Schon mit „Lost Indieboy“ geht es kräftig los und Antje Schomaker hat mich direkt auf ihrer Seite. Der rockige und zugleich tanzbare Song handelt vom ewig Junggebliebenen, der sich für Peter Pan hält. Vermutlich kennt jeder solche Typen und kann mit der Songwriterin mitfühlen.
Im Titelsong „SNACKS“ wird es dann sehr lasziv und die Sängerin aus NRW widmet sich in einem grandiosen Vergleich der ganzen Männerwelt. Eigentlich ist es ja eine männliche Domäne, den Aufreißer zu spielen, doch von solchen Klischees hat Antje sich noch nie beirren lassen. Die Snacks sollen mit ins Bett – yummy yummy.
Für das zweite Album hat sie sich fünf Jahre Zeit gelassen, doch sie war nie weg vom Fenster – hat fortwährend live gespielt und als Gastmusikerin bei Revolverheld, Maeckes sowie Klaan mitgewirkt. Aber nun wurde es Zeit für ein neues Album, das es in sich hat. Mit rockigen Gitarrenhymnen und frechen Rhythmen.
„Nie nach Paris“ ist eingängig ohne sich anzubiedern. Mit „Wenn ich mal Kinder hab“ schafft sie es, die weniger lauten und manchmal unbequemen Emotionen rund um die erwachsene Elternbeziehung zu einer berührenden und melancholischen Ballade zu verarbeiten.
In „Die Zeit heilt ’n Scheiß für mich“ geht es um Stalking und eine toxische Beziehung, in „Irgendwohin“ um eine spontane Fahrt ans Meer. Antje Schomaker versteht es, ihre Gefühlswelt perfekt auszudrücken und zu vermitteln. Und manchmal darf es auch richtig laut werden: Das Peter-Fox-Cover „Alles neu“ verwandelt sicher jeden Club in einen wahren Hexenkessel.
Übersprudelnd vor Freude haut Antje Schomaker einen Deutschrock-Hit nach dem anderen raus und füttert das Publikum mit Lebensweisheiten aus ihrem Alltag – tiefsinnig und ehrlich. Sie wird einfach von Album zu Album stärker!
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Während man ROCK AM RING immer wieder vorwirft, fast nur männliche Künstler auf der Bühne zu präsentieren, hat das REEPERBAHN FESTIVAL erneut eindrucksvoll bewiesen, dass es auch anders geht. Am Donnerstag durfte ich mit Senta, Wilhelmine, Antje Schomaker, Mathea und Lina eine grandiose Auswahl junger, deutschsprachiger Sängerinnen bewundern. Dazu war unter anderem die FLINTA*-Bühne im Club Indra geschaffen worden, wo das Musikhaus Thomann unter dem Motto „Here To Get Heard“ der Diversität einen Platz gab.
Startpunkt für mich war aber der Spielbudenplatz, wo die belgische Band Kids With Buns im Reeperbus auftrat. Das Duo Amber und Marie bezeichnet seine Musik als Bedroom Pop – und das trifft es wohl ziemlich genau. Es waren sehr melancholische Klänge, die da über den Platz hallten. Mit akustischen Gitarren wurde ein zweistimmiger Gesang begleitet, wobei eine der jungen Frauen stimmlich sehr kraftvoll unterwegs war, während man die leisen Töne der anderen kaum hören konnte. Dieser verträumte Indiepop mag in einem Club funktionieren, aber open air war die Geräuschkulisse des Publikums leider zu laut.
Der Club Indra ist ein geschichtsträchtiger Ort und es sind quasi „heilige Hallen“, die man betritt. Die Beatles traten dort erstmals am 17. August 1960 auf und spielten insgesamt 48 Nächte lang in der Location. Heute startete hier das Stelldichein starker weiblicher Stimmen mit der Berliner Sängerin Soukou. Gestartet ist die Künstlerin in ihrer Heimatstadt Bochum mit Gospel und Hip Hop, um dann ab 2007 mit zarten 19 Jahren die Clubs von Berlin als Ena Wild mit Techno und Elektrobeats zu erobern. Inzwischen hat sie wieder den Weg zum Soul zurück gefunden und überzeugte hier mit emotional kraftvollem Gesang, der von einem dominanten Schlagzeug begleitet wurde. Mit sympathischen Ansagen machte sie sich neue Freund*innen im Publikum.
