden.
Pröse trifft Thomas Gottschalk, Christiane Hörbiger, Hape Kerkeling, Konstantin Wecker, Jan Fedder, Alfred Biolek und lässt Legenden wie Udo Jürgens, Loriot, Hans-Joachim Kulenkampff, Harald Juhnke, Günter Strack und andere noch einmal für uns aufleben. Mit Udo Lindenberg fuhr er auf dessen „Rockliner“, Barbara Schöneberger erlaubte ihm als bisher einzigem Journalisten wirklich private Einblicke, Götz George und Pierre Brice gaben ihm ihre letzten Interviews.
Das Buch besteht aus kleinen Geschichten, in denen Pröse – durchaus emotional angehaucht – seine persönliche Beziehung zu den Protagonisten erzählt, kleine Geschichten und Anekdoten sowie viele O-Töne einfließen lässt. Das ist flüssig lesbar und durch den roten Faden des Samstagabend-Themas hangelt man sich vergnügt von Kapitel zu Kapitel. Es sind schöne Porträts, die eine Zeit nostalgisch wieder aufleben lassen, die schon so lange vergangen scheint und in unseren Herzen doch noch so präsent ist. Wundervoll!
Vermutlich sind Konstantin Wecker und seine nachdenklichen, rebellischen, antifaschistischen Lieder in der heutigen Zeit relevanter denn je. Er weiß sehr wohl, dass er mit seinen Texten nur diejenigen erreicht, bei denen die Worte ohnehin auf fruchtbaren Boden fallen. Um so höher ist es im anzurechnen, dass er nicht aufgibt. Unermüdlich erzählt er aus seinem Leben, von dem friedvollem Vater, der ihm so viel mitgegeben hat, von eigenen Erfolgen und Niederlagen.
Der Song „Willy“ hätte Konstantin Wecker fast zum Verhängnis werden können. Weil er damit in eine Ecke gestellt wurde, die zwar großen Erfolg brachte, ihn aber musikalisch sehr einengte. Protestsongs ja – doch Weckers Devise war es immer, sie mit romantischen Liedern zu verknüpfen. Poesie und Widerstand. Wut und Zärtlichkeit. So gab es die ruhigen Chanson-Alben mit Wurzeln in Italien und Südfrankreich, die in Weckers mittlerer Lebensphase manche Fans verprellten, inzwischen aber doch so deutlich zu seinen Livekonzerten hinzu gehören.
Auf „Sage Nein! Antifaschistische Lieder 1978 bis heute“ ist „Willy“ wieder stark vertreten. Der Song rahmt das Album ein: Mit der ursprünglichen Version am Schluss und der 2018er Version ganz am Anfang, die vor allem eine energische Ansprache an die heutige Gesellschaft darstellt und vor internationalen Tyrannen und nationalen Gestalten wie Seehofer und Gauland warnt.
Romantisch wird es auf dem Album nicht, aber melancholisch. Neben dem brandneuen Song „Das Leben will lebendig sein“ bilden Klassiker wie „Sage nein!“, „Empört euch“, „Vaterland“, „Die weiße Rose“ und „Ich habe Angst“ eine starke Mischung antifaschistischer Wecker-Lieder, die den Menschen Mut machen sollen. Mut, um aufzustehen, sich einzumischen, Mut, zu widerstehen. Es sind Lieder, die gegen Ängste, Resignation und gegen den bedrohlichen Nazi-Wahnsinn anklingen. Ton für Ton, Wort für Wort. Auch das Loblied an die Anarchie „Anna R. Chie“ darf nicht fehlen.
Die CD, deren Erlös zu einem Teil auch der antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a.) gespendet wird, ist für nur zehn erschwingliche Euro erhältlich. Auch damit leistet der Musiker einen Beitrag, dass noch mehr Menschen erreicht werden können, die ganz einfach Nein sagen.
Die Mischung zwischen Neuaufnahmen, Originalen und Live-Mitschnitten ist stimmig. Fanny Kammerlander und Jo Barnikel leisten als Instrumentalisten einen fantastischen Job. Und Konstantin Wecker ist in Topform. Als Bonus gibt es „Bella Ciao“ im weltmusikalische Duett mit Shekib Mosadeq. Und der letzte Song lässt das Album nicht mit einem Knaller enden, sondern mit dem als Volkslied getarnten Trauersong der KZ-Häftlinge „Blümlein stehn am Waldessaum“. Sehr berührend!
