Running Wild wurde 1976 von Rolf Kasparek (dem legendären „Rock ’n‘ Rolf“), Uwe Bendig, Matthias Kaufmann und Wolfgang Hagemann in Hamburg gegründet. Die ersten Alben spielten noch mit einer okkulten Symbolik, doch spätestens mit „Under Jolly Roger“ im Jahr 1987 ging es raus auf hohe See – und da sollte das Heavy Metal Quartett erst einmal für längere Zeit bleiben.
Zum Abschluss der ersten Bandphase gab es damals zwei spannende Releases: 1988 erschien mit „Ready For Boarding“ das erste Livealbum der Band, die inzwischen in der Metalgemeinde Fuß gefasst hatte. Und 1991 veröffentlichte man in neuer Bandbesetzung (jetzt neben Rolf mit Axel „Morgan“ Kohlmorgen, Jens Becker und Rüdiger „AC“ Dreffein) neue Versionen von Songs der ersten drei Alben unter dem Motto „The First Years Of Piracy“.
Das Livealbum wurde am 9. und 10. November 1987 in München mitgeschnitten, als die Band dort an zwei aufeinanderfolgenden Abenden spielte. Vom Namen der Tournee, „Ready for Boarding“, leitet sich auch der Name des Albums ab, der perfekt zum neuen Piratenimage passte: „Klar zum Entern!“ hieß die Devise.
Im Set gab es Songs der ersten drei Studioalben, wobei „Branded And Exiled“ nur durch „Mordor“ vertreten war. In einer gelungenen Mischung aus Black und Heavy Metal war der Mitschnitt eine Standortbestimmung für alte und neue Fans. Allein das Intro „Hymn of Long John Silver“ ist legendär und der Übersong „Purgatory“ wurde seltsamerweise nie auf einem Studioalbum verwendet – er feierte auf dieser Tour quasi Premiere und fand sich auch später hartnäckig in vielen Livesets. Auf jeden Fall ein großartiges Livealbum mit enormer Spielfreude, das lange Zeit nicht mehr erhältlich war. Die Neuauflage ist überfällig und die wuchtige Produktion hat nicht gelitten.
Für den neuen Release gibt es zudem ein besonderes Schmankerl: Auf der Bonus-DVD findet sich ein Mitschnitt der „Death Or Glory“ Tour vom Oktober 1989 in Düsseldorf. Dieser erschien weiland im VHS Format und ergänzt diesen Digipack perfekt. Die Aufmachung ist sehr wertig, das Booklet vielleicht etwas spärlich gehalten.
Grundsolide ist auch der Best-of-Release „The First Years Of Piracy“ in neuer Besetzung. Auch hier geht es um die ersten drei Bandalben, wobei die Songs diesmal gleichmäßiger verteilt sind. Die meisten Songs klingen besser als die Originale. Rockig, mit viel Wucht, ohne dabei die melodische Seite aus dem Blick zu verlieren. Viele Fans werden Running Wild erst mit „Under Jolly Roger“ entdeckt haben. So machen vor allem der gleichnamige Song und Hymnen wie „Raise Your Fist“, „Raw Ride“ und „Diamonds Of The Black Chest“ Laune.
Damals war es die beste Gelegenheit, den Running Wild Sound der 80er mit neuen Meistern an den Instrumenten in die 90er zu retten. So war es eigentlich auch mehr als ein Best Of. „The First Years Of Piracy“ fasste den Ur-Sound der Band gekonnt zusammen – und Rolf an den Vocals war ohnehin über alle Zweifel erhaben.
Das Booklet enthält die Lyrics und einige nostalgische Fotos. Ein gelungener Rückblick auf das erste Kapitel einer Band, die bis heute relevant ist.