Am 11. März wird Nina Hagen 65 Jahre alt. Aus diesem Anlass veröffentlicht Amiga/Sony Music am 28. Februar das Album „Was denn…?“ in verschiedenen Formaten als CD im Digipack, als limitierte orangene Vinyl-Version und über alle digitalen Dienstleister. Erstmals erscheinen alle Amiga-Aufnahmen der umtriebigen Künstlerin auf einem Album.
Die Karriere der Punk-Ikone begann bereits in der DDR. Zwar nicht in aller Stille, denn unter Landsleuten konnte sie bereits einige Hits verbuchen, aber in der Abgeschiedenheit eines sich abschottenden sozialistischen Staates und damit außerhalb des Fokus‘ der restlichen (Musik-)Welt. Immerhin galt sie als „staatlich ausgebildete Schlagersängerin“.
Die Ausbürgerung des politisch engagierten Songwriters Wolf Biermann, der quasi zur Familie Hagen um die Schauspielerin Eva-Maria Hagen und deren Tochter Nina zählte, führte dann in der Konsequenz auch zum Wohnort-, Land- und Systemwechsel für Nina Hagen: von Ost-Berlin in den Westteil der Stadt. Dort erschien dann 1978 das vielbeachtete Album „Nina Hagen Band“ ,it dem „TV-Glotzer“, das lange Zeit als ihr Debüt galt.
Die DDR Aufnahmen führten ein relativ unbeachtetes Schattendasein, wenn auch Freunde und Fans die alten Aufnahmen durchaus zu schätzen wussten. Erst jüngst hat die vom Berliner Sender radioeins initiierte Wahl „Die 100 besten Ostsongs“ dies deutlich gezeigt. Unter den Fach-Juroren aus Ost und West setzte sich ihre Schlager-Parodie „Du hast den Farbfilm vergessen“ souverän durch und erreichte Platz 2 der Liste, nur geschlagen vom Über-Hit „Am Fenster“ der Rockband CITY. – eine späte aber tolle Anerkennung.
Die politischen Probleme um Biermann und Ninas rebellische Grundeinstellung sorgten dafür, dass es die damaligen Aufnahmen bestenfalls als Single-Veröffentlichungen gab. Eine komplette LP hat das Staatslabel AMIGA damals weder gewollt noch unterstützt. Das ist heute anders. AMIGA ist unter dem Dach von Sony Music längst von staatlichen Zwängen befreit und zum Jubiläum erscheinen nun erstmals alle AMIGA-Aufnahmen auf einem Album. Darunter natürlich der bekannte „Farbfilm“, vor allem aber auch 13 weitere Lieder, von denen einige zurecht als Sensation angepriesen werden.
„Zieh die Schuhe aus“, zum Beispiel, ein nur unter Kundigen bekannter Song aus dem 1976er DEFA Film „Hostess“. Der ungewöhnlich betitelte Song hatte bereits alles, was Nina Hagen später ausmachen würde. Eingespielt mit der Art-Rock Band Stern-Combo-Meißen ist ein beeindruckendes Prog-Rock Opus entstanden, das hier erstmals richtig gewürdigt wird.
Weitere Highlights sind sicherlich das im Dialekt vorgetragene Lied „Ich bin so alt“. Seinerzeit eine Parodie, heute keinesfalls als Anspielung, sondern als Ehrung zu sehen – und zudem bisher fast gänzlich unmöglich zu finden. Überraschen wird die meisten auch der Titel „Rangehn“. Ein Song den viele im Ohr haben dürfte. Die hier vorliegende Version allerdings bietet die grandiose Chance, die Entstehung eines Hits nachzuvollziehen.
Der freche Titelsong „Was denn…?“, das zappaeske „He, wir fahren auf’s Land“, die Funk-Rock Aufforderung „Komm, komm“ oder die punkige Erkenntnis „Das kommt, weil ich so schön bin“ beinhalten alle Elemente, die wenig später den Nina Hagen Stil definieren sollten. Genreübergreifende, treibende Rocksongs mit stimmlichen Eskapaden, die klar machen, wie sich Nina Hagen den Titel „Godmother of Punk“ erarbeiten konnte. Es ist wirklich erstaunlich, was in der DDR so alles möglich war und diese Zusammenfassung als 70er Compilation ist einfach grandios.