Man mag sich gar nicht mehr vorstellen, dass Madeline Juno zu Beginn ihrer Karriere englischsprachigen Pop gesungen hat. Schon damals klang sie extrem introvertiert und ganz in sich versunken, doch erst mit der „Waldbrand“ EP (2016) wurde erkennbar, welches Potential wirklich in den Songs steckt. In der Muttersprache kann sie die philosophischen Gedankengänge und ihre Gefühlswelt viel besser ausdrücken. So ist „Was bleibt“ schon das zweite rein deutschsprachige Album – und Madeline tut gut daran, diesen Weg fortzusetzen.
Was wir hören, sind weiterhin tiefgründige Popballaden mit großen Emotionen und einer bisweilen vernuschelten Gesangsstimme, die Madeline zu einer Art weiblichem Philipp Poisel macht. So gelingt es ihr, die deutschen Texte ohne Plattheiten an den Hörer zu bringen. Ein Kunststück.
„Grund genug“ handelt vom Loslassen und zu sich selbst finden. Damit ist nicht etwa eine Beziehung gemeint, sondern eine schmerzliche berufliche Trennung („verschwende jemand andern“). So kehrt Madeline viel von ihrem Innersten nach außen. Ebenso in „Borderline“, das aufrüttelnd persönlich von den zwei Seiten ihres Wesens berichtet. Die Melodien sind eingängig und aufrüttelnd. Das Rhythmus-Konzept ist trotz aller Melancholie meist energisch nach vorne gerichtet.
„Gib doch nach“ erzählt in dramatischen Worten von Verlustängsten und der depressiven Persönlichkeit. Man kann sich einfühlen in ihre Gedanken. Was hier noch offensichtlich ist, wird in „Automatisch“ zum Trugschluss. Das Stück klingt nach tanzbarem Lovesong, doch in Wahrheit beschreibt es, was die Depression aus der Sängerin macht.
Neben diesen Selbstoffenbarungen gibt es mit „Vor dir“ auch ein echtes Liebeslied („wir leuchten zu zweit heller als alleine“). „New York“ zeichnet eine fröhliche Zukunftsvision und „Wenn es dich gibt“ setzt sich in ehrlichen Worten mit dem Thema Religion auseinander.
Es imponiert mir sehr, wie offen Madeline Juno mit ihrer Depression umgeht und wie sie aus der Erkrankung ein wundervolles Album wachsen lässt. Alle Songs stammen ganz oder teilweise aus ihrer Feder und sie zeigt sich als hervorragende Songwriterin, die hier ein thematisch sehr reifes Album aus einem Guss vorlegt – mit einer frappierenden Ehrlichkeit, die den aufmerksamen Hörer staunend zurücklässt.