Weiter ging es mit Senta, die manchen vielleicht noch unter dem Künstlernamen Oonagh bekannt sein könnte. Damals machte sie eher esoterische, fantasy-orientierte Musik, doch inzwischen hat sie die Metamorphose zum wohligen Pop geschafft. In der Setlist herrschte viel Melancholie und Nachdenklichkeit vor, doch es gab auch mitreißende, tanzbare Tracks. Stimmlich äußerst vielseitig sang sie von Müttern und Töchtern, interpretierte eine eingängige Hymne übers Frausein und erzeugte durchaus Mitsing-Stimmung im Indra. Der neue Titel „Hallo Angst“ wird im Oktober erscheinen. Interessante Idee, wie die Personifizierung der Angst zu ihrer Überwindung beitragen kann. Jedenfalls legte Senta hier einen beeindruckenden Auftritt hin, mit dem sie zeigte, dass sie sich als Künstlerin längst vom Oonagh-Projekt frei geschwommen hat.
Auf Wilhelmine hatte ich mich ganz besonders gefreut. Seit ich sie 2022 beim RBF im Club „Uebel und gefährlich“ gesehen habe, bin ich überzeugter Fan ihrer Musik – und natürlich enttäuschte sie nicht. Schon mit elf Jahren schrieb sie erste Songs. Sie trat als Straßenmusikerin in einer Coverband auf und machte recht früh in eigenen Liedern ihr Coming Out zum Thema. Die Performance im Indra war als „Secret Gig“ sehr kurzfristig angekündigt. Sie trat in kleiner Bandbesetzung ohne Schlagzeug auf. Wilhelmine gelang es, ihre Stücke wie eine aufmunternde Umarmung klingen zu lassen. Sie war authentisch und sang mit sanfter, klarer Stimme von den „Kleinen Dingen“ im Leben, vom „Schwarzen Renault“ der sie verfolgt und von Selbstliebe. Viele Songs wurden am Piano begleitet, was ihnen hohe Intensität verlieh. „Feuervogel“ mischte sie lyrisch mit „Du trägst keine Liebe in dir“ von Echt. Sehr gelungen! „Mein Bestes“ wurde der Frau gewidmet, die Wilhelmine groß gezogen hat ohne ihre leibliche Mutter zu sein, die neue Single „Paula“ für eine Freundin aus Kindheitstagen wurde zelebriert und ja, auch ihre Homosexualität war in manchen Songs Thema. „Nie wieder wegrennen“ ist eine selbstbewusste Standortbestimmung und der Coming-Out-Song „Meine Liebe“ wurde gemeinsam mit Sängerin AYMZ interpretiert, was auch für Wilhelmine ein besonderer Moment war. Im Rausgehen konnte ich zwei junge Frauen um die 20 hinter mir hören – eine mit Tränen in den Augen. „Was war das denn? Wie toll! Wie gut, dass wir geblieben sind.“ Absolut richtig.
Nebenan in der Großen Freiheit 36 war es dann Zeit für Antje Schomaker, eine alte Bekannte beim RBF. Nach dem hitzigen Indra war die Große Freiheit angenehm klimatisiert. Gut so, denn Antje brachte genügend heiße Atmosphäre mit. Sehr cool im Rüschenrock hatte sie eine formidable Rockband dabei und präsentierte viele Songs, die vom neuen Album (VÖ: 6.10.) stammen. In „Die Zeit heilt ’n Scheiß für mich“ ging es um Stalking und eine toxische Beziehung, in „Irgendwohin“ um eine spontane Fahrt ans Meer. Antje Schomaker verstand es, ihre Gefühlswelt perfekt auszudrücken und zu vermitteln. Zunächst war die Menge entspannt am Schwofen, doch mit dem Peter-Fox-Cover „Alles neu“ verwandelte sie den Club in einen wahren Hexenkessel.