Der Durchschnittsbürger ist mit 70 meist schon ein paar Jahre in Rente – manche Musiker geben dagegen mit 70 nochmal richtig Gas. So hat Konstantin Wecker zu diesem runden Geburtstag nicht nur ein Jubiläumsalbum und eine Biographie veröffentlicht, sondern das besondere Ereignis auch gleich mit mehreren Konzerten im Münchner Circus Krone gefeiert. Wer nicht selbst dabei sein konnte, kann sich nun über die DVD Box „Poesie und Widerstand – live“ freuen. Und diese hat es in sich: Auf zwei DVDs mit insgesamt fast vier Stunden Laufzeit ist das gesamte Jubiläumskonzert (als Zusammenschnitt der besten Aufnahmen von drei Konzertabenden) enthalten, eine dritte DVD bietet ausführliches Bonusmaterial mit weiteren musikalischen Geburtstagsgeschenken, verschiedenen Interviews und einem Making Of.
Wie schon auf dem gleichnamigen Album gibt der Münchner Liedermacher mit dem Konzertprogramm „Poesie und Widerstand“ gewissermaßen einem Überblick über sein musikalisches Schaffen. So folgen nach dem fulminanten Opener „Leben im Leben“ Titel wie „Ich singe, weil ich ein Lied hab“, „Der alte Kaiser“ oder „Liebesdank“ – alle schon viele Jahre alt und dennoch zeitlos bedeutsam. Zwischendurch erlaubt sich Wecker einige Gedichte, wird mit „Der Krieg“ und „Was keiner wagt“ auch immer wieder sehr kritisch und politisch und lässt seinen musikalischen Widerstand im ganz aktuellen Song „Den Parolen keine Chance“ gipfeln. Und er erzählt viel – zur Entstehung seiner Lieder, von seiner Familie, der er natürlich auch einige Stücke widmet, und immer wieder von seinen Überzeugungen und Träumen.
Begleitet wird Wecker von einer großartigen fünfköpfigen Band unter der Leitung seines langjährigen Weggefährten Jo Barnikel. Da einige der Musiker mehrere Instrumente beherrschen, sind die Arrangements äußerst abwechslungsreich – mal dominieren E-Gitarre, Keyboard und Schlagzeug, dann wieder wird’s mit Cello, Bratsche und Violine fast klassisch. Und zwischendurch singt Wecker auch mal nur zur eigenen unverkennbaren Pianobegleitung.
Zum zweiten Teil des Konzertes hat der Liedermacher sich dann einige Gäste eingeladen. Zunächst füllt das Kammerorchester der bayrischen Philharmonie die Bühne und lässt Titel wie „Empört euch“, „Weltenbrand oder „Ich habe einen Traum“ zu einem neuen, äußerst eindrücklichen Klangerlebnis werden. Zum italienischen Abend wird das Konzert schließlich mit den befreundeten Sängern Pippo Pollina und Dominik Plangger, die mit Wecker gemeinsam unter anderem „Questa Nueva Realtà“ , „Caruso“ und „Buonanotte Fiorellino“ interpretieren. Beim Klassiker „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ sitzt der Jubilar dann wieder alleine am Flügel, lässt bei „Gracias a la Vida“ auch mal die Band ihre sängerischen Qualitäten ausleben und beschließt das Konzert schließlich mit dem schlichten Gedicht „Jeder Augenblick ist ewig“.
Mit seinen Jubiläumskonzerten hat Konstantin Wecker sich selbst und seinen Fans ein wunderbares Geschenk zum 70. Geburtstag gemacht. Auf dieser DVD-Box eingefangen kann dieses Geschenk nun noch mehr Menschen erfreuen.
Konstantin Wecker feiert am 1. Juni 2017 runden Geburtstag. 70 Jahre – und kein bisschen müde. Trotzdem ist es an der Zeit, Rückschau auf ein bewegtes Leben zu halten. Dazu dient zum einen die Autobiographie „Das ganze schrecklich schöne Leben“. Ein dicker Wälzer, wie man sich vorstellen kann, der aber sehr lebendig geschrieben ist und die Höhen und Tiefen eines Künstlerlebens perfekt erzählt.
