Gestern war es soweit: Bob Dylan wurde der Nobelpreis für Literatur verliehen – in Abwesenheit. Das war vorauszusehen, nachdem die Medien in letzter Zeit viel Bohai um Recht und Unrecht der Vergabe an einen Musiker, die Annahme des Preises, Kontaktaufnahme mit dem Komitee und Dylans Erscheinen zur Verleihung gemacht hatten. Selten wurde wohl so kontrovers um den Literaturnobelpreis diskutiert. Die Ehre eines solchen Diskurses ist sonst eher dem Friedensnobelpreis vorbehalten.
Die gute Lösung sah so aus, dass Dylan seine Kollegin Patti Smith zur Feier nach Stockholm geschickt hatte, da er selbst unabkömmlich war. Sie trug dann mit „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ eines der wohl emotionalsten Stücke des 75-Jährigen vor und war sichtlich nervös dabei. Die US-Botschafterin in Stockholm, Azita Raji, durfte stellvertretend Dylans Rede verlesen: „Es tut mir leid, dass ich nicht persönlich bei euch sein kann, aber bitte wisst, dass ich auf jeden Fall im Geiste bei euch bin und mich geehrt fühle, so einen prestigeträchtigen Preis zu bekommen“, ließ er verkünden. „Wenn mir jemals jemand gesagt hätte, dass ich auch nur die geringste Chance hätte, den Nobelpreis zu gewinnen, hätte ich gedacht, dass die Wahrscheinlichkeit etwa so groß wäre wie die, auf dem Mond zu stehen“. Dem muss man zustimmen. Selbst gut informierte Fachleute waren überrascht von der Auswahl des 75jährigen Preisträgers, und gleichzeitig feierte die Musikwelt ihn, weil endlich die lyrischen und gesellschaftskritischen Momente der Rockmusik von entscheidender Stelle gewürdigt wurden.
Weg von der Politik, zurück zur Musik: Schön ist es allemal, dass die Nobelpreisverleihung mit einigen Neuveröffentlichungen des großen Folk-Barden einher geht. Dieser Tage gibt es gleich zwei ansprechende CD-Releases.
Zum einen erschien am 2. Dezember mit „The Real Royal Albert Hall 1966 Concert!“ eine Doppel-CD / Doppel-Vinyl mit dem bislang unveröffentlichten Konzert vom 26.Mai 1966 aus der epochalen Bob Dylan- Welttournee. Damit schließt sich eine der größten Lücken in seiner Live-Diskografie. Die Tour im Jahr 1966 veränderte die Rockmusik und den Musiker Bob Dylan nachhaltig. CD 1 endet mit „Mr. Tambourine Man“, CD 2 mit „Like A Rolling Stone“. Ganz großes Livekino!
Zum anderen präsentiert Sony Music das offizielle Album zum Literaturnobelpreis „The Very Best Of Bob Dylan“. Diese Compilation erscheint in zwei Konfigurationen als CD mit 18 Tracks sowie als Doppel-CD mit 35 Titeln. Als Werkschau bietet sie die größten Hits und wichtigsten Songs aus über 50 Jahren dieser einmaligen Musikerkarriere, von „Blowin‘ In The Wind“ bis „Knockin‘ On Heaven’s Door“, von „The Mighty Quinn“ bis „Lay Lady Lay“.
Gerade jüngere Musikliebhaber werden staunen, was da alles aus Dylans Feder stammt. Die Songauswahl legt den Schwerpunkt auf die frühen Meisterstücke, wobei aber auch das Spätwerk gewürdigt wird, so zum Beispiel mit dem von Adele gecoverten „Make You Feel My Love“ oder dem launigen „Thunder On The Mountain“. Eine mehr als würdige Bestandsaufnahme eines ganz großen Künstlers.