Dann schnell zurück ins Indra, den hier war Sängerin und Rapperin Mathea aus Salzburg angesagt, die kurzfristig für Luna eingesprungen war. Das stand erst sein drei Tagen fest, was man der Performance absolut nicht anmerkte. Ein denkwürdiges Bühnenbild mit großem M auf der Bühne, das wie eine Maske wirkte. Und dann diese energische Performance. Mathea reappte und schrie ihre Zeilen, sang in tiefem Österreichisch für ein „Oaschloch“, konnte aber auch ganz ruhig werden, wenn es in einer Ballade um die Verliebtheit in den besten Kumpel ging. Das Triple Wilhelmine, Antje Schomaker und Mathea war in dieser Form einfach gigantisch. Das kann man nur auf dem „W-Festival“ erleben – oder aber beim RBF.
Und damit war ja noch nicht genug der starken Stimmen. Im Chikago Club durfte zu sehr später Stunde noch Lina von sich überzeugen. Sicherlich keine leichte Aufgabe, hat sie doch eigentlich ein recht junges Zielpublikum. Tatsächlich waren die ersten beiden Reihen auch von Teenagern eingenommen, die auf Linas Auftritt hin fieberten und das definitiv jüngste Publikum des Festivals bildeten. Lina hat im März ein sehr erwachsenes Album voller Urban-Pop-Elemente vorgelegt, das sie selbst als ihr musikalisches Tagebuch bezeichnet. Mit Mitte 20 tut sie ihr Bestes, um sich eine neue Zielgruppe zu erschließen und die mitgewachsenen Fans nicht zu verlieren. Dazu lieferte sie Songs wie „Lost Kids“, die mit viel Charisma durch eine autobiografisch angehauchte Geschichte führten. Neben den neuen Stücken gab es auch Klassiker wie „Ego“ und mit dem rockig-aggressiven „Lina was ist los mit dir“ und dem melancholischen „Wasser“ zwei sehr persönliche Songs zum Abschluss. Nach so viel geballter weiblicher Energie an einem Tag durfte man getrost den Weg ins Hotel antreten.
Pünktlich zum Sommeranfang veröffentlichte Antje Schomaker am 23.06. ihre neue Single „Nie nach Paris“. Der Song zum einfach mal unbeschwert verliebt sein. In eine Person oder in den Sommer.
Fotocredit: Pablo Heimplatz
Gedankenspiel: Es ist Juni, du sitzt bei 23 Grad auf deinem Roller, fährst durch die Stadt. Die Vögel zwitschern, du bist auf dem Weg zu dieser einen Person und hast heimlich unterm Helm Kopfhörer in den Ohren und hörst „Nie nach Paris“ die neue Single von Antje Schomaker. Verliebt sein, wie schön ist es?!
Das neue Album erscheint im Oktober!
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Popsongs über Eltern gibt es mehr als man denkt . Aber Antje Schomaker hat es mit “Wenn ich mal Kinder hab” geschafft, die weniger lauten und manchmal unbequemen Emotionen rund um die erwachsene Elternbeziehung zu einer berührenden und melancholischen Ballade zu verarbeiten. Denn sobald es um die tatsächliche Beziehung zu den eigenen Eltern geht, kommt bei Erwachsenen oft eine ganze Palette an gleichzeitigen Gefühlen auf, die komplexer sind als Madonnas “Papa Don’t Preach” oder “Mama” der Spice Girls. Dankbarkeit, tiefe Verbundenheit und Liebe, Scham, Demut und Wut, und irgendwann, später, auch die Angst vor dem Abschied. Es bleibt dabei offen, ob sich der Song an Mütter oder Väter richtet – ist ja eigentlich auch egal.
