Die neuen Corona-Regeln des Saarlands hätten dem Konzert von JEREMIAS im Kleinen Klub der Garage Saarbrücken fast einen Strich durch die Rechnung gemacht, gilt doch dort just seit dem 20.11. die 2G+ Regelung für Clubs und Discotheken. Es war also erforderlich, dass alle Zuschauer sich trotz ihrem Status als “geimpft oder genesen” auch noch ein tagesaktuelles negatives Testzertifikat besorgen. Zum Glück wurde das frühzeitig kommuniziert und es gab auch beim Einlass keine Probleme. Ein Testcenter befindet sich direkt in der Garage mit separatem Eingang – also alles safe für das Event.
Trotz der kurzfristigen Regelung war der Kleine Klub nämlich gut gefüllt und es gab eine ausgelassene Feier ohne Masken und mit hohen Sicherheitsstandards. So kann das funktionieren! Das Publikum war recht jung. Vor allem wohl Schüler und Studenten. Auch damit kann man bei einer Newcomerband wie JEREMIAS rechnen. Die vier Jungs aus Hannover starten gerade kräftig durch. Ich habe sie unlängst auf dem REEPERBAHN Festival gesehen, wo sie schon für Furore sorgten. Und die Clubtour – deren Abschluss man nun in Saarbrücken feierte – ist auch hervorragend gelaufen.
Den Anfang machten aber ILAYO mit elektronischem Computersound. Ein Keyboarder und eine Sängerin, die ebenfalls eine Tastatur bediente. Es gab sphärischen Gesang und bisweilen skurrile esoterische Bewegungen der Frontfrau. Dem Publikum hat’s gefallen – auch wenn die Vocals zum Ende hin manchmal ziemlich verstörend klangen. Es gab Technobeats und einen voluminösen Clubsound, der gut zur Garage passte und die Zuschauer zum Tanzen animierte. Ein gelungener Einstieg in den Abend.
JEREMIAS starteten pünktlich um 20.30 Uhr mit ihrem ganz besonderem Sound und dem Song “Paris”. Wenn eine Band aus Hannover mit einem Altersdurchschnitt von 20 Jahren angibt, Disko-Funk zu machen, muss das Posing sein. Ist es aber nicht! Die Tour war so gut wie ausverkauft und der Sound der Band ist absolut stimmig. Die Jugend lässt sich vom Label “Funk” nicht abschrecken. Und während der Popsound auf dem Tonträger noch recht chillig klingt, ging doch live ordentlich die Post ab.
Erst im Oktober 2019 veröffentlichten JEREMIAS ihre Debüt-EP “Du musst an den Frühling glauben”. Im Corona-Sommer 2020 folgte die zweite EP. Ein Intro, vier Songs: “alma”, die spanische Bezeichnung für die Seele. Und im Mai 2021 war dann das Debütalbum “Golden Hour” am Start. Konsequent, Zug um Zug – und der Erfolg gibt ihnen Recht.
Der Kleine Klub beherbergte ein textsicheres Publikum, das sich seit Mai alle Lyrics des Debüts drauf geschafft hatte. Zum groovenden Sound wurde lässig getanzt. Das aktuelle Album stand ganz im Vordergrund der Performance mit Stücken wie “nie ankommen”, “ich mags”, “mio” und “einfach”. Kurze Songtitel, ordentliche Aussage. Die Indie-Pop-Band brachte das Publikum trotz aller Auflagen zum Tanzen und verwandelte den Klub in einen atmosphärischen, bisweilen mystischen Ort. Das war pures Konzertfeeling wie in alten Zeiten! Vor allem Gitarrist Oliver Sparkuhle legte sich mit seiner Performance schwer ins Zeug, auch wenn Sänger Jeremias Heimbach stets im Mittelpunkt stand. Besonders als er allein am Keyboard den neuen Song “Goldmund” (frei nach Hermann Hesse) vortrug und für einen Gänsehautmoment sorgte.
Der reguläre Konzertteil endete nach 80 Minuten mit dem Titelsong des Albums. Aber es war das letzte Konzert der Tour, also gab es einige Überraschungen. So befand sich in der Wasserflasche des Sängers purer Gin. Und als erste Aktion der Zugabe sang die komplette zehnköpfige Crew ein a-cappella-Stück auf der Bühne. Danach wurde wieder getanzt und gefeiert bis zur Curfew um 22 Uhr. Tanzen im Circle, Stage-diving, das komplette Programm mit Teilen der Band im feierwütigen Publikum.