Doch natürlich gehört auch ein musikalischer Rückblick dazu. Und den bekommen die Fans des Liedermachers aus München mit dem Doppel-Album „Poesie und Widerstand“. Wer gleichzeitig die Biographie liest, wird einige Parallelen entdecken. Beispielsweise, wenn Wecker ausführlich über seinen Vater berichtet, dessen unerfüllte künstlerische Ambitionen und dessen Friedensliebe. Im Anschluss hört man „Niemals Applaus (Für meinen Vater)“ – und die Gänsehaut ist perfekt.
Das Doppelalbum bietet viele solcher Momente. Im Prinzip kann man hier den Songs folgen, die Wecker auf seinen Konzerten der letzten Jahre zum Besten gab. Denn es sind die Texte und Melodien, die ihm selbst viel bedeuten. Zum Teil schon recht betagte Werke, doch er hat sie neu eingespielt und sie erstrahlen in zeitloser Schönheit.
„Ich singe, weil ich ein Lied hab'“ erklärt seine Passion. „Kleines Herbstlied“ und „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ sind so wunderschön melancholisch, dass sie perfekt den Lebensrückblich „Das ganze schrecklich schöne Leben“ einläuten. Überhaupt ist CD 2 in weiten Teilen ruhig gehalten. „Ich habe einen Traum“ beschreibt die traumhafte Utopie einer Gesellschaft ohne Grenzen, in der der Reiche dem Bedürftigen hilft. „Gracias a la Vida“ und „Questa nuova Realtà“ sind Highlights jedes Livekonzerts. Und „Schlendern“ sowie „Tropferl im Meer“ führen dann doch ansatzweise in die Beschaulichkeit des Rentnerdaseins.
Politischer bleibt CD 1 mit „Den Parolen keine Chance“ (einem brandneuen Song, der sich an Beethovens „Ode an die Freude“ anlehnt), „Sage Nein“, „Empört euch“ und dem Klassiker „Was keiner wagt“. Im Booklet schreibt Wecker ein ansprechendes Vorwort – mit dem Fazit: „Nein, ich hör nicht auf zu träumen von der herrschaftsfreien Welt, wo der Menschen Miteinander unser Sein zusammenhält. Lasst uns jetzt zusammenstehen, es bleibt nicht mehr so viel Zeit, lasst uns lieben und besiegen wir den Hass durch Zärtlichkeit.“
Musikalisch wird allenthalben Großes geboten. Neben Weckers Alter Ego am Klavier, Jo Barnikel, sind auch die Cellistin Fany Kammerlander, die Multiinstrumentalisten Wolfgang Gleixner und Jens Fischer, der Gitarrist Severin Trogbacher sowie weitere internationale Gastmusiker, Sänger und Sängerinnen dabei. Dazu zählen unter anderem die österreichische Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, die südamerikanische Sängerin Gaby Moreno, der Clueso-Drummer Tim Neuhaus sowie die Eurovision Song Contest-Abräumerin Conchita Wurst. Der sizilianische Cantautore Pippo Pollina, Gothic-Rocker Asp sowie der Türke Cetin Oraner lassen den Wecker-Song „Sage Nein“ als Bonustrack in mehreren Sprachen erklingen.
Wenn es ein Album gibt, dass die Karriere von Konstantin Wecker auf den Punkt bringt, ist es „Poesie und Widerstand“. Keine schnöde Best-of-Compilation, sondern ein faszinierendes Doppelalbum, dass aus Sicht des Alters Rückschau hält und viele Songs vermutlich in ihre ultimate Form bringt. In jungen Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich den linken Revoluzzer Wecker irgendwann einmal so verehren werde. Doch heute verschwimmen die starren Grenzen. Wecker verhehlt nicht seine Bewunderung für Kanzlerin Merkel ob ihrer Haltung in der Flüchtlingsfrage. Wer hätte so etwas in den 90ern erwartet? Das neue Feindbild heißt AFD – und gemeinsame Feinde schweißen zusammen. Irgendwie.
