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27.09.2014 /

“Music From The Beast” – am 27.9. gab es ein Festival rund um die Musik von IRON MAIDEN

Vergangenen Samstag war es endlich so weit. Das beschauliche Städtchen Oberursel, im Dunstkreis von Frankfurt gelegen, wurde von lauter Musik heimgesucht. Hier fand nämlich ein Festival statt, das von seiner Idee her ziemlich einzigartig sein dürfte. „Music From The Beast“ – ein musikalischer Abend rund um die Musik von Iron Maiden, ohne dass aber die Band selbst anwesend war. Stattdessen gaben sich zwei Tribute Acts die Ehre und zwei ehemalige Maiden-Sänger, die zum einen die Anfangstage der Band und zum anderen die kommerziell etwas schwächeren 90er Jahre repräsentieren.

Die Burgwiesenhalle ist nicht gerade gigantisch. Eine normale Schulturnhalle halt, mit guter logistischer Ausstattung und zum Glück hervorragender Akustik. Meine Anreise bescherte mir eine geschlagene Stunde Stau auf Höhe von Mainz, ich traf aber rechtzeitig für ein Interview mit Damian Wilson ein. Dieser mag manchen als Sänger der Progmetal-Band Threshold bekannt sein. Hier war er aber als Frontmann des niederländisch-britischen Projekts Maiden United am Start. Ich sah ihn dann auch gleich freudestrahlend in der Halle wandeln, ebenso wie Thomas Zwijsen, Anne Bakker und Blaze Bayley, was bezeichnend für den ganzen Abend sein sollte. Die Atmosphäre war absolut familiär und die Künstler waren jederzeit präsent.

Damian verabschiedete sich kurz zum Soundcheck und schmetterte gänsehauterzeugende Vocals durch die Halle. Das hält der niemals 90 Minuten lang durch, war mein erster Gedanke. Ich sollte mich täuschen – doch dazu später. Es folgte das chaotischste und zugleich sympathischste Interview meines Lebens (demnächst hier nachzulesen) und kurz darauf war auch schon Einlass. Die Halle füllte sich um 17 Uhr zunächst schleppend, war aber zum Abend hin ganz gut ausgelastet. Ein schöner Erfolg für das private Organisationsteam um Michael Rehwald, das ich hier ausdrücklich mal loben möchte: Ein reibungsloser Ablauf, Leute mit Plan beim Einlass, genügend Personal an den Ess- und Trinkständen, dezente Sicherheitsleute, Ansprechpartner für jeden Belang. So hat man das gerne.

Witzig, dass auch die Polizei durchgängig vor Ort war. Was da alles passieren kann im schönen Oberursel. Paul di’Anno ist schließlich Mitglied bei den Hells Angels. Man weiß ja nie. Aber die Metalgemeinde ist ein überaus friedfertiges Volk. Das wurde mal wieder deutlich. Und abgesehen davon, dass Paul ein „81“-Shirt zur Schau trug, war von der sogenannten Rockerbande oder irgendwelchen vermeintlich dunklen Gestalten nicht viel zu sehen. Stattdessen hatten sich Maiden-Fans aus aller Welt eingefunden. Das Festival ist zu einem großen Familientreffen geworden und manches Hotel in der Stadt wird sich über die Invasion von Gästen mit unheilvoll schwarzen T-Shirts und bunt bebilderten Kutten gewundert haben.

Doch zurück zum beschaulichen Beginn. Da war nämlich als Erstes der belgische Ausnahmegitarrist Thomas Zwijsen am Start. Er ist bekannt dafür, Arrangements von Iron Maiden auf klassischer Gitarre zu interpretieren und hat sich damit zu einem YouTube-Star entwickelt. Auch zwei Alben unter dem Motto „Nylon Maiden“ sind inzwischen erschienen. Das Publikum in Oberursel war gespalten. Manche zogen sich zur ausgedehnten Raucherpause nach draußen zurück und lästerten über die „Zupfmusik“, doch viele nutzten die Chance, um sich auf die Musik von Iron Maiden einzustimmen. Thomas spielte instrumental – die Fans aber sangen viele Passagen lautstark mit. Das entlockte dem Gitarristen oft ein Grinsen und der sympathische Auftritt wurde mit „Thomas, Thomas“-Rufen belohnt.