JEREMIAS sind unbekümmert und finden Funk geil. Ihr Sound ist tanzbar und sexy, reduziert und groovend zugleich, manchmal theatralisch. Das junge Publikum steht auf diesen handgemachten Sound. So wird vermutlich auch der nächste Tourabschnitt im März 2022 zur geilen Zeit. Zum Vormerken: 6. März 2022 in der TUFA (Tuchfabrik Trier). Der VVK ist bereits gestartet.
Etwa 300 Konzerte an ca. 35 Locations – das ist ein Wagnis, das zu Zeiten dieser schon so lange andauernden Pandemie kaum einer anzugehen wagt. Abgesehen von den Machern des Reeperbahn Festivals in Hamburg. Schon im Jahr 2020 waren sie die letzte Bastion im weitgehend konzert- und ansonsten absolut festivalfreien Deutschland. Doch natürlich musste man Abstriche machen (und muss es noch). Wo sich normalerweise um die 50.000 Fans in St. Pauli tummeln, waren es im vergangenen Jahr gerade mal 8.000 – in Clubs und überdachten Freiluftarenen, überall mit Sitzplätzen. HIER unser Bericht vom vergangenen Jahr.
2021 sieht es schon anders aus. Von “heile Welt” will ich aber nicht reden. 20.000 Besucher sind zugelassen. Die Veranstalter hätten sich für die in Hamburg mögliche 2G-Regelung entscheiden und alle Spielstätten wie in alten Zeiten füllen können, doch die Entscheidung des Senats ist mitten in die zu Ende gehenden Planungen reingegrätscht. Da hatte man sich schon längst für das 3G-Konzept entschieden und wollte den Karteninhabern entsprechende Planungssicherheit geben. Heißt im Klartext: Schon bevor man das Festivalbändchen in Empfang nehmen kann, führt der erste Weg zum Covid-Check: Wer geimpft, genesen oder frisch getestet ist, bekommt ein entsprechendes Bändchen als Nachweis. Das war für die folgenden Konzertbesuche die beste Lösung, bedeutete aber auch ein erstes Warten in einer schier endlosen Schlange.
An die Warteschlangen allüberall sollte man sich gewöhnen müssen. Und ich kann nur die Geduld aller Beteiligten loben: Security, Einlasspersonal und vor allem wartende Menschen. Es gab kaum Unmutsäußerungen, auch wenn Besucher berichteten, an drei Clubs angestanden zu haben um letztlich kein Konzert zu sehen. Das wurde vor allem in beliebten Clubs wie dem Gruenspan oder dem Mojo zu harter Realität. Auch wer es rein geschafft hatte, durfte nicht machen, was er wollte. Wo es keine Sitzplätze gab, waren Stehplatz-Punkte auf den Boden geklebt. In stetiger Fleißarbeit bekam jeder vom Personal einen Platz zugewiesen. Maskenpflicht blieb natürlich bestehen – es ist schon Wahnsinn, woran wir uns in den vergangenen 18 Monaten alles gewöhnt haben.
Lässige Konzerterlebnisse gab es vor allem auf den Open-Air-Bühnen am Spielbudenplatz und am Heiligengeistfeld, wo das Festival Village aufgebaut war. Angesagte Künstler wie Jeremias, Antje Schomaker und Jupiter Jones auf der ARTE Concert Stage – das waren echte Highlights wie zu alten Zeiten. Es wurde gejubelt und gefeiert, allerdings “ohne Tanzen und ausschweifende Bewegungen”, wie die Festivalstimme vom Band am Anfang jedes Gigs vermeldete.
In den kleinen Locations wie dem UWE konnte man neue Acts entdecken und lieb gewinnen. Im Umfeld der Fritz Bühne wurde es immer wieder gemütlich und heimelig, da man von überall einen guten Blick auf die hohe zweistöckige Bühne hatte und zu guter und lebhafter Musik chillen konnte. Und dann waren da natürlich die wirklich ungewöhnlichen Konzertstätten: Das Imperial Theater, wo die Bands in der Kulisse eines Edgar-Wallace-Stücks auftraten, die St. Michaelis-Kirche mit ihrem wundervollen Ambiente und natürlich die Elbphilharmonie, die endlich wieder mit im Programm vertreten war.
