Ray Wilson liefert „Genesis Classic“ im saarländischen Theley
Neben Steve Hackett hält vor allem Ray Wilson als ehemaliges Bandmitglied die Fahne von Genesis aufrecht. Seine Konzerte sind stets eine Zeitreise für Fans der Progressive Rock-Band. Doch längst hat er auch viel spannendes Solomaterial zu bieten, an dem sich die Zuschauer*innen ebenso erfreuen. Ray Wilson bietet facettenreiche Shows – und diese können ganz unterschiedlich ausfallen. Allein mit Gitarre, gemeinsam mit einem Pianisten oder der Band Stiltskin, bisweilen gar in orchestraler Ausführung, wenn er „Genesis Classic“ in großer oder kleiner Besetzung präsentiert. Diesmal war es die reduzierte Nummer mit Violinistin Alicia und ordentlicher Bandbesetzung inklusive Saxofon/Querflöte durch den Multiinstrumentalisten Marcin.
Ray Wilson ist seit über dreißig Jahren im Geschäft. In den Tiefen meines Archivs finde ich noch Aufnahmen, die er im Studio des Schotten Fish Anfang der 90er Jahre gemacht hat. Es gab die Bands Guaranteed Pure und Cut in seiner Laufbahn, das One-Hit-Wonder mit Stiltskin (1994) und natürlich sein Gastspiel als Sänger von Genesis (1997), weil Phil Collins kurzzeitig keine Lust hatte. „Calling All Stations“ gehört für mich zu den besten Genesis-Werken. Und nur weil der Zeitgeist nicht den erwünschten Erfolg in den USA brachte, wurde die Zusammenarbeit im Anschluss eingestellt. Pech für Genesis, Glück für alle Fans des schottischen Sängers. Denn dieser befindet sich seitdem quasi auf einer Neverending-Tour, die ihn gestern nach Theley im Saarland führte.
Die Sport- und Kulturhalle ist für den kleinen Ort erstaunlich groß und bot Platz für einen ordentlichen Bühnenaufbau. Das Publikum kam in Scharen und einem gelungenen 2,5stündigen Konzertabend inkl. kurzer Pause stand nichts im Wege.
Mit „Congo“ und „That’s All“ gab es gleich zwei Genesis-Kracher zur Einstimmung. Doch auch Solostücke wie „Lemon Yellow Sun“ und „Symptomatic“ wurden geboten, wobei gerade letzteres mit Violinenbegleitung ein absolutes Highlight war. Ebenso wie das 50 Jahre alte Genesis-Stück „Carpet Crawlers“, bei dem Ray seine über mehrere Oktaven reichende Stimme perfekt ausspielen konnte. Auch das rhythmische „Home by the Sea“ und Publikumsliebling „No Son of Mine“ kamen sehr gut an, bevor es dann mit „Follow You Follow Me“ in die Pause ging.
Der zweite Teil startete mit Rays Paradestück „Calling All Stations“ und ich muss immer wieder bedauern, dass Genesis diesen Weg mit dem jungen Sänger nicht weiter gegangen sind. Aber da war wohl das Ego der Superstars zu groß. Zumindest scheint Ray keinen Groll gegen den Vorgänger und Nachfolger zu hegen, hatte er doch mit „Another Day in Paradise“ und „In the Air Tonight“ zwei Solostücke von Phil Collins im Programm. Auch Peter Gabriels Musik war mit „Sledgehammer“ und „Solsbury Hill“ prominent vertreten und von Mike & The Mechanics gab es „Another Cup of Coffee“. Dazwischen eingestreut fanden sich Solosongs wie „Alone“ und „Wait for Better Days“. Rays Stimme ist grandios und er hat eine formidable Liveband bei sich. Gerade in tieferen Tonlagen macht dem Schotten so schnell keiner was vor und das Publikum war tief beeindruckt.
Im Zugabenblock gab es ein Mitsing-Medley aus „I’m on Fire“, „Blowing in the Wind“ und „Crazy Little Thing Calles Love“ von Ray im akustischen Alleingang, bevor dann die Band zu „Knockin‘ on Heaven’s Door“ wieder dazu kam. Ein weiteres Highlight war „Land of Confusion“ und dann folgte schließlich der Stiltskin-Song „Inside“, der Ray Wilson vor dreißig Jahren im Zuge der Grunge-Bewegung und einer Jeanswerbung erstmals berühmt gemacht hatte.
So waren also alle Aspekte eines gelungenen Musikabends mit an Bord: Klassiker von Genesis aus mehreren Jahrzehnten, bekannte Oldies aus dem Songwriter-Genre, Solostücke der Genesis-Heroen und das alleinige Schaffen von Ray sei es solo oder mit Stiltskin. Das ist die Rezeptur für einen Abend voller fantastischer Musik – getreu dem Motto, das es auf T-Shirts zu erwerben gab: „If You Have Music, You’re Never Alone“.