Als im Dezember des vergangenen Jahres der Vorverkauf für die fünf Deutschlandtermine der Biffy Clyro-Europatour 2013 begann, gingen die Tickets weg wie frischgeschnittenes Brot. Im Januar veröffentlichte das Trio sein grossartiges neues Doppel-Album „Opposites“ und brachte damit die nach oben hin offene Euphorieskala endgültig zum Durchbrennen. In dem allseits bekannten Auktionshaus mit den vier Buchstaben wurden die Tickets für das drei- bis vierfache des Normalpreises gehandelt. Der lag bei 30 €. Zusätzlich angefacht wurde der Hype um Simon Neil sowie die Gebrüder James und Ben Johnston durch massives Radio-Airplay ihrer Single „Black Chandelier“.
Natürlich ist auch das Kölner E-Werk heute restlos ausverkauft. Der prozentuale Anteil weiblicher Fans unter den 2.000 Glücklichen, die eine Karte ergattert haben, ist hoch. Kein Wunder, denn die drei Schotten treten traditionell halbnackt – sprich mit freiem Oberkörper – auf. Bevor sie sich am Anblick des großflächig tätowierten Trios erfreuen können, müssen Weiblein wie Männlein jedoch erst noch die Vorgruppe Blood Command über sich ergehen lassen. Die norwegischen Punkrocker prügeln ihre Songs eine knappe halbe Stunde lang mit einem solch tragikkomischen Dilettantismus in die Halle, dass der Raucherbereich neben dem E-Werk binnen kürzester Zeit aus allen Nähten platzt. Während sie ihre unverständlichen Texte ins Mikro brüllt, ist Frontfrau Silje Tombre zumindest ein äußerlich netter Anblick. Über den Rest des „Auftritts“ hüllen wir an dieser Stelle lieber den dicken Mantel des Schweigens.
Blood Command sind vollständig vergessen, als um 21 Uhr im E-Werk das Licht ausgeht und die ersten Klänge des Openers „Different People“ erklingen, der im Refrain gleich mal das Motto des Abends verkündet: „We’re alive tonight“. Oder mit anderen Worten: Die Party kann losgehen. Im Gegensatz zum gestrigen Konzert in Berlin muss sich Simon Neil in Köln auch keine bierbecherwerfenden Fans persönlich vorknöpfen und aus der Halle schmeißen lassen. Unterstützt werden er und die Johnston-Brüder vom vollständig bekleideten Ex-Oceansize-Gitarristen Mike Vennart, der sich bis auf wenige Ausnahmen aber komplett im Hintergrund hält. „Opposites“ macht die Hälfte des 23 Songs umfassenden Sets aus, das im bisherigen Verlauf der Tour lediglich in Bezug auf deren Reihenfolge variiert. Immerhin haben Biffy Clyro mit „There’s No Such Thing As A Jaggy Snake“ auch einen Klassiker aus ihrem 2004 erschienenen Album „Infinity Land“ im Repertoire, der die ganze ungezügelte künstlerische Kraft wiederspiegelt, zu der die Band fähig ist und die seit ihrem Megaseller „Only Revolutions“ von 2009 ein wenig in kommerziellen Ketten liegt.
So wirkt auch ihr Auftritt im E-Werk bei aller musikalischen und handwerklichen Klasse seltsam routiniert. Die Ansagen sind spärlich und manch einer bezeichnet die Songauswahl hinterher als „zerrissen“. Das mag daran liegen, dass es neben krachenden Rockhymnen wie „Sounds Like Balloons“, „Modern Magic Formula“ oder „Booooom, Blast & Ruin“ auch viele der ruhigeren Stücke in die Setlist geschafft haben. Höhepunkte hierbei sind „Machines“, das Simon Neil alleine mit Akkustikgitarre singt und das von einem stabilen Kloß im Hals begleitete „Opposite“. Wer trotzdem kann, singt nicht nur an diesen Stellen aus voller Kehle mit. Die überaus geschmackvolle Lightshow untermalt die melancholischen ebenso wie die hemmungslos rockigen Momente perfekt. Trotz des durchgängig leicht matschigen Sounds ist die Stimmung ausgelassen und vor allem friedlich. Auf und vor der Bühne fließt der Schweiß in Strömen. Es gibt wohl niemanden, der nach fast eindreiviertel Stunden und den letzten Klängen des Closers „Mountains“ unzufrieden nach Hause geht. Ihrem Ruf als eine der derzeit besten Live-Kapellen dieses Planeten sind Biffy Clyro in Köln ohne Zweifel gerecht geworden.
Man darf momentan allerdings die Befürchtung hegen, dass es ihnen ähnlich wie den Kings Of Leon ergehen könnte. Die wollten nach dem Riesenerfolg ihres Albums „Only By The Night“ von 2008 zu schnell zu viel und erlitten in dem auf maximalen Profit gepolten Hamsterrad der Musikindustrie ein Schleudertrauma, das bis heute anhält. Es spricht einiges dafür, dass die Kollegen aus Tennessee für Biffy Clyro tatsächlich ein warnendes Beispiel sind. Auch wenn ich mir so gut wie sicher bin, dass wir die Schotten auf ihrer aktuellen Tour zum letzten Mal in vergleichsweise kleinen Hallen von der Größenordnung des E-Werks sehen. Deshalb empfehle ich allen Fans bei den beiden noch ausstehenden Konzerten in Bremen und Wiesbaden: Genießt es!
Am kommenden Montag (04.03.) sind Biffy Clyro übrigens live in der neuen Sendung „Circus HalliGalli“ von Joko und Klaas zu Gast (ProSieben, 22:15 Uhr). Darüberhinaus quasi ganz frisch verkündet: Biffy Clyro werden bei „Rock im Pott“ (Gelsenkirchen, 18.08.) und dem neuen Festival „The Rise Of Rock ’n‘ Heim“ (Hockenheimring, 16.-18.08.) auftreten. Außerdem sind für die Festivalsaison bereits Auftritte bei Rock am Ring, Rock im Park, Taubertal und dem Open Flair Festival bestätigt.