Wer Wecker in den letzten Jahren live gesehen hat, weiß, dass er absolut in Topform ist als Revolutionär und Mahner, als Sänger, als Geschichtenerzähler. Und dass er eine fantastische Band mit sich bringt. Mit Cynthia Nickschas als Co-Heldin sind die Konzerte noch ein Stück geiler, doch sie steht als Liedermacherin immer mehr auf eigenen Füßen. Daher war sie im zweiten Tourabschnitt nicht dabei und wirkt bei der vorliegenden CD nicht mit. Doch auch die Gigs ohne ihre Mitwirkung sind einfach hervorragend – und das liegt nicht zuletzt an Jo Barnikel und Fany Kammerlander.
Gut auch, dass Konstantin Wecker momentan fast zu jedem Tourprogramm einen Mitschnitt veröffentlicht. Im vorliegenden Fall („Ohne Warum – live“) ist es ein ordentliches Bandkonzert in voller Besetzung. Noch einmal kann man sich mit dem Musiker und seiner fulminanten Band zum heiligen Tanz aufmachen, vom Glück des Gebens erfahren und beginnen mit dem Herzen zu denken. Die Auswahl der insgesamt 16 Stücke umfasst Klassiker wie „Es ist schon in Ordnung“, „Fast ein Held“ und „Wenn unsere Brüder kommen“ sowie aktuelle Songs, darunter „An meine Kinder“, „Der Krieg“ und „Ich habe einen Traum“. Sie alle vereinen Poesie und Widerstand, Liebe und Zärtlichkeit. Doch Wut ist eben nicht genug. Und so wärmen die wundervollen Klänge in der nun beginnenden kalten Jahreszeit.
Still wird es, wenn Konstantin erzählt: von Georg Heym, von der singenden Frau Petry, und von den Flüchtlingen in aller Welt. Sein Appell „Denkt mit dem Herzen“ sollte alle Menschen berühren. Aber leider werden es nicht gerade AFD-Anhänger sein, die sich eine live CD des Wortkünstlers anhören. Schade.
Bei seinem Live-Programm begibt sich der Musiker und Lyriker auf eine tiefdringende Suche nach dem Wunderbaren. Und dies eben ganz „Ohne Warum“. Der Titel entstand aus einem über 300 Jahre alten Gedicht von Angelus Silesius: „Die Ros ist ohn Warum, sie blühet, weil sie blühet. Sie achtet nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.“ Erschaffen wurde das Wortpaar von dem spätmittelalterlichen Philosoph Meister Eckhart, der den Begriff „sunder warumbe“ als Ausdruck mystischen Denkens verstand. Dieser Song beendet jedes Konzert und auch diesen Mitschnitt – eindringlich, tiefgehend und wunderschön!
Die Reihe „Porta hoch 3“ findet nun schon zum zweiten Mal statt und hat sich in Deutschlands ältester Stadt gut etabliert. Drei musikalisch sehr verschiedene Abende werden geboten. Am Freitag lud Konstantin Wecker zur Revolution. Äußerst passend in der Geburtsstadt von Karl Marx. Über den verlor er dann aber am Abend kein Wort.
Die 800 Zuschauer machten sich erst einmal Sorgen ums Wetter. Ist der Sitz trocken? Hab ich das Regencape griffbereit? Aufgrund der immer wiederkehrenden Regenschauer trudelte das Publikum nur sehr schleppend ein und es gab eine lange Schlange am Einlass. Zum Glück wurde der Konzertbeginn um 15 Minuten nach hinten verschoben.
Pünktlich zum Ende der Tagesschau startete Konstantin Wecker mit „Ich singe, weil ich ein Lied hab“. Einem Titel, der schon über 40 Jahre alt ist und der seit Jahrzehnten das Lebensmotto für den Münchner vorgibt. Nicht weil es uns gefällt und nicht weil wir’s bestellt… Er hat sich noch nie verbiegen lassen. Das muss jedem klar werden, der sich seinen Lebenslauf ansieht.
Früh im Konzert kommt Wecker schon zu den großen Themen. Er klagt an, dass die Nazi-Thematik, die er seit so langer Zeit besingt, immer noch aktuelles Thema ist. „Vaterland“ aus dem Jahr 1979 handelt vom Krieg, den KZs und der Feigheit der Menschen. „An meine Kinder“ enthält die eindringliche Bitte: „trag nie eine Uniform“. Ironisch tanzt Wecker den „Waffenhändlertango“.