Man konnte sich bestimmte Konzerte als Priorität setzen, pünktlich am Einlass stehen und mit etwas Glück einen Platz bekommen, oder aber man ließ sich treiben und stromerte dahin, wo gerade nicht so viel los war, wo spannende Musik zu hören war, wo das Publikum gerade lauthals jubelte. Hamburg wurde mit musikalischem Leben erfüllt – und es war fast wie früher.
Konzerthighlights
Herausheben möchte ich für den ersten Tag die spielfreudige Kölner Indie-Pop-Band Fortuna Ehrenfeld. Im GRUENSPAN heizten Martin Bechler, Jenny Thiele und Jannis Knüpfer dem Publikum ordentlich ein und sorgten für ausgelassene Stimmung. Was für ein Start ins Festival! Sehr soulig wurde es dann mit Joy Denalane im STAGE Operettenhaus. Bei einem umjubelten Auftritt präsentierte sie vor allem ihre aktuellen Songs im Motown-Sound und wurde dabei von einer kraftvollen Band mit zwei Background-Sängerinnen unterstützt. Ein grandioses Konzert voller stimmlicher Eleganz.
Am Donnerstag konnte ich Annie Chops bei einem Solo-Showcase ihrer Plattenfirma bewundern. Eigentlich gehörte sie gar nicht zum Festival-LineUp, doch da sie als Gitarristin von Antje Schomaker mit am Start war, nutzte sie die Gelegenheit für einen Auftritt vor dem Maa’ Deyo und zeigte, wie sie ganz allein mit ihrem R’n’B, Hip Hop und Pop bestehen kann. Hilfreich war dabei eine Loop Station, garniert von einer unverschämt souligen Stimme, deren rauer Charme direkt unter die Haut ging.
Danach ging es zu OSKA in den Nochtspeicher. Sie war nominiert für den ANCHOR Award als Nachwuchstalent und trat hier vor der Jury auf (die mit Namen wie Emeli Sandé, Tom Odell und Yvonne Catterfeld aufwartete. Etwas nervös am Anfang führte sie das Publikum durch ein melancholisches Set voller ruhiger Songs. Mit traumhafter Stimme und verklärt-verspielten Ansagen. Tags darauf hat sie uns vom Auftritt berichtet – das Interview könnt ihr HIER nachlesen. Wenig später gab es JEREMIAS auf der ARTE Concert Stage. Die Indie-Pop-Band aus Hannover brachte das Publikum trotz aller Auflagen zum Tanzen und verwandelte das Heiligengeistfeld in einen atmosphärischen, bisweilen mystischen Ort. Pures Konzertfeeling wie in alten Zeiten!
Freitags gab es neben einigen kleineren Konzerten den gefeierten Auftritt von JUPITER JONES auf der ARTE Concert Stage. Ein erzählfreudiger Nicholas Müller mit teils launischen Ansagen, die perfekt zu seiner schnoddrigen Art passten – inklusive Mittelfinger für Hetzer und Populisten. So kennt man den Eifeler Sänger – schön, dass er wieder zurück ist. Und als dann sein Hit “Still” erklang (wie immer der verstorbenen Mutter gewidmet), hatte die Gänsehaut alle ergriffen.
Auf der Spielbude XL wurde Tim Freitag zum Überraschungshit! Der Indie-Rocker aus Zürich kämpfte sich durch alle Tonlagen, sprang vom Boxenturm und stand am Ende selig und halbnackt im Schein der beeindruckenden Lightshow. Mit seiner Bühnenpräsenz war er sicher eine Entdeckung des Festivals! Skurril dann auch der Auftritt von Katy J Pearson im Imperial Theater, da die Band dort in der Kulisse eines Edgar Wallace Theaterstücks auftrat. Die Sängerin mit prägnanter Stimme und fantastischen Instrumentalisten konnte das Wohnzimmer jedenfalls problemlos mit ihrer Musik füllen.
