Normalerweise steht man am 23.12. in Trier vor einer schweren Entscheidung, denn gleich drei musikalische Großereignisse finden zeitgleich in den kulturellen Stätten der ältesten Stadt Deutschlands statt, die alle eine Jahrzehnte alte Tradition entwickelt haben. Der „Meister“ Guildo Horn und seine orthopädischen Strümpfe feiern in der Europahalle ihren Tourabschluss getreu dem Motto „Weihnachten bin ich zuhaus“. Mit dem „Tefftival“ findet in der Tufa das alljährliche alternative Konzert im Gedenken an die Trierer Rock- und Punklegende Helmut Steffgen statt. Und parallel dazu performt Thomas Schwab mit seiner Truppe den Abschluss der deutschlandweit bekannten „Christmas Moments“ Tour.
Alles in allem eine schwierige Entscheidung, denn die Bandbreite von Schlager über Rock und Punk bis hin zu emotionalen Weihnachtssongs ist hier schon gewaltig. Im Jahr 2018 war es allerdings den neuen Brandschutzauflagen der Europahalle zu verdanken, dass man zumindest zwei der drei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. Um die Kapazitäten der Halle zu nutzen und allen interessierten Feierwütigen eine Teilnahme zu ermöglichen, machte der Schlagerbarde nämlich aus der Not eine Tugend und lud gleich zum Doppelkonzert in die Europahalle ein. Neben dem Abendkonzert, das traditionell ausverkauft war, gab es diesmal eine Zusatzvorstellung um 15.30 Uhr – und es braucht keiner zu glauben, dass diese schlecht besucht oder weniger partywütig gewesen sei. Es war ein Fest wie am Abend.
Die Fans des Meisters kamen zum Teil verkleidet und in bester Stimmung. Dank der frühen Uhrzeit waren erstaunlich viele Kinder im Publikum, die den berühmtesten Trierer nach Karl Marx nun auch endlich live und in voller (kurzzeitig halbnackter) Statur erleben durften. Das Programm bestand, wie seit je her von Guildo gewohnt, hauptsächlich aus gängigen Pop- und Rocksongs, die textlich in ein weihnachtliches Gewand gekleidet wurden. „Radar Love“ bildete die Grundlage für „Christkind Alarm“. Das tanzwütige „YMCA“ verwandelte sich in „Es weihnachtet sehr“. Aus dem Buggles-Klassiker „Video Killed The Radio Star“ entstand ein frisches „Freuet euch sehr, das Christkind ist da“.
Guildo stellte für Band und Publikum fest: „Zum ersten mal spielen wir nachmittags, trotzdem sind alle voll auf Betriebstemperatur.“ Das kann man nur bestätigen! Selbst Balladen wie „Für mich soll’s weiße Weihnacht geben“ und „Mein Freund der Tannenbaum“ („The winner takes it all“) wurden rockig abgefeiert. Nach einer Stunde stand Guildo mit nacktem Oberkörper und Engelsflügeln auf der Bühne. Da dürfte manches Kind vom Glauben abgefallen sein, das sich den Weihnachtsengel stets schlank und filigran vorgestellt hatte.
Ein akustischer Set bot einige erzählerische Momente. So wurde zur berühmten „Heidi“-Melodie ein „Guildo bringt euch die Weihnacht“ gesungen. Man erzählte die „Geschichte vom dicken Dieter“, einem bekannten Trierer Maronenverkäufer. Und die „Moritat vom Schneehas“ durfte auch nicht fehlen, die alle Zuschauer zu einem bewegten „Hopp, Hopp“-Chorus verleitete. Österlich ging es dann weiter, denn selbst vor Pink Floyd machte die festliche Karawane nicht halt: „Another Brick In The Wall“ erzeugte eine symbolische Anti-Osterhasen-Demo mit Textzeilen wie „Wir wolln keine Ostereier“. Das Publikum ging in allen Aspekten perfekt mit, bildete Mitklatsch-Kulisse, Weihnachts-Percussion und Tannenbaum-Wald.
