Simon & Jan würden als locker-flockiges Gitarrenduo in der Art der Altmeister Simon & Garfunkel durchgehen. Doch was sie in ihren Liveprogrammen und auf dem neuen Studioalbum „Ach Mensch“ bieten, ist viel mehr als ein Aufguss geländegängiger Themen. Die Texte ihrer Songs sind so bitterböse und zynisch, treffen oft mitten ins Gesicht und haben per se dafür gesorgt, dass Simon Eckhoff und Jan Traphan zu YouTube- und Facebookstars geworden sind. Sie haben in den letzten Jahren nicht nur so ziemlich jeden Preis der Kleinkunstszene (unter anderem den Prix Pantheon 2014) abgeräumt, sondern teilen sich häufig auch mit bekannten Liedermachern wie Hannes Wader, Konstantin Wecker, Reinhard Mey und Götz Widmann eine Bühne.
Ihr zweites Studioalbum bringt die Songs des aktuellen Bühnenprogramms zu uns nach Hause. Musikalisch meist vorgetragen im klassischen Liedermacherstil mit Gesang und Gitarren, doch es gibt auch Ausflüge in Reggae, HipHop und Dixieland. Meine erste Begegnung war der Song „Karnickelkotzen“, der sich mit der wundervollen neuen Videowelt auf YouTube und Facebook beschäftigt. Absolut greifbar, wenn man sich vor Augen führt, welche Schwachheiten dort zu besichtigen sind. Und einfach göttlich, wenn der Song wie ein harmonisches Heile-Welt-Lied beginnt, bis uns die beiden den Text um die Ohren hauen. In die gleiche Kerbe schlägt „Geld“, das sich mit dem Ausverkauf der alten Helden beschäftigt, die jetzt plötzlich Werbung für McDonalds machen.
Solche Titel funktionieren am besten mit reiner Gitarrenbegleitung. Doch im Gegensatz zur Liveshow darf es auch mal etwas mehr sein: „Verwählt“ kommt mit Gastmusikern im Dixieland Stil. In „Herzilein“ schleichen sich leise Bläserklänge, „Meine Mama“ bietet beschwingten Reggae und „Dichter“ verbindet Gitarrenklänge mit schnellem Sprechgesang – ein spannendes Klangerlebnis.
Der seufzende Albumtitel „Ach Mensch“ gibt genau das wieder, was die Songs beinhalten. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeist, mit falschen Entscheidungen und Dingen, die man nicht einfach hinnehmen darf. Witzig und todernst zugleich geht es um die Suche nach Religion und Spiritualität, um philosophische Fragen des Lebens („Titten und Ärsche“) oder die politischen Zoten im „Kabarettwettbewerb“. Damit sind die beiden grundehrlich, wenn sie sich auch nicht nur Freunde machen werden. Das Album ist so erfrischend und ehrlich, dass es rundum Freude macht. Schwierig allerdings, es im Hintergrund zu hören, da man den intelligente und provozierenden Texten zwangsläufig folgen muss. Ein Meisterwerk ist übrigens auch der versteckte Bonustrack „Stimmungsschwankungen“ voller musikalischer Vielfalt. Da muss man einfach mal rein hören!
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