Nach dem lauten und ausverkauften Konzertabend mit KETTCAR am Tag zuvor konnte es jetzt in der Garage Saarbrücken etwas ruhiger zugehen. Der vordere Teil des Konzertsaals war abgetrennt und locker gefüllt – vor allem mit weiblichem Publikum. Das allerdings war in froher Erwartung auf die Sängerin aus Offenburg und feierte bereits den Support revelle ordentlich ab.
Schon um 19.45 Uhr trat die junge Sängerin auf. Die Wahlberlinerin ist mittlerweile fester Bestandteil der Deutschpop-Playlisten. Sehr quirlig, sympathisch und frisch nahm sie das Publikum mit auf eine 30minütige Reise durch luftige, meist fröhliche Popsongs, die sie sehr reduziert zu Klavierbegleitung interpretierte. Man sah ihr die Freude über den Auftritt merklich an und die halbe Stunde verging wie im Flug.
„Ich wünschte du wärst meine erste Liebe, weil’s so viel leichter wär‘ dich einfach zu lieben“, singt revelle. Mit ihrem minimalistischen Stil trifft sie mit ehrlichen Texten mitten ins Herz einer ganzen Generation. Klare Worte von Gefühlen und dem Chaos, das aus ihnen entstehen kann, werden zum Mittelpunkt der Musik. revelle hat an diesem Abend sicher einige neue Fans im Saarland gewonnen. Schon bald wird man sie wieder in der Garage erleben können, da sie auch Florian Künstler am 28. April als Support begleitet.
Um 20.45 Uhr war es dann Zeit für Madeline Juno. Vor einem halben Jahr hatte ich sie noch auf Acoustic Tour im Kammgarn Kaiserslautern gesehen. Auch ein großartiges Konzerterlebnis – doch es ist schon besser, wenn sie mit umfangreicher Band auftritt und einen grandiosen Sound auf die Bühne zaubert.
Seit sich Madeline entschieden hat, von der englischen zur deutschen Sprache zu wechseln, gehört sie zu meinen absoluten Favoritinnen in der poetischen Popmusik. Das war im Jahr 2017 mit dem Longplayer „DNA“ der Fall und inzwischen ist mit „Nur zu Besuch“ schon ihr viertes Album mit deutschen Lyrics erschienen.
Der Abend startete ganz typisch mit „Sad Girl Shit“, „Lovesong“ und „Vermissen“, wobei sich die 28jährige Sängerin gerne mal selbst voll Ironie auf die Schippe nimmt. Oft geht es um Irrungen und Wirrungen ihres Beziehungslebens, aber auch um die schwierigen Themen Depression und Angststörung, die immer wieder eine Rolle spielen.
Der Klassiker „Grund genug“ wurde in einer neuen Version dargeboten und brachte das Publikum zum kollektiven Mitsingen. Madeline warnte vor ihren Tanzkünsten, legte dann aber im nahtlosen Übergang von „Gewissenlos“ zum rockigen „Schatten ohne Licht“ eine sehr ansehnliche Sohle aufs Parkett. Also alles gut.
Eine Zuschauerin hielt ein Plakat „A oder B“ in die Höhe und traf Madeline im wunden Punkt: „Ich kann sowas einfach nicht ignorieren.“ Sie fragte, was wohl damit gemeint ist, gab die Antwort B und wurde mit dem Wunsch nach einem alten Song „Drei Worte“ konfrontiert. Hektisch beriet sie sich mit ihrem Keyboarder, googelte den Text, lernte gar die ersten Zeilen neu per Spotify und sang dann zumindest den Refrain des Songs. Für solche Aktionen ist die Sängerin bekannt und das macht sie überaus sympathisch.
Den Zuhörer*innen war sie immer ganz nah und erzeugte stärkere Intimität mit zwei akustischen Songs, „Version von mir“ im Trio und dem bisher unveröffentlichten „Mediocre“ allein mit Ukulele. Letzteres als Antwort auf die bei Promoterminen immer wieder gestellte Frage, wie man sich denn so fühlt, wenn man nächstes Jahr 30 wird. „Männer werden das nie gefragt“, bemängelte sie. Aber vermutlich haben Frauen im Showgeschäft eine ganz andere Halbwertszeit.
Madeline Juno hat schon seit Jahren eine abgeklärte Art, mit ihren Depressionen umzugehen, indem sie eindringliche Bilder für ihren Gemütszustand findet. „Nur kurz glücklich“ zeigt deutlich die immer vorherrschende unsichere Gemütslage auf und „Murphy’s Law“ strotzt vor unnötigen Selbstzweifeln.
Zur Freude vieler gibt es das atmosphärische „Waldbrand“, das Startschuss von Madelines zweiter Karriere und „Breaking Point“ nach den englischsprachigen Alben war. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das kann“, erzählte sie. Sie lebt stets im Wechselbad der Gefühle, was sich in der Vielfalt der Songs niederschlägt. Dabei will sie nur das Beste für den Partner in einer Beziehung, was sie sehr gerne besingt – in Stücken wie „Was zu verlieren“, „Was weiß ich schon“ und „Versprich mir du gehst“. All das ist verpackt in mitreißende Songs, poppige Beats oder melancholische Melodien.
Es gab noch einen weiteren unveröffentlichten Song „Anomalie“ und zu „Obsolet“ konnte man Madeline erstmals am Bass erleben. Die Vielfalt ihrer musikalischen Fähigkeiten ist ohnehin bewundernswert, man denke nur an das Wechselspiel zwischen tiefen und extrem hohen Tonlagen in ihrer Stimme.
Zum Zugabenblock ab 22.25 Uhr erschien sie barfuß auf der Bühne, mit höllischen Blasen an den Füßen, da sie zu Konzertbeginn vergessen hatte, ihren Fersen mit Pflaster zu schützen. Da kennt die junge Frau keine Scham und erzählt solche Anekdoten frei von der Leber weg. Erfrischend und authentisch – wie ihre Songs. So gab es im Zugabenblock als erstes (und absolut passend) „99 Probleme“ ganz allein an der Gitarre und das beschwingte „Sommer, Sonne, Depression“ sowie „Nicht ich“ beendeten ein Konzert, das trotz auch schwerer Themen einfach glücklich machte.
Setlist Madeline Juno, Garage Saarbrücken, 12. April 2024
- Sad Girl Shit
- Lovesong
- Vermisse gar nichts
- Grund genug
- Gewissenlos / Schatten ohne Licht
- Drei Worte (nur Refrain)
- Mitte Zwanzig
- Version von mir (akustisch)
- Mediocre (akustisch)
- Nur kurz glücklich / Tu was du willst
- Was zu verlieren
- Murphy’s Law
- Waldbrand
- Was weiß ich schon
- Versprich mir du gehst
- Anomalie
- Lass mich los
- Obsolet
- Nur zu Besuch
Zugaben
- 99 Probleme
- Sommer, Sonne, Depression
- Nicht ich