Zwei Stunden dauerte die rockige Show mit formidabler Band nebst Bläsercombo. Als einziger weiblicher Strumpf war eine engelsgleiche Saxofonistin mit an Bord, die sich gegen die männliche Power sehr gut durchsetzen konnte. Im letzten Viertel gab es eine ganz unweihnachtliche Schlagerparty: „Immer wieder geht die Sonne auf“ schaffte den perfekten Übergang. Es folgten Klassiker wie „Wunder gibt es immer wieder“ und als Zugabe natürlich „Guildo hat euch lieb“. Mit „Weihnachten bin ich zuhaus“ wurden die Zuschauer in das inzwischen dunkle Trier entlassen und nicht wenige machten sich auf den Weg zu Tufa oder Arena.
Mich selbst führte es traditionell zu „Christmas Moments“, der wundervoll besinnlichen Weihnachtsshow. Diese große Show vor Tausenden Zuschauern in der Arena ist in jedem Jahr ein ganz besonderes Highlight. Vielseitig und voller Überraschungen. Egal ob Thomas Schwab allein am Piano sitzt oder die vortreffliche Band das Ensemble begleitet. Den ganzen Dezember über war man in Deutschland unterwegs. Der Abschluss fand wie immer in Trier statt.
Das Programm bot wie gewohnt eine überaus bunte Mischung. Da gab es deutsche und amerikanische Weihnachtsklassiker, wahlweise traditionell dargeboten oder mit viel Soul und bemerkenswerten Koloraturen, aber auch einige stimmungsvolle Poptitel. Den Anfang machte aber der verzweifelte Weihnachtsengel Stefan Konrad, der von den Widrigkeiten der modernen Zeit erzählte, beispielsweise Kindern, die ihren Wunschzettel nur noch online einreichen.
Musical-Sänger David Moore stimmte „Thank God It’s Christmas“ an und das beherzte „Never Enough“ aus dem Musikfilm „The Greatest Showman“. Gastsängerin Meike Anlauff schmetterte ein bewegtes „Run“. Aloysia Astari sang mit sanfter Stimme „Wenn Engel reisen“. Das neue Ensemblemitglied Amy di Bartolomeo überzeugte zunächst mit „Friend of God“, später dann mit einer gänsehauterzeugenden Version von „Adagio“. Die 17-jährige Emily Valerius zeigte sich als wahre Rockröhre und begeisterte das Publikum vom ersten Ton an. Und der gebürtige Mannheimer Dominik Steegmüller brachte sehr sonore männliche Vocals in die Show ein.
Als Gäste gab es neben genannten Stars außerdem den Christmas Moments Chor, der traditionell nur in Trier aktiv wird und Titel wie „Do They Know It’s Christmas“ und „Rejoyce“ stimmgewaltig unterstützte. Die Band zeigte sich musikalisch in Hochform. Sören Jordan an der Gitarre, Andreas Steffens am Saxofon und Theo van der Poel am Keyboard sind einfach fantastisch – und es gelang ihnen mühelos, das Publikum mit einem 1700 Jahre alten Titel („Komm, du Heiland aller Welt“ nach Ambrosius von Mailand) zu begeistern.
Natürlich darf kein Moments-Konzert ohne Thomas Schwabs Eigenkomposition und bekanntestes Stück „Der Traum von Bethlehem“ enden. Wie immer ein bewegender Abschluss und der Song, der für mich seit vielen Jahren zu jedem Weihnachtsfest gehört. Und ganz zum Abschluss gab es ein vom Ensemble und dem Publikum gemeinsam und a cappella gesungenes „Stille Nacht“. Das Weihnachtsfest in der Region Trier war endgültig eingeläutet – rockig und besinnlich. Für jeden nach seinem Geschmack.