Ganz Deutschland freut sich seit dem Abhängen der Halloween-Dekoration auf Weihnachten und lässt sich von Dudelmusik und Lebkuchenduft betören… Ganz Deutschland? Nein! Für ein von unbeugsamen Fans bevölkertes Fleckchen im Südwesten startet die Vorfreude auf das Weihnachtsfest erst am 23. Dezember um kurz nach 20 Uhr, wenn in der Europahalle Trier der „Meister“ die Bühne betritt.
Seit 21 Jahren schon zelebriert Guildo Horn hier stets zur gleichen Zeit sein traditionelles Weihnachtskonzert unter dem Motto „An Weihnachten bin ich zuhaus“ und bringt Schlagerfans wie Rocker gleichermaßen in Verzückung. Die ausverkaufte Halle feierte den einzigen echten Trierer Star auch in diesem Jahr wie den Weihnachtsmann in Person. Etwas Wehmut kam aber schon auf, als Guildo andeutete, dass es in zwei Jahren die Europahalle vielleicht nicht mehr geben wird. Egal – jetzt wird erst einmal gefeiert – und 2017 zu gleicher Zeit und an gleicher Stelle auch. Die Tickets sind bereits erhältlich!
Das Programm bestand, wie seit je her von Guildo gewohnt, hauptsächlich aus gängigen Pop- und Rocksongs, die textlich in ein weihnachtliches Gewand gekleidet wurden. Aus dem Buggles-Klassiker „Video Killed The Radio Star“ entstand ein frisches „Freuet euch sehr, das Christkind ist da“. „Live And Let Die“ verwandelte sich in ein sehnsuchtsvolles „Kinder es schneit“. „Stairway To Heaven“ erzählte die Geschichte vom Kind, das sich ein „Pony zur Weihnacht“ wünscht (dazu ritt Guildo stilsicher mit Steckenpferd über die Bühne). Die Hymne „The Final Countdown“ schmetterte der Meister als „Ein feiner Christbaum“. Und selbst vor Pink Floyd machte die festliche Karawane nicht halt: „Another Brick In The Wall“ erzeugte eine symbolische Anti-Osterhasen-Demo mit Textzeilen wie „Wir wolln keine Ostereier“. Das Publikum ging in allen Aspekten perfekt mit, bildete Mitklatsch-Kulisse, Weihnachts-Percussion und Tannenbaum-Wald.
Die Begleitcombo bestand nicht nur aus dem altbewährten Orthopädischen Strümpfen, die Guildo Horn schon seit mehr als zwei Jahrzehnten begleiten und allen Schlagern einen sehr rockigen Touch mit auf den Weg geben. Als zweite Unterstützung hatte er die Asoziale Blaszentrale Dessau mit dabei – eine gut gelaunte Bläsergruppe, die eine gehörige Portion Funk in die Arrangements brachte. Und da war Power drin. James Bond-Bläser und Gitarrensoli lieferten den Hintergrund zu einer kraftvollen Performance. Solistische Einlagen boten „7 Nation Army“, „Smoke On The Water“, „Eye Of The Tiger“, sogar „Insomnia“. Wer es lieber besinnlich mochte, wäre bei den Christmas Moments in der am Stadtrand gelegenen Arena besser aufgehoben gewesen. In der Stadtmitte wurde gerockt, was das Zeug hielt.
Als Gäste hatten sich Fools Garden aus Pforzheim eingefunden und sangen zur Freude des Publikums ihren einzigen wirklichen Hit „Lemon Tree“. Dann gab es noch den zweiten kleinen Hit „Wild Wild Days“ und Sänger Peter Freudenthaler konnte im Anschluss staunen, welchen Enthusiasmus der Barde aus Trier bei seinem Publikum hervorrufen kann. Guildo war aber auch in Topform. Allein an der Gitarre gab er „Leise rieselt der Schnee“ und wirkte wie eine junge Version von Otto Waalkes. Er grüßte vertraute Gesichter, unter anderem die große Fanschar von der Lebenshilfe Trier. Schon nach einer halben Stunde stand Guildo mit nacktem Oberkörper auf der Bühne und lieferte eine abstruse Bauch- und Brustgymnastik. Später zog er sich Engelsflügel an. Hätte noch gefehlt, dass er durch die Halle schwebt.
Der Zugabenteil widmete sich fast komplett dem Metier „Schlager“. Endlich, werden manche gedacht haben. Und es gab viele genüsslich zelebrierte Klassiker wie „Wunder gibt es immer wieder“, „Vielen Dank für die Blumen“, „Wer hat an der Uhr gedreht“ und natürlich „Guildo hat euch lieb“.
Über zwei Stunden Party vergingen wie im Flug. Für viele war auch die Party die Hauptsache. Etwas Kritik soll erlaubt sein: Im letzten Hallendrittel war die Soundqualität gleich Null und man bekam auch von der Bühnenshow nichts mit. Das sich laut unterhaltende Publikum war wohl vor allem da, um sich selbst zu feiern. Das Bühnengeschehen konnte man ja aus den Augenwinkeln auf drei kleinen Bildschirmen mit verfolgen. Sei’s drum. Im vorderen Bereich wurde der Meister ausgiebig zelebriert – das muss dann halt reichen. Abschließend seien alle Interessenten auf den 23. Dezember 2017 verwiesen, wenn es in der Europahalle Trier wieder heißen wird „An Weihnachten bin ich zuhaus“.