Der Samstag führte nach einigen kleineren Shows auf der FRITZ Bühne wieder zur ARTE Concert Stage, wo Antje Schomaker in ihrer Heimatstadt vielleicht den Auftritt ihres Lebens hinlegte. Übersprudelnd vor Freude haute sie einen Deutschrock-Hit nach dem anderen raus und fütterte das Publikum mit Lebensweisheiten aus ihrem Alltag (“Wenn’s nicht passt, dann trennt euch”). Sie wird einfach von Album zu Album stärker.
Und dann zwei abschließende Highlights zum Schwärmen: In der St. Michaelis Kirche (dem Hamburger Michel) glänzte die Songwriter-Band Die höchste Eisenbahn mit einem Akustikset, der durch alle Phasen der Karriere führte und das Publikum zu stehenden Ovationen brachte. Der Sound war überragend und die Band ließ sich davon tragen. Konnte man das noch toppen? Ja, mit Niklas Paschburg in der Elbphilharmonie. Der Hamburger Elektronik-Künstler füllte die hohe Konzerthalle mit wundervollen Klängen aus Flügel, Keyboard und Akkordeon, die er mit einer Loop-Station live zur atmosphärischen Soundkulisse arrangierte. Der glasklare und warme Sound der Philharmonie tat sein Übriges dazu, dieses Konzert zum Abschluss-Highlight werden zu lassen. Das konnte man nicht mehr steigern!
Fazit
Da will ich zunächst mal Frehn Hawel von der Festivalleitung zu Wort kommen lassen: “Als Superstar Sting erzählte, dass er vor seinem Auftritt bei der Eröffnung des Reeperbahn Festivals nervös gewesen sei, da dies seine erste Liveshow seit 18 Monaten war, brachte er damit die aktuelle Situation für die meisten seiner Kolleg*innen auf den Punkt. Die Freude über das Erleben von unmittelbarer Intensität und direktem Austausch, sowohl zwischen Künstler*innen und Publikum, aber auch branchenintern, gepaart mit dem Wiederaufleben der internationalen Aktivitäten des Musikgeschäfts zeichneten die diesjährige Ausgabe des Reeperbahn Festivals aus. Wie groß die Sehnsucht nach Konzerterlebnissen in Musikclubs ist, zeigte sich leider auch in den teils sehr langen Schlangen vor den Spielstätten, die durch die 3G-Umsetzung des Reeperbahn Festivals auch in diesem Jahr stark eingeschränkte Kapazitäten aufwiesen.”
Die Entscheidungen, die getroffen werden mussten, waren nicht leicht und sorgten durch die geringen Kapazitäten auch zu Unmut (nicht unbedingt vor Ort, aber in Kommentaren bei den sozialen Medien). Trotzdem waren sie richtig – und letztlich konnte sich jeder sein Festival bei Traumwetter selbst gestalten. Wer die langen Schlangen vor den Clubs meiden wollte, hatte vor den großen Open-Air-Bühnen Spielbude XL und ARTE Concert Stage genügend Freiraum. Der Reeperbus sorgte mit 15minütigen Kurzauftritten für große Vielfalt in kürzester Frequenz. Und wer es gemütlich haben wollte, konnte weitläufig um die hoch aufgebaute FRITZ Bühne chillen.
Das Experiment ist auch im zweiten Corona-Jahr gelungen und hat die Normalität ein Stück weiter zurück gebracht. Bleibt zu hoffen, dass es im nächsten Jahr mit wieder 50.000 Besuchern und ohne Auflagen weitergeht. Der Termin steht schon: 21. bis 24. September 2022. Early-Bird-Tickets sind ab heute erhältlich!
Jemand meint es gut mit Wuppertal – blauer Himmel, viel Sonnenschein, (ausnahmsweise mal) kein Regen und noch dazu stabile Inzidenzwerte, die endlich das möglich machen, worauf viele seit etlichen Monaten warten: Live-Musik. Und das kam direkt im Multi-Pack. Thees Uhlmann, Maria Basel und Darjeeling sowie Jeremias sorgten auf der Waldbühne Hardt am zweiten Juniwochenende für drei Konzertabende.
Gut besucht waren die Konzerte alle, kaum Stühle blieben frei und die strengen Hygienemaßnahmen lassen einen für einige Stunden den Corona-Alltag vergessen. Zugang gab es nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete. Alle Veranstaltungen waren bestuhlt und jedem wurde sein Sitzplatz zugewiesen – hier galt die Regel „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Idyllisch zwischen Felsen und grünem Wald gelegen versteckt sich in dem Park zwischen den Stadtteilen Elberfeld und Barmen die Waldbühne in erhöhter Position mitten in der Stadt.
