Liedermacher-Legende Hannes Wader hat es wahr gemacht: mit 75 Jahren ging er in Rente. So geht der 30. November 2017 in Berlin, in die Geschichte ein. Als er das letzte Lied gespielt hatte, ging Hannes mit schnellen Schritten von der Bühne ab und verabschiedete sich mit einem einfachen “Macht’s gut!” von den viertausend Zuhörern im ausverkauften Tempodrom.
Sinnbildlich ist auch der letzte Auftritt, den ich von diesem großartigen und umtriebigen Künstler 2014 in Trier sah: Vor dem Theater lautierte ein winziges Trierer Grüppchen der NPD mit Megaphon gegen die „Verschwendung von Steuergeldern für entartete Musik“. Welche Dummheit und Ironie bei einem ohne Zuschussmittel durchgeführten Konzert eines Künstlers, der in deutscher Sprache sang, dabei nur in kleinen Ansätzen politisch war und die schreienden Rechten nicht einmal erwähnte, um sie nicht aufzuwerten. Es ist aber bezeichnend für den Hass (und vielmehr die Angst vor dem Kulturkämpfenden), die dem DKP-Mitglied Zeit seiner Karriere entgegen schlugen.
Schön, dass sich Hannes Wader nun die Zeit nahm, eine umfangreiche Autobiographie zu schreiben. Es ist nicht nur seine Lebensgeschichte, das Spiegelbild seiner politischen Einstellung, sondern auch eine subjektive Betrachtung Deutschlands über Jahrzehnte hinweg. So ehrlich und bewegend, dass man die aufregende Geschichte wie einen Roman lesen kann.
Zitate gefällig?
„Gegen sechs Uhr morgens, am 23. Juni 1942, werde ich in Bethel bei Bielefeld im Hause Gilead, der Entbindungsstation, mit einem Haarkringel über der Stirn geboren. Dem diensthabenden Arzt, der mich hochhebt, schiffe ich laut schreiend ins Gesicht.“
„Eines Abends nehmen mich Jungs aus der Rio-Milchbar in den Bunker Ulmenwall, damals der erste Jazzkeller in der Stadt, zu einem Jazzbandball mit. Mir ist, als beträte ich eine andere Welt.“
„So zu leben, habe ich mir gewünscht. Unterwegs sein. On the road. Endlich. Von einem Ort, von einem Augenblick zum andern. Was für ein Gefühl. Von mir aus kann das ewig so weitergehen.“
„Der Kalte Krieg ist kälter als je zuvor. Unter US-Präsident Ronald Reagan nimmt das atomare Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion nie gekannte Ausmaße an. Gleichzeitig drängt in der BRD Helmut Schmidt als derzeitiger Bundeskanzler auf den NATO-Doppelbeschluss und damit auf die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen auf westdeutschem Boden. Dagegen formiert sich jetzt ein rasch wachsender Widerstand aus den verschiedensten Teilen der Bevölkerung. Eine mächtige, sich auch international enorm ausbreitende Friedensbewegung entsteht. Eine echte Massenbewegung, an der sich auch die DKP als nur eine von unzähligen Gruppierungen beteiligt. Ich selbst sehe mich als Teil des sich schnell organisierenden Zusammenschlusses der Künstler für den Frieden.“
In „Kindheit“, „Lernen“, „Singen“ und „Handeln“ gliedert er das Buch. Seine Lebensgeschichte erklingt poetisch wie seine Lieder, als Arbeiterlied und Folksong. Er schreibt offen, berührend, humorvoll und poetisch – und natürlich in epischer Breite auf ordentlichen 592 Seiten. Dabei gibt es keine Selbstbeweihräucherung, sondern eine schonungslose und durchaus kritische Ehrlichkeit
Es ist ein schönes Geschenk, dass der Liedermacher seinen Fans nach dem Karriereende macht: Die Lyrics erklingen nicht mehr live in Konzerten, aber man hat immer noch die CDs – und man kann die poetischen Worte dieser wundervollen Biographie genießen.