Sicher hatten Pur ihre Höhen und Tiefen. Sie können sich nicht mehr – wie in den 90ern – darauf verlassen, dass jedes Album automatisch die Chartspitze stürmt und die Singles im Radio gespielt werden. Beim letzten Werk 2012 gab es sogar erstmals einen Besetzungswechsel in der ehemaligen Schülerband. Was allerdings geblieben ist, sind die ausverkauften Konzerte. Mal mehr, mal weniger groß. Das regelmäßige Event auf Schalke mit befreundeten Gastsängern scheint jedes Mal ordentlich abzugehen.
Das Jahr 2015 brachte die Band dann auf andere Art in die Schlagzeilen: Hartmut Engler saß gemeinsam mit weiteren deutschsprachigen Künstlern auf der Couch bei Xavier Naidoos „Sing meinen Song“. Zuerst dachte man, der Mann mit der weinerlich-säuselnden Stimme passt nun so gar nicht zwischen Christina Stürmer und Daniel Wirtz, doch dann wurden wir eines Besseren belehrt. Die balladesk rockige Wirtz-Version von „Wenn sie diesen Tango hört“ rührte nicht nur Hartmut Engler zu Tränen. Dieser revanchierte sich mit einer sehr engagierten Interpretation von „Overkill“ und verwandelte außerdem „Millionen Lichter“ von Christina Stürmer in einen astreinen Pur-Song.
Da scheint ohnehin Englers Stärke zu liegen: Sobald er ein Lied in den Mund nimmt, hört es sich an, als stamme es aus seiner Feder. Die Seufzer, Stöhner und Koloraturen sind so markant, dass er sich jeden Song zu Eigen machen kann. Trotzdem wurde es Zeit für ein neues Album. Den Titelsong „Achtung“ konnte man schon in besagter Fernsehsendung hören und er scheint alles zu haben, was einen guten Pur-Song ausmacht. Ein poppiges Grundgerüst, eingängigen Refrain, ausdrucksstarke Textzeilen, eine Botschaft. „Achtung und Respekt“ sind die Werte, die man sich für unsere Gesellschaft zurück wünscht. Kann man so unterschreiben.
Beim Opener „Wer hält die Welt“ wirkt übrigens Xavier im Duett mit. Die Freundschaft scheint also Bestand zu haben. Neben dem darin durchaus vorhandenen Pathos enthält das Album aber viele nachdenkliche und ruhige Lieder. „Heimwehland“, „Vermiss dich“, „Gemeinsam“ – solche Balladen beherrscht Hartmut Engler perfekt. „Lichter aus“ ist zeitkritisch genug, ohne überdreht zu wirken. Und natürlich muss es einen Song geben, der einer Frau gewidmet ist: „Anni“. Doch überraschenderweise geht es um Englers Mutter und die Story knüpft deutlich an „Wenn sie diesen Tango hört“ an.
Ein Fazit ist schnell gezogen: „Achtung“ ist ein solides Album und könnte aus den 90ern stammen. Alle Zutaten aus der guten alten Zeit sind vorhanden. Das melancholische „Manchmal wenn ich traurig bin… “ bietet einen herzzerreißenden Abschluss. Experimentell beschränkt man sich auf ein Mindestmaß. Manche Ausgaben bieten als Bonusmaterial einen Teil der „Sing meinen Song“ Stücke. Dann gibt es noch „Achtung“ mit einem Kinderchor. Alles in allem ist das Album weniger rockig als die Vorgänger, dafür aber sehr kreativ.
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