Eines vorweg: Dieser Text kann nicht neutral geschrieben werden. Seit 2010 begleitet mich Frank Turner mit seiner Musik und seither ist kaum ein Jahr vergangen, in dem ich nicht auf ein, zwei oder mehr Konzerten von ihm war. Dafür bin ich teils auch weit gefahren, unter anderem war ich 2017 in Nancy, 2019 in London und 2022 bei seinem eigenen Festival „Lost Evenings“ in Berlin – mit vier Frank-Turner-Konzerten hintereinander.
Auch heute noch reißt mich der Brite bei seinen Live-Shows vom Hocker und entsprechend hat er in Köln am vergangenen Sonntag das komplette Palladium zum Beben gebracht. Ja, das ist ein generischer Satz, ja, ich habe mich gerade als Fan-Girl geoutet. Aber: Ich bin auch auf vielen Konzerten und nur sehr selten erlebe ich es, dass bis in die letzte Reihe hinein lauthals mitgesungen, gehüpft und getanzt wird und die Leute einfach eine richtig gute Zeit haben. Und damit meine ich nicht nur ein paar Fans, sondern wirklich die meisten.
Das mag an den zwei Regeln liegen, die es auf Frank Turner-Konzerten gibt: „Rule Number 1: If you know the lyrics, please sing along“. „Rule Number 2: Take care of each other and don’t be a dickhead“. Es funktioniert. Eigentlich immer. Ab und an gibt es trotzdem ein paar “dickheads”, aber Turner hat auch schon mehrfach unter Beweis gestellt, dass er das Publikum durchaus im Blick hat und in Notfällen interveniert. In Köln war das glücklicherweise nicht notwendig.
Dieses Konzert jedenfalls war Nummer 2958 auf Turners Liste und auch wenn er eigentlich keinen Anlass benötigt, um auf Tour zu gehen, stand diese doch im Zeichen seines aktuell erschienenen, zehnten Albums „Undefeated“. Konzert-Müdigkeit merkt man ihm und der Live-Band „The Sleeping Souls“ (die übrigens auch abseits von Turner unter diesem Namen aktiv ist) überhaupt nicht an. Die Ansagen wirken von Herzen, die Anekdoten, obwohl schon x-Mal erzählt und gehört, nicht abgedroschen.
Dabei gönnt Frank Turner über weite Strecken der Show weder sich, dem Publikum noch der Band eine Pause. Oft geht ein Song in den nächsten über, manchmal wird mit oben angesprochenen Ansagen eine kurze Verschnaufpause eingelegt. Traditionell gibt es etwa zur Hälfte eine kurze Solo-Einlage mit einigen ruhigeren Songs, bevor alle wieder Vollgas geben – bis zum Ende.
Neben neueren Songs (die von vielen noch verinnerlicht werden müssen, so mein Eindruck) wie „No Thank You for the Music“ oder „Ceasefire“ (insgesamt sieben „Undefeated“-Songs) kann Turner aus einer langen Liste an Werken wählen. Klassiker durften dabei nicht fehlen, etwa „Photosynthesis“, „I Still Believe“ oder „If I Ever Stray“, aber auch seltener gespielte Songs wie „Redemption“. Insgesamt beinhaltete die Setlist 25 Songs.
Es ist nun nicht so, als wäre ein Turner-Konzert eine Tüte voller Überraschungen. Meist weiß man, was einen erwartet und vielleicht ist genau das etwas, was auch nach so vielen Jahren immer noch ein wohlig-warmes Gefühl vermittelt: Das Wissen, mindestens anderthalb bis zwei Stunden energiegeladene Musik von einem Typ mit Gitarre zu bekommen, der eigentlich immer auf Tour ist. Mit Songs, die von banalen Sing-Alongs hin zu Lebensweisheiten reichen und die so sowohl ein dickes Grinsen ins Gesicht zaubern können, als auch die ein oder andere Träne hervorrufen mögen. Nächstes Jahr im Februar ist Konzert Nummer 3000 in London im Alexandra Palace geplant, die Show ist schon längst ausverkauft. Zwischendurch geht es für Frank Turner nach Vietnam, Mexiko, durch Europa und nach Australien. 2025 im Sommer wird er noch auf einigen Festivals, auch in Deutschland, spielen, aktuell kommen verschiedene Bestätigungen rein (Vainstream, Deichbrand). Es lohnt sich, diesen Mann, auch nach 20 Jahren Frank Turner (solo), weiter im Auge zu behalten.
Als Support war die britische Folk-Punk-Band Skinny Lister mit dabei – ebenfalls seit 2009 schon unterwegs und live immer ein Erlebnis wert. Einziges Manko: Ist man nicht allzu sehr mit dem Oeuvre der Band vertraut, können die Songs rasch etwas austauschbar klingen. Als Vorbereitung am Sonntagabend war es trotzdem eine gute Wahl.