Für einige Songs kam die Violinistin Anne Bakker mit auf die Bühne. Gerade das Zusammenspiel der beiden fand ich sehr stark und es waren klar die Highlights des ersten Auftritts an diesem Tag. Die Sonne schien noch hell draußen und trotzdem spielte das Publikum perfekt mit. Ein gutes Zeichen für den Rest des Abends, der schließlich über sechs Stunden Zeit mit der Musik von Iron Maiden füllen sollte, ohne dass es Dopplungen gab. Das stellt man sich schwierig vor, doch es ist locker gelungen. Schließlich konnten alle aus einem riesigen Repertoire schöpfen.

Akustisch und unplugged – das haben sich Maiden United auf die Fahne geschrieben. Passt das überhaupt zur „New Wave Of British Heavy Metal“? Zwijsen hatte ja schon mal vorgelegt und gezeigt, wie so etwas aussehen kann. Doch Maiden United legten gleich fünf Schippen drauf. Von „unplugged“ konnte da nun wirklich keine Rede sein. Auf den beiden Studio-CDs, die von der Truppe erschienen sind, klingt der Metal noch etwas verhalten, doch live hat die Band eine lautstarke Attitüde. Damian Wilson ist stimmlich eine Wucht und er interpretierte die Maiden-Songs mit Energie und Leidenschaft. Bei Threshold kann er häufig hinter den Instrumentalisten verschnaufen, doch mit Maiden United gibt es da keine Chance. Wilson stand ständig im Mittelpunkt und kostete das voll aus. Er ließ die Fans eine Wall of Death bilden und spazierte dann munter durch die Menge, er lästerte über den Keyboarder („that has nothing to do with metal music“) und sonnte sich im Applaus der Fans. Ein langer Bart, Haare bis zum Arsch – so haben die Metaller das gern und Maiden United wurden als Band ordentlich abgefeiert. Wir hörten Titel wie „2 Minutes To Midnight“, „Children Of The Damned“ und „Wasted Years“. Mit solchen Klassikern aus der goldenen Maiden-Ära konnte man die Fans erfreuen.

Zusammen mit den meisten Bandmitgliedern war Damian danach weiter im Publikum vertreten, sah sich die Shows an und stand jederzeit für Fotos und Autogramme zur Verfügung. Ein Beispiel für Fannähe, die man nicht nur bei ihm, sondern auch bei Blaze Bayley beobachten konnte.

Blaze war für mich übrigens die Überraschung des Abends. Er hat Iron Maiden in einer Zeit als Frontmann vorgestanden, als es der Band charttechnisch gesehen nicht gut ging. Der Grunge war auf dem Vormarsch und Maiden hatten dem nichts entgegen zu setzen. Rückläufige Plattenverkäufe und Gigs in kleineren Hallen waren die Folge. Trotzdem sind mit ihm am Mikro zwei hervorragende Alben entstanden. Zunächst „The X Factor“, was sicher problematisch war, da es noch ganz auf Dickinsons Stimmlage basierte. Und danach mein Favorit „Virtual XI“, was in meinen Augen ein wirklich hervorragendes Album ist und einen glänzenden Bayley zeigt, der in der hymnischen Musik schwelgen kann. So muss das sein!

