Ihr erstes Album hatte Miriam Hanika noch unter dem Künstlernamen Miriam Green veröffentlicht, doch bereits mit Nummer 2 geht sie auf eine so persönliche Ebene, dass auch der reale Namen mit dazu gehört. „Louise“ heißt das Album und ist Miriams Urgroßtante gewidmet, die sie als ihren ganz persönlichen Schutzengel ansieht. „Und gemeinsam hauchen wir ein neues Leben in die Scherben / Und wir holen einen Besen und eine Tube Leim.“ Das sind Schlüsselzeilen, die Mut machen in seltsamen Zeiten.
„Louise“ war eine für ihre Zeit sehr fortschrittliche Frau, durchlebte den zweiten Weltkrieg, legte sich mit Soldaten an, stritt mit Politikern, wurde von einem Pferdewagen überrollt und blieb lange ledig, weil „der Richtige“ sie nicht heiraten durfte. Jedes einzelne einschneidende Ereignis hinterließ blaue Flecken und Narben, aber Louise war zäh und stark. Sie inspirierte eine ganze nachfolgende Generation in ihrer Familie dazu, den Mund aufzumachen und sich zusammen zu tun. Ihre Geschichte wird im Booklet ausgiebig gewürdigt und es gibt ein ausdrucksstarkes Foto.
Miriam Hanika spielt Oboe, Englischhorn und Klavier. Sie kann Kammermusik und Singer/Songwriter-Melodien. Ihrer Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt. Konstantin Wecker hat sie unter seine Fittiche und auf sein Label Sturm & Klang genommen. Auf dem Album gibt es ein berührendes Duett der beiden zum Song „Schwalben“, der sich den Mai-Unruhen in Berlin 1929 widmet und von Konstantin mit bewegendem Sprechgesang erklärt wird.
Im Gesamten herrschen tiefe Melancholie und Zartheit. Acht deutschsprachige Lieder und zwei Instrumentalstücke, abwechslungsreich und kunstvoll arrangiert, nehmen den Zuhörer mit auf eine faszinierend einzigartige Reise. Miriam singt mit eindringlichen und doch sehr sanften Vocals, begleitet von klassischen Instrumente wie Oboe und Streichern, aber auch im folkigen Gitarrenstil. Vor allem, wenn Miriam die Oboe spielt, erkennt man ihre Virtuosität und das emotionale Vorgehen. Die Stücke „Ruhe im Sturm“ und „September“ klingen auch ohne Vocals unheimlich stark. Miriam nimmt sich gerne Zeit für den Songaufbau und setzt beispielsweise „Gemeinsam einsam“ ein langes instrumentales Vorspiel voran.
Wenn man schon bei ihrer ersten Veröffentlichung als Miriam Green vermutet hatte, dass an Miriam Hanika eigentlich eine wahre Poetin verloren gegangen ist, dann bestätigt „Louise““ diese Annahme: Die Musikerin findet wieder einmal tiefe Worte für jede Situation und befördert sich mit Liedern wie „Etiketten“ oder dem Titelsong fraglos an die Spitze deutscher Liedtexterinnen. Ihre verträumte Stimme hat mich von Beginn an gefangen genommen. Man lehnt sich zurück und genießt diese wirklich wundervolle Musik einer beeindruckenden Künstlerin. Danke, Konstantin Wecker, für diese Entdeckung.
Das Video zur Single „Louise“ wurde in der ehemaligen Arzberger Porzellan-Fabrik gedreht. Es gibt wohl kaum einen Ort, der Schönheit, Ästhetik, Langlebigkeit und Zerbrechlichkeit so gut vereinen könnte, wie diese alte Fabrik. Licht durchflutet die Mauern, die sich die Natur langsam zurückholt. Efeu rankt sich zwischen filigranen Porzellantässchen und Maschinenhallen, wo die Tänzerin Anna Martens und Miriam Hanika gemeinsam ein Stück alltägliche Frauengeschichte schreiben.