Musikalisch sprang er von den 70er Jahren in die Gegenwart und wieder zurück. „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ (1976) passte zum Abend und den Regenschauern. Und es gab romantische, nachdenkliche Lieder. Weil die Revolution viel Liebe braucht, sang er ein „Liebeslied im alten Stil“. Zur Auflockerung gründete die fantastische Begleitband eine „iPhone Band“ nur mit Smartphone-Musikinstrumenten und verwöhnte das Publikum mit elektronischen Klängen.
Dann wurde es wieder ernst: „Der Krieg“ ist die Vertonung eines Gedichts von Georg Heym, das Wecker 2015 textlich fortgeführt hat. „Zweimal kam der große Krieg mit Macht, und sie sind zum dritten Mal nicht aufgewacht.“ Die Botschaften sind stark und deutlich.
Eigentlich hätte nun eine Pause folgen sollen, doch Konstantin Wecker fragte kurzerhand das Publikum, ob es vielleicht aufgrund der Wetterlage (es war doch ungewöhnlich feucht-kalt) darauf verzichten will. Die Antwort per Applaus war eindeutig und das Konzert wurde mit stimmlicher Unterstützung des Publikum fortgesetzt: „Die Gedanken sind frei“ in Weckers erweiterter Version wurde von einem großen Regenbogen über der Porta begleitet.
Der Künstler philosophierte über sich und sein Leben. Wie er vom Anarchisten zum Frühromantiker geworden ist. Und wie schön es doch wäre, wenn nur noch Rilke und Brecht statt Söder und Seehofer zu hören seien. Im Lauf des Abends wurde das musikalische Geschehen rockiger. Neben Flügel und Cello kam vermehrt die E-Gitarre zum Einsatz. „Sage nein“ und „Empört euch“ trug Wecker mit viel Energie vor und riss das Publikum mit.
Dann erzählte er von der Willkommenskultur im Deutschland des Jahres 2015, die Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten zusammen führt. Er zitierte aus seinem Büchlein „Dann denkt mit dem Herzen“ und hielt ein Plädoyer für den Gutmenschen. Verstand allein führt nicht zum Guten. Er muss angebunden sein ans Gefühl, ans Menschsein. Der Song „Ich habe einen Traum“ war die Essenz daraus. Der Traum von offenen Grenzen, dem Teilen und der Gemeinschaft aller Menschen ohne ideologische Hindernisse.
Standing Ovations waren dem Liedermacher jetzt schon sicher – und es sollte noch ein langer Zugabenblock folgen. Das Publikum bewegte sich im Stehen näher an die Bühne. Es gab den Titelsong der Tour „Revolution“ mit original Trierer Glockengeläut, das Wecker als göttliche Zustimmung deutete. Er nahm das obligatorische Bad in der Menge und ließ sich von vielen Frauen umarmen. Dann rief er alle zur Umarmung des Nachbarn auf. Ein großes Happening.
150 Minuten reine Konzertlänge waren schon vergangen, als der Titelsong des aktuellen Albums ertönte. Warum heißt es „Ohne Warum“? Die Antwort findet sich in einem über 300 Jahre alten Gedicht von Angelus Silesius: „Die Ros ist ohn Warum, sie blühet, weil sie blühet. Sie achtet nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.“ Damit schloss sich der Kreis zum ersten Song des Abends. Vom Künstler, der sein Tun um der Kunst willen betreibt.
Das Publikum schien es Wecker angetan zu haben. Genau wie kaum einer dem trüben Wetter entfliehen wollte, blieb auch Konstantin der Große standfest auf der Bühne. Da noch einige Minuten Zeit waren bis zur musikalischen Sperrstunde um 23 Uhr („und die Trierer sind da sehr streng“) gab es ein Gute-Nacht-Lied als Rausschmeißer. Er hatte das Publikum im Sturm erobert und die Anwesenden werden vermutlich noch lange von diesem Abend reden. Am Samstag folgt Nils Landgren mit philharmonischem Orchester und den Abschluss macht am Sonntag Mark Forster.