Gleich die Eröffnung übernahm eine Größe der deutschsprachigen Rockmusik – Thees Uhlmann, Ex-Tomte-Frontmann, seit einigen Jahren vor allem Solo unterwegs, zeigte sich mit seiner Live-Band voller Spielfreude, Charisma und einer großen Portion (Selbst-)Humor.
Dass Thees Uhlmann musikalisch seit Jahren abliefert, ist kein Geheimnis. Mit seiner Solo-Karriere knüpft er weitestgehend nahtlos an die erfolgreichen Tomte-Zeiten an – es bleibt weiter indierock-poppig mit Texten, die von Kritikern wie Fans gefeiert werden, zum Mitsingen einladen und dabei im Kopf nachhallen. Dabei weiß Uhlmann, wie er das Publikum auch zwischen den Songs – die vor allem vom aktuellen „Von Junkies und Scientologen“- Album und der selbstbetitelten Solodebüt-Platte kommen – bestens unterhalten kann. Wenn Uhlmann in der Anekdotenkiste kramt, hat er die Lacher dank seiner augenzwinkernd-selbstironischen Erzählweise definitiv auf seiner Seite, ohne dabei abgehoben zu wirken. Vielmehr hat man das Gefühl, mit einem sehr guten Kumpel entspannt bei einem Bier zusammenzusitzen und dabei bestens unterhalten zu werden – inklusive eines zwischenzeitlichen Griffs zur Gitarre. Für die Rückkehr zurück zur Livemusik hätte der Veranstalter kaum eine bessere Wahl treffen können.
Dass dies mit lokalen Künstlern ebenfalls gelingen kann, zeigte der zweite Abend. Den abschließenden Bühnencheck für Darjeeling und Maria Basel übernahm – passend zur Waldbühne – ein Eichhörnchen, das schnell über die Stage flitzte. Solcherart gewappnet und mit entspanntem Publikum eröffnet Maria Basel den Abend. Die Solokünstlerin hat Anfang des Jahres ihre Debüt-EP „Layers“ mit fünf dichten, sphärischen Elektro-Pop-Songs veröffentlicht und präsentiert diese nun erstmals vor Live-Publikum. Dabei ist sie kein unbeschriebenes Blatt. Sie singt, komponiert oder spielt bei verschiedenen Formationen mit – das reicht von Elektro hin zu Pop, Hip-Hop oder Jazz etwa mit dem Pina Bausch Ensemble, Samy Deluxe, Golow oder im Basel & Söhngen Duo. Zudem legt sie als RIA mit elektronischen Performances/DJ auf. Ihr Sound aus flirrenden Loops und melancholischen Melodien macht Lust auf mehr – auch bei dem Konzert auf der Waldbühne.
Nach einem Set von einer knappen halben Stunde übernimmt ein adäquater Nachfolger: Die Wuppertaler Band Darjeeling ist mit ihrem mittlerweile dritten Album „Maguna“ nicht nur in der Heimatstadt etabliert. Mit ihrem psychedelischen Avantgarde-Pop mit einer Mischung aus synthie-lastigem Indie und Krautrock weiß das Trio, bestehend aus Fabian Till Reinkenhoff (Keyboard), Markus Kresin (Bass) und Jan Szalankiewicz (Gitarre), zu überzeugen. Live gibt es Unterstützung von Schlagzeuger Thorben Doege und Niklas Nadidai am Keyboard.
„Endlich wieder Konzerte – sozusagen zum Anfassen“ dürfte vielen durch den Kopf gegangen sein, die an dem sommerlichen Freitagabend in den Genuss kommen, Darjeeling live zu erleben. Dass die neuen Songs nun auch vor „richtigem“ Publikum und nicht nur in Streams vorgeführt werden ist für alle Seiten eine Freude. In den Rängen schwelgen die Zuschauer zu den Klängen mit nickenden Köpfen in den Soundwolken, die aus den Boxen strömen, während die Spielfreude auf der Bühne förmlich zu greifen ist. Die Zeit ist allerdings begrenzt, wie bei Open-Airs meist der Fall, daher hält sich die Band nur wenig mit Ansagen auf und holt stattdessen alles mit, was geht, inklusive zwei Songs als Zugabe. Dabei bedienen sich die Jungs vor allem an ihren beiden jüngeren Alben „Maguna“ und „Hokus Pokus“, wobei auch „Little Weapon“ vom Debütalbum nicht fehlen darf. Hätte es besagte Zeitbegrenzung nicht gegeben, sowohl Publikum als auch Band hätten wohl am liebsten bis spät in die Nacht weitergespielt – zu Recht.
