Eines der ersten Alben des Jahres 2023 kann auch eines der schönsten werden: Gabrielle Aplin ist zurück! Die 30jährige Singer/Songwriterin aus Bath in Großbritannien begann ihre Karriere mit Coverversionen auf YouTube, wobei sie gekonnt Songs von Paramore und You Me At Six neu interpretierte. Nach einigen EPs und Livemitschnitten erreichte bereits ihr erstes Album „English Rain“ Platz 2 in den UK-Charts.
Fast zehn Jahre ist das nun schon her. Ihre Folkpop-Songs gingen ins Ohr, waren wunderbar akustisch arrangiert und erzählten spannende Geschichten. “Light Up The Dark” (2015) war rockiger ausgerichtet und überraschte mit dichten und äußerst schwermütigen Songs (HIER unsre Review). „Dear Happy“ (2020) kam dann als optimistisches Popalbum, das von Gabrielles Leben erzählte, von Erlebnissen und Kulturen, die sie auf ihren Tourneen und Reisen während der letzten Jahre inspiriert hatten.
Wieder sind drei Jahre vergangen und wieder spiegelt sich im neuen Album „Phosphorescent“ das Seelenleben der Künstlerin wieder. Der Begriff eines „Lockdown-Albums“ ist in den letzten Jahren überstrapaziert worden, doch auch Aplin sagt, dass Einsamkeit und Entfremdung ihr zu schaffen gemacht haben. Erst nachdem sie mit ihrem Lebensgefährten aufs Land (ins englische Somerset) gezogen ist, ging es ihr wieder besser und die Natur gab ihr neue Lebensfreude.
Erkennbar ist dies schon beim Opener „Skylight“, auf dem die örtliche Tierwelt und Naturgeräusche den Einstieg ins Album leisten. Oft leistete ihr nur ihr Hund beim Schreiben und Komponieren Gesellschaft. So kehrte ihre Kreativität zu der Reinheit zurück, die sie zu Beginn ihrer Karriere geprägt hatte. Es gab keine äußeren Einflüsse aus der Musikbranche und sie machte keine Pläne, über welche Themen sie schreiben würde. Sie konnte neu anfangen und ein Album schaffen, das dem Erstling und seinem wundervollen Folkpop wieder sehr ähnlich ist.
„Ich habe wieder aus Spaß geschrieben“, so Aplin. „Ich habe nur mich selbst ausgedrückt, ohne mich an Anweisungen zu orientieren. Niemand hat mir gesagt, was ich zu tun hatte. Eigentlich brauchte ich gar nichts zu tun. Am Anfang hatte ich kein Ziel, aber als die Songs entstanden, fiel mir auf, dass sie von Dingen handelten, die ich bis dahin nie wirklich verarbeitet hatte.“
Ganz abgesehen von aller inhaltlichen Bedeutung tut Gabrielles Musik aber einfach gut. Neben einer außergewöhnlich warmen, angenehmen Stimme verfügt Gabrielle über beachtliches Songwritertalent. Ihre neuen Songs gehen ins Ohr, sind wunderbar akustisch arrangiert und erzählen spannende Geschichten. Dabei sind ihre Themen nicht unbedingt neu, wohl aber die Blickwinkel. „Call Me“ handelt von dem Wunsch, sich wieder mit Menschen treffen zu können und Versäumtes nachzuholen. „I Wish I Didn’t Press Send“ erzählt von Situationen, die man gern rückgängig machen würde, und „Good Enough“ zeigt mit viel Positivismus die besten Seiten des Menschen.
Hauptsächlich geht die beruhigende Wirkung von Gabrielles Gesang aus, wobei dieser erstaunlicherweise gleichzeitig sehr ausdrucksstark und emotional ist. Musikalisch führt Aplin uns in verschiedene Richtungen. Mal ganz akustisch zur Gitarre, dann mit schönen Pianoballaden, in sehr hymnischen und ausarrangierten Songs – aber immer sehr organisch, woran sicher Produzent Mike Spencer seinen Anteil hat, der auch weiland „English Rain“ produzierte.
„Es fühlte sich an, als würde ich zum ersten Mal ein Album machen“, sagt sie abschließend. „Der Entstehungsprozess fühlte sich total natürlich an. Es war großartig für mich, weil ich dadurch wirklich erfahren habe, wer ich jetzt bin, wo sich doch so viel verändert hat. Ich möchte einfach, dass die Leute auf irgendeine Art und Weise eine Verbindung dazu herstellen können und ich hoffe, dass sie es als genauso bereichernd empfinden wie ich die gesamte Arbeit.“
„Phosphorescent“ ist eine Rückkehr zu den Wurzeln, ohne sich selbst zu kopieren. Nach dem wundervollen Debüt ihr stärkstes Album!