Für „Music From The Beast“ hatte sich Blaze (trotz seiner Vielzahl von Solo-Alben) entschieden, einen vollständigen Maiden-Set zu spielen. Das heißt, er widmete sich eben genau den beiden genannten Alben. Und das war ein wahres Fest für die Anwesenden. Am Anfang noch etwas linkisch in seinen Bewegungen taute Blaze nach und nach auf und machte das Konzert zu einem einzigen Happening. Er animierte die Zuschauer, war ständig in Kontakt zum Publikum, badete in der Menge und zeigte sich als durch und durch sympathischer Künstler.

Songs wie „Sign Of The Cross“ und „Lord Of The Flies“ klangen schon gut, doch mit den Tracks aus „Virtual XI“ gab es einen wahren Höhenflug. „When Two Worlds Collide“ war ein Fest, „The Angel And The Gambler“ wurde zum Mitsing-Stück für alle und „The Clansman“ war ein perfekter Mottosong für Blaze‘ Auftritt. Er hielt bewegende Ansprachen ans Publikum, bedankte sich für die Zeit bei Iron Maiden (von Enttäuschung oder gar Animositäten keine Spur) und strotzte vor positiver Ausstrahlung. Er dankte den Veranstaltern für ein fantastisches Festival und erklärte den Fans, wie ihre Treue ihm hilft, ein unabhängiger Künstler zu sein und weitere Soloalben zu produzieren. Das klang so ehrlich und überzeugend, dass man es ihm einfach abnehmen musste. Ja, Blaze ist ein großer Künstler mit einem noch größeren Herzen. Ich habe ihn zum ersten Mal live erlebt und hoffe, dass es nicht das letzte Mal war.

Jetzt (es war schon weit nach 23 Uhr) sollte noch ein weiterer Maiden-Sänger die Bühne entern. Da war und bin ich zwiegespalten. Paul di’Anno hat viel zum Aufstieg der Band beigetragen. Er ist ein Urgestein des Heavy Metal und ohne ihn wären Maiden sicher nicht so erfolgreich, wie sie schließlich geworden sind. Doch beim Festival zeigte er auch Starallüren. Während alle anderen Künstler durch die Halle tigerten, hing an seiner Garderobe ein großes Schild „No entry – fuck off“. Okay. Sein gutes Recht.

Der Auftritt begann schleppend. Paul aufs Mikro gestützt und bei weitem nicht so beweglich, wie die anderen Künstler des Abends. Taktisch war es auch nicht so klug, sich mit den Fans anzulegen, die seiner Ansicht nach lauthals die falschen Songs wünschten. „Ich entscheide, was ich singe“ – dazu Stinkefinger und böse Blicke. Klar hatte er es nicht leicht nach Blaze. Paul sang einen normalen Set mit der gewohnten Mischung aus alten und neuen Songs. Viele Fans hatten sich wohl eher auf „Iron Maiden“ und „Killers“ eingestellt.

Stimmlich war er sehr unterschiedlich drauf. Zeitweise klarer, hoher Gesang, der sehr stark rüber kam. Sogar eingestreute Growls waren zu hören. Dann aber bisweilen auch Passagen, die man beinahe als Krächzen bezeichnen muss. Die Schar der Fans wurde wieder auseinander dividiert. Viele feierten ihren kultigen Star ab, andere verließen kopfschüttelnd die Halle. Ich finde, dass der Gig eines Headliners nicht würdig war. Aber es war schön, die Legende live zu erleben. Seine Musik hat die Idee des Festivals belebt – und es ging auch darum, ein realistisches Bild vom gegenwärtigen Schaffen der ehemaligen Maiden-Sänger zu zeichnen. Das ist definitiv gelungen.

Alles in allem war es ein geniales Festival, das sein Ziel punktgenau erreicht hat. Der Veranstalter hatte einen Traum und hat sich diesen Traum erfüllt. Ob es ein solches Line-up jemals nochmal geben wird? Die Fanclubs waren begeistert und haben das Konzert gut angenommen. Location und Infrastruktur haben hervorragend gepasst. Und die Harmonie unter den Maiden-Jüngern war spürbar gut. So etwas kann es gerne öfters geben.