Und doch – wo ein Ende, da auch ein Anfang, in dem Fall das nächste Konzert am Samstagabend. Dieses Mal sind Jeremias aus Hannover zu Gast – und reißen gleich in den ersten Sekunden alle von den Stühlen. Statt Sitzkonzert gibt es mehr stehende Tanzeinlagen, wenn auch bedacht am eigenen Platz. Das durchschnittlich junge Publikum feiert die Gruppe, zeigt sich in knapp anderthalb Stunden Konzert textsicher. Der Indie-Pop mit Disco-Funk-Elementen und deutschsprachigen Texten trifft den Nerv der Hörer, geht direkt ins Ohr und offensichtlich auch in die Beine. Frontmann Jeremias Heimbach (Gesang und Piano), Oliver Sparkuhle (Gitarre), Ben Hoffmann (Bass) und Jonas Herrmann (Drums) genießen den Tourauftakt sichtlich, schließlich haben sie ihr gerade erst erschienenes Debütalbum „Golden Hour“ mit im Gepäck und bei dieser Reise allen Rückenwind.
Den dürften auch die Veranstalter des Wuppertaler Konzertfrühlings haben: volles Haus bei allen Konzerten, keine Zwischenfälle, ein entspanntes und begeistertes Publikum und viele Menschen auf allen Seiten, die hungrig nach mehr sind.
Im Juli geht es weiter. Am 9. Juli spielen Die Sterne auf der Waldbühne, am 10. Juli folgt die Henrik Freischlader Band. Für beide Events gibt es noch Karten im Vorverkauf.
Töne, die durch die Abendluft schweben, Applaus, der tosend aufbraust und glückliche Gesichter – all das konnte man in den vergangenen Wochen und Monaten kaum erleben. Das höchste der Gefühle war oftmals ein Livestream im heimischen Wohnzimmer, allein oder mit wenigen ausgewählten Freunden oder Familienmitgliedern. Doch viele hoffen nun auf den wärmeren Sommer, wenn es endlich wieder nach draußen geht, wo sich die Aerosole und damit potentielle Viren schnell wieder verflüchtigen und Hygienemaßnahmen einfacher eingehalten werden können.
Diese Hoffnung schürt jetzt in Wuppertal der Konzertfrühling auf der Waldbühne Hardt. Die Open-Air Bühne in der großen Parkanlage zwischen Elberfeld und Barmen bietet in vier Konzertblöcken vom 10. Juni bis 11. September Platz für Livemusik – ein zweiter Frühling für die Kulturlandschaft mitten im Sommer.
Pro Show werden 300 Besucher:innen zugelassen sein, die Fläche ist bestuhlt und die Gäste müssen sich an die gängigen Hygienevorschriften halten: genügend Abstand und das Tragen einer Maske auf dem gesamten Gelände ist unabdingbar.
