Über 40 Jahre waren die Egerländer Musikanten mit den Namen ihres Gründers Ernst Mosch verbunden, der im Jahr 1945 als vertriebener Sudetendeutscher aus dem böhmischen Egerland nach Bayern floh und dort 13 Jahre später das Blasorchester Original Egerländer Musikanten gründete, mit dem er weltweite Berühmtheit erlangte. Immerhin gab es Platin-Schallplatten, umjubelte Tourneen in aller Welt und gar einen Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall.
Seit 1999 steht das Orchester jetzt unter der Leitung von Ernst Hutter, der in diesem Jahr nach einem Vierteljahrhundert die Leitung an einen Mitmusiker abgibt. Dementsprechend heißt die aktuelle Tour auch „Mein Finale“ und ist mit viel Wehmut verbunden. Riesige Platten- oder CD-Verkäufe gibt es im neuen Jahrtausend zwar nicht mehr, doch die Musiker sind unentwegt weiter auf Tour und spielen ausverkaufte Konzerte – so auch in der Europahalle Trier, die mit Musikbegeisterten aller Generationen gefüllt war. Dass Blasmusik gar nicht so „out“ ist, wie man vermuten könnte, zeigte zum einen die enorme Altersspanne im Publikum und zum anderen recht coole T-Shirts mit dem Aufdruck „BLSMSK“.
In Trier fand nach offizieller Zählung Konzert Nummer 995 unter Hutters Leitung statt, der den langen Abend zunächst allein mit seinem Tenorhorn eröffnete. Dann fanden die übrigen 19 Musiker zu ihm. Der Sound aus Klarinetten, Flügelhörnern und Trompeten, Tenorhörnern und Bariton, Posaunen, Tuben sowie einem mittig platzierten Schlagzeug war kraftvoll und der stark aufspielenden Besetzung mehr als würdig.
Durchs Programm führte Edi Graf als Moderator und sagte die Stücke an, die zum größten Teil Eigengewächse der Egerländer waren. So begann man mit dem „Egerländer Musikantenmarsch“ und „So ein schöner Tag“, bei denen mit Nick Loris und Theresa Gauss ein Gesangsduo in Volksmusik-Manier den vokalen Part übernahm. Das war nett, aber ich muss ehrlich sagen, dass die Musik mich mehr packte, wenn sie instrumental dargeboten wurde – was zum Glück bei gut zwei Dritteln des Programms der Fall war.
Die „Sehnsuchtspolka“, die „Egerländer Festtagspolka“ und diverse Walzer wurden mit viel Spielfreude vorgetragen. Oft waren es Arrangements, die Ernst Hutter selbst geschrieben hat, doch es war keineswegs seine One-Man-Show. Allein schon die Tatsache, dass mit Alexander Wurz der designierte Nachfolger in der Orchesterleitung ebenfalls am Tenorhorn mitspielte, war eine gelungener Schachzug für die Staffelübergabe. Wie es bei den Egerländern üblich ist: Da kommt kein großer Maestro von außen, sondern man schafft sich den Nachwuchs selbst. Immerhin spielen auch Hutters Söhne im Orchester und er selbst wird fortan das Management beibehalten.
Die Musik war nach thematischen Blöcken aufgeteilt und vor der Pause gab es Stücke zum Thema Familie wie „Mama“, „Omama und Opapa“ sowie „Gloria Patri“. Dann waren auch schon 70 Minuten vorbei und es ging in die Pause. Der Abend sollte noch lang werden!
Ich bin selbst kein Musikant und höre Bläser eigentlich am liebsten im Bigband-Sound. Ich muss aber sagen, dass mich diese Show durchaus packen konnte. Vielleicht weil Hutter so ein sympathischer Mensch ist und das ganze Orchester sehr viel Leidenschaft vermittelte. Ich denke nur an den omnipräsenten Schlagzeuger Holger Müller, der sowohl sein Handwerk verstand als auch mimisch oft im Mittelpunkt stand. Überhaupt war die Interaktion der Musiker sehr lebendig, was auch beim Zuschauen Spaß machte.
Die „Südböhmische Polka“ wurde grandios abgefeiert, doch es gab auch moderne Stücke wie „Zeitenwende“, das passend zum Songtitel der „neue Chef“ Alexander Wurz geschrieben hat. Und beim „Song für Generationen“ fand Wurz sich gar überraschend als Solist am Mikro ein. Da kann es noch weitere Neuerungen bei den Egerländern geben. Neben diesem Blick in die Zukunft erzählte Graf im Dialog mit Hutter Anekdoten aus der langen Geschichte, man erinnerte an den ersten (!) Auftritt in Egerland 2009, an die guten Zeiten unter Ernst Mosch, an viele Jahrzehnte kultiger Musikgeschichte.
Ich kann sagen, dass ich es sehr angenehm fand, Blasmusik mal in einem Konzertrahmen zu hören, wo die Leute auch zuhörten und nicht – wie beim heimischen Frühschoppen – mehr mit sich selbst beschäftigt waren und die Zeit zum Plaudern nutzten. Da das Orchester meist sehr filigran aufspielte, hatte es seine aufmerksame Hörerschaft auch verdient. Und wenn dann zu „Trompetensterne“ eine Parade an Solisten ihr Können zeigte, war das ein echter Hochgenuss.
Als der „Astronautenmarsch“ erklang, waren schon zweimal 70 Minuten gespielt. Doch das Publikum war noch lange nicht gesättigt. Der Zugabenblock dauerte nochmal fast 30 Minuten und brachte neben dem Abschied „Bis bald auf Wiedersehen“ auch noch Gassenhauer wie die „Vogelwiese“, die von den Anwesenden vehement eingefordert wurde. Ernst Hutter hielt eine emotionale Abschiedsrede, in der er sein Glück über die Begeisterung der Anwesenden ebenso teilte wie den Optimismus, dass es immer neue Generationen an Blasmusiker*innen geben wird. Ein solcher Abend wie in Trier kann den Traditionalisten da schon Mut machen – und stehende Ovationen waren der Dank für den scheidenden Orchesterleiter.