Die Zeit kurz vor Weihnachten ist traditionell die Zeit für etwas ungewöhnliche CD-Besprechungen. Und damit meine ich nicht nur die x-te Xmas Veröffentlichung von Interpret*in Y und Band Z, sondern auch atmosphärische Neuveröffentlichungen wie wir sie unter anderem gerade von Nick Cave und Nicholas Lens aber auch von Sigur Rós erlebt haben. Werke von musikalischer Eleganz, die wie Weihnachtsengel um uns schweben. Dabei setzen die Poor Clares of Arundel noch einen drauf. Als jemand, der (außerhalb von Corona-Restriktionen) selbst in mehreren Chören singt, weiß ich diesen Release sehr zu schätzen. Zwar instrumental umspielt, aber mit reinen Stimmen gibt es hier eine Zusammenstellung kirchlicher Gesangsstücke. Sphärisch und berührend.
Inmitten vom Lärm und Hast des Weltgeschehens feiert ein Kloster in der britischen Marktstadt Arundel (Grafschaft West Sussex) den großen, wenn auch etwas unerwarteten Erfolg des vor Kurzem bei Decca Records erschienenen Debütalbums der Poor Clares of Arundel namens „Light For the World“. Die Klarissen von Arundel, eine Gemeinschaft von 23 Nonnen, schufen einen bewegenden Soundtrack, der zur Achtsamkeit anhält und innere Ruhe stiftet.
Die überwältigenden Reaktionen des Publikums kamen für Schwester Gabriel Davison überraschend: „Wir sind begeistert, dass unsere Musik die Herzen der Menschen berührt hat und auf Platz 1 der Klassik-Charts gelandet ist. Wir hoffen, dass ‚Light for the World‘ Euch Frieden, Freude und einen Moment der Ruhe in diesen schwierigen Zeiten, die von Einsamkeit und Stress geprägt sind, bringen wird.“
Tom Lewis, Co-Geschäftsführer von Decca Records, fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass wir jemals eine solche Reaktion erlebt haben. Wir hörten von Menschen, die unter Tränen ihre Autos anhielten, nachdem sie die Musik und die Botschaft der Klarissen gehört hatten. Es hat uns völlig überrascht und zwar in einem solchen Ausmaß, dass wir mit der Produktion nicht mehr hinterherkamen! Ihre Musik enthält eindeutig einen musikalischen Balsam, den die Menschen ausgerechnet jetzt nötig haben.“
Die Schwestern, denen ein Leben in Isolation nicht fremd ist, sind darüber erfreut, die Musik mit einem größeren Publikum zu teilen, die für sie eine ständige Quelle der Heilung und Reflexion war. Der Gesang nimmt einen vorrangigen Platz in ihrem Alltag ein. Sie leben, arbeiten, lachen und beten nach der Lebensform der heiligen Klara von Assisi, die diese 1253 von ihrem Kloster aus in der ländlichen Umgebung der Grafschaft Sussex nahe der Stadt Arundel entwarf. Das Album enthält wunderschön vertonte Schriften der Heiligen Klara und des Heiligen Franziskus, durch die Komponist*innen James Morgan und Juliette Pochin.
Schwester Gabriel fährt fort: „Die Aufnahme war ein großes Abenteuer und wir waren dermaßen von der Offenheit und dem Respekt beeindruckt, die uns seitens Decca entgegengebracht wurde, dass unsere Ängste und Bedenken, unsere Lieder und unsere Arbeit an die Öffentlichkeit zu bringen, schnell zerstreut wurden. Wir empfinden eine tiefe Freude an unseren Gesängen und hoffen nun, dass unsere Musik viele Menschen erreicht und allen, die zuhören, Frieden, Liebe und ein Wohlgefühl bringt.“
Ich kann mich den Lobeshymnen nur anschließen. Die Stimmen weben einen schönen mehrstimmigen Klangteppich. Zwar nicht in moderner A-cappella-Form sondern vielmehr in sich harmonisch überlagernden Stimmgruppen, die ein polyphon ausgewogenes Bild erzeugen, wie es uns die Gregorianik im Mittelalter vorgemacht hat. Dabei macht man sich die Akustik einer Kapelle zu nutze, um eine sehr ruhige und sanfte Stimmung zu schaffen. Mit der instrumentalen Begleitung war ich schnell versöhnt. Manchmal zwar etwas viel Elektronik (wie in „Ubi Caritas“), dann aber mit fantastischer Klavierbegleitung („Pange Lingua“) oder mit zarten Streichern versehen.
Das Booklet ist schön gestaltet – allein das Cover einer Schwester mit Kopfhörer im Stil eines Kirchenfensters gefällt mir sehr gut – und enthält viele der verwendeten Texte in lateinischer Originalsprache mit englischer Übersetzung.
Mit der Veröffentlichung von „Light For The World“ teilen die Schwestern ihr Ethos der Freundlichkeit, Ruhe und Meditation durch Musik und ermutigen die Zuhörer, zu den Wurzeln der Achtsamkeit zurückzukehren. Das Gruppenfoto im Booklet zeigt, dass viele der Sängerinnerinnen schon gesetzteren Alters sind. In der Musik klingen sie aber alle sehr jung. So wirkt guter Chorgesang! Ein Album zum Runterkommen, wenn der Weihnachtsstress mal wieder überhand nimmt.