„Wir freuen uns, wenn es weitergehen darf“, sagt Veranstalter Marcus Grebe vom Live Club Barmen und der Konzertagentur Grebe. „Wir blicken inzwischen auf eine sehr lange Zeit ohne Veranstaltungen zurück und wir alle wünschen uns das Gefühl zurück, das man nun mal nur inmitten eines stimmungsvollen Konzertes hat.“
Den Auftakt macht direkt Thees Uhlmann & Band am 10. Juni. Der Hamburger Musiker und Autor ist inzwischen auch als Solokünstler erfolgreich. Gerade zu Ostermontag veröffentlichte der mit Tomte bekannt gewordene Sänger die neue Single „Club 27“, die wohl ein Vorgeschmack auf das kommende neue Album ist. Die „Songs & Stories II“-Tour macht jedenfalls Halt in Wuppertal. (Tickets gibt’s für 42,30 Euro u.a. hier https://ghvc-shop.de/thees-uhlmann-songs-stories-ii-tickets-2021_2367/)
Der zweite Abend gehört der Wuppertaler Band Darjeeling. Ende Februar 2021 erschien das neue Album „Maguna“, auf dem sich das Kraut-Rock-Trio deutlich psychedelischer und mit mehr Synthie-Sound zeigt als noch auf den beiden Vorgänger-Platten. (Tickets für den 11. Juni gibt es für 15 Euro)
Funky mit Disco-Pop und deutschsprachigen Texten geht es am Samstag, 12. Juni, weiter. Auf der Bühne steht die Hannoveraner Band Jeremias. Am 28. Mai erscheint das Debütalbum „Golden Hour“ der jungen Musiker, die aufs erste Hören an Bands wie Provinz oder Betterov erinnern. (Tickets für 28,50 Euro)
Den Abschluss des ersten Konzertwochenendes bildet eine Lesung. Jan Weiler kommt am 13. Juni mit seinem Buch „Die Ältern“ vorbei. Das Buch des Bestseller-Autoren ist seit dem 31. August 2020 auf dem Markt und dreht sich nun um die Zeit, wenn der Nachwuchs erwachsen und damit flügge wird. Der in Düsseldorf geborene Schriftsteller dürfte mit dem dazu passenden Bühnenprogramm sicherlich für erheiternde Momente an diesem Abend sorgen. Tickets gibt es ab 25 Euro)
Einen Monat später startet der nächste, etwas kürzere Konzertblock. Diesmal beginnen Die Sterne am Freitag, 9. Juli. Von der 1991 in Hamburg gegründeten Indie-Pop-Band ist nur noch Sänger und Gitarrist Frank Spilker übriggeblieben. Elf Alben gibt es in der (weitgehenden) Ursprungsformation, bis 2018 die letzten beiden Mitstreiter der Anfangstage Die Sterne verlassen. An ihre Stelle treten Philipp Janzen und Phillip Tielsch der Krautrock-Band Von Spar. auf dem 2020er Album „Die Sterne“ heißt es wohl Neuanfang zum 30-jährigen Jubiläum – mit Unterstützung der Düsseldorf Düsterboys, Kaiser Quartett und Erobique und einem elektronischeren und psychedelischeren Klang. (Tickets ab 24 Euro).
Blues erklingt am 10. Juli auf der Waldbühne, denn Henrik Freischlader Band startet seine „Missing Pieces Tour 2021“ in seiner Wuppertaler Heimat. Der Sänger und Gitarrist hat sich in den vergangenen 15 Jahren in der Szene einen Namen gemacht, zehn Studio- und sechs Livealben veröffentlicht und mit anderen Größen des Blues die Bühne geteilt. Die fünfköpfige Band begeistert live mit großem Improvisationstalent und mitreißendem Groove. Tickets gibt es ab 25 Euro.
Nach dem kurzen Livemusik-Intermezzo im Juli startet der August mit vier Konzerten durch. Den Anfang machen Mr. Hurley & Die Pulveraffen am 12. August. Die vier Geschwister konnten mit ihren beiden vergangenen Alben „Tortuga“ und „Leviathan“ in den Top Ten der deutschen Charts landen. Den Stil betiteln sie selbst als „Grog ‚n‘ Roll“ oder „AggroShanty“. Daher geht es passenderweise um Piraten, Meeresungeheuer und alkoholgeschwängerte Abenteuer auf rauer See. Eintrittskarten gibt es für 26 Euro im Vorverkauf.
Nach den Osnabrücker Folk-Piraten steht am Freitag, 13. August, wieder eine regionale Band auf der Hardter Waldbühne. Uncle Ho gibt es mit Unterbrechungen schon seit 1994. Das Trio konnte besonders in den 90ern und frühen 2000ern einige Erfolge feiern – inklusive Plattenvertrag in den USA, Vorband von Smashing Pumpkins oder Guano Apes. Die „Beastie Boys aus dem Bergischen“ schaffen also mit Crossover Pop-Rock den Sprung nach oben. Das Ende kommt 2004 kurz nach Album Nummer vier. 2010 wird sich wieder mit neuem Gitarristen zusammengefunden, doch die Ambition nach oben bleibt aus. Stattdessen macht Uncle Ho vor allem Musik aus Spaß an der Sache und tritt sporadisch auf – unter anderem beim Konzertfrühling, die Tickets kann man für 15 Euro im Vorverkauf bekommen.
Deutlich poppiger klingt das Wochenende mit Staubkind am 14. August. 2003 als Dark Rock-Projekt gegründet, tendiert die Gruppe um Sänger und Gitarrist Louis Manke immer mehr Richtung Pop-Rock mit Anleihen beim modernen Schlager. Die deutschsprachigen Texte mit eingängigen Melodien gehen leicht ins Ohr. Nach der Zwangspause soll es 2021 wieder zurück auf die Bühne gehen – mit neuen Songs im Gepäck. Der Eintritt kostet 26 Euro (VVK).
Das letzte Konzert im August bestreiten Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys – Italo Schlager vom Feinsten aus Augsburg und München. Die sechsköpfige Band greift jedes Klischee einer schmalzigen italienischen Kitsch-Combo auf. Das bringt zugleich Sehnsucht nach dem Süden, gute Laune und Klamauk mit sich, vor allem aber viel Ironie und Popkritik. Einen Ausflug in die heile Pastellwelt der Italoboys, die sich angeblich 1982 als Duo gründeten, nur um 2016 die große Reunion zu feiern, gibt es schon für 22 Euro.
Das Ende des Konzertfrühling-Sommers bilden zwei Acts im September. Horst Wegener, Wuppertaler Rapper und Songwriter macht am 10. September den Anfang und beendet damit sein vor zwei Jahren gestartetes Mixtapeprojekt „12 Jahreszeiten“. Transparent erschuf er neue Musik, veröffentliche monatlich einen neuen Song und stellt den Zyklus live auf der Waldbühne vor. Mit dabei werden einige Special Guests sein. Tickets gibt es ab 15 Euro.
Am 11. September kommen beim letzten Konzert des Sommers vor allem Bon Jovi Fans auf ihre Kosten. Seit über zwölf Jahre ist Bounce in ganz Europa als Tribute Band unterwegs und bringen Hits aus 30 Jahren Bon Jovi-Musikgeschichte auf die Bühne. Tickets kosten 16 Euro im Vorverkauf.
Das Programm ist also genretechnisch vielfältig aufgestellt, regionale Acts und national bekannte Bands sind eingeladen. Da bleibt nur noch „Daumen drücken“, dass der Sommer das bringt, was alle sich erhoffen: den zweiten Frühling für die Livekultur.
Dank ihrem Disco-Funk mit deutschen Texten sind JEREMIAS aktuell in aller Munde. Nach Festivals, Supportshows für Giant Rooks und OK KID und der Veröffentlichung ihrer von Tim Tautorat (Annenmaykantereit, Faber, OK KID) produzierten Debüt-EP bricht das Quartett in wenigen Tagen zu seiner ersten Headliner-Tour auf. Erstaunlich für eine Band, deren Mitglieder gerade mal zwischen 19 und 22 sind und die vor allem erst seit knapp zwei Jahren miteinander Musik machen.
Der Hype um die vier Hannoveraner kommt nicht von ungefähr: Jeremias, Oliver, Ben und Jonas sind weit mehr als your average Indiepop-Band. „Wir haben musikalisch ganz unterschiedliche Backgrounds, aber eine Schnittmenge an Bands, die wir alle geil finden“, erzählt Oliver. Mit Parcels, Tom Misch und Men I Trust als gemeinsamer Nenner ist der Sound von JEREMIAS kein Rückgriff in Raum und Zeit, sondern eine Interpretation der Interpretation und schlägt genau deshalb eine Brücke zwischen den 80ern des letzten und den 20ern dieses Jahrhunderts.
Den Sound ihrer ersten EP denken JEREMIAS mit der neuen Single „schon okay“ konsequent weiter: Zum glasklaren Disco-Funk der vier Hannoveraner gesellen sich im Song auch elektronische Elemente. Gitarren in der Tradition von Tom Misch und melodiöse Synthie-Läufe verschmelzen zu einem ganz eigenen Groove.
„schon okay“ ist ein Lied über den Rausch der Zweisamkeit. Willenlos und gierig zugleich. Wie von Sinnen neben sich stehen und doch voll da sein. Flausen im Kopf, Klopfen im Herz, geklaute Blumen in der Hand, Küsse auf den Lippen. Ein Plädoyer für die Möglichkeiten des Moments und was daraus werden kann.
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