Fotocredit: Pablo Heimplatz
“Vielleicht hab ich dir Zeit geklaut/ Kann sie dir nicht zurückgeben/ Und hab jetzt erst verstanden, dass es zu Ende gehen kann”. Eine schmerzhafte Erkenntnis, die die einen früher, die anderen später in ihrem Leben wie ein Gummihammer trifft. All die Jahre, die man beschäftigt war mit sich selber, erst gebeutelt von Pubertätshormonen, dann von den Herausforderungen des eigenen Lebens – die Zeit ist dahingesickert, Anrufe wurden weggedrückt, Nachrichten nicht beantwortet, zu Feiertagen gar nicht oder nur mit Minuslaune angetreten. Eine tiefe Reue macht sich breit, der vorzubeugen überhaupt nicht möglich gewesen wäre, aber da ist sie trotzdem. Dass Antje Schomaker genau dieses Thema für einen Song aufgreift, spricht für ihre sensible Beobachtungsgabe und ihr Talent als präzise Songwriterin.
Der minimalistisch arrangierte, pianogetragene Track lässt Antjes Stimme einmal mehr an Orte gelangen, von denen man gar nicht wusste, dass man da auch Gefühle hat. Ambivalente zwar, aber vor allem auch sehr schöne: “Wenn ich mal Kinder hab, will ich genauso sein wie du”. Von Kindern hört man diesen Satz sehr oft. “Wenn ich groß bin, will ich werden wie meine Mama” oder “wie mein Papa”. Das Kompliment wird aber umso größer, wenn es von erwachsenen Kindern kommt, die trotz aller Widrigkeiten, biographischer Turbulenzen und Unterschiede ihre Eltern immer noch (oder wieder) zum Vorbild haben.
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Etwa 300 Konzerte an ca. 35 Locations – das ist ein Wagnis, das zu Zeiten dieser schon so lange andauernden Pandemie kaum einer anzugehen wagt. Abgesehen von den Machern des Reeperbahn Festivals in Hamburg. Schon im Jahr 2020 waren sie die letzte Bastion im weitgehend konzert- und ansonsten absolut festivalfreien Deutschland. Doch natürlich musste man Abstriche machen (und muss es noch). Wo sich normalerweise um die 50.000 Fans in St. Pauli tummeln, waren es im vergangenen Jahr gerade mal 8.000 – in Clubs und überdachten Freiluftarenen, überall mit Sitzplätzen. HIER unser Bericht vom vergangenen Jahr.
2021 sieht es schon anders aus. Von „heile Welt“ will ich aber nicht reden. 20.000 Besucher sind zugelassen. Die Veranstalter hätten sich für die in Hamburg mögliche 2G-Regelung entscheiden und alle Spielstätten wie in alten Zeiten füllen können, doch die Entscheidung des Senats ist mitten in die zu Ende gehenden Planungen reingegrätscht. Da hatte man sich schon längst für das 3G-Konzept entschieden und wollte den Karteninhabern entsprechende Planungssicherheit geben. Heißt im Klartext: Schon bevor man das Festivalbändchen in Empfang nehmen kann, führt der erste Weg zum Covid-Check: Wer geimpft, genesen oder frisch getestet ist, bekommt ein entsprechendes Bändchen als Nachweis. Das war für die folgenden Konzertbesuche die beste Lösung, bedeutete aber auch ein erstes Warten in einer schier endlosen Schlange.
An die Warteschlangen allüberall sollte man sich gewöhnen müssen. Und ich kann nur die Geduld aller Beteiligten loben: Security, Einlasspersonal und vor allem wartende Menschen. Es gab kaum Unmutsäußerungen, auch wenn Besucher berichteten, an drei Clubs angestanden zu haben um letztlich kein Konzert zu sehen. Das wurde vor allem in beliebten Clubs wie dem Gruenspan oder dem Mojo zu harter Realität. Auch wer es rein geschafft hatte, durfte nicht machen, was er wollte. Wo es keine Sitzplätze gab, waren Stehplatz-Punkte auf den Boden geklebt. In stetiger Fleißarbeit bekam jeder vom Personal einen Platz zugewiesen. Maskenpflicht blieb natürlich bestehen – es ist schon Wahnsinn, woran wir uns in den vergangenen 18 Monaten alles gewöhnt haben.
Lässige Konzerterlebnisse gab es vor allem auf den Open-Air-Bühnen am Spielbudenplatz und am Heiligengeistfeld, wo das Festival Village aufgebaut war. Angesagte Künstler wie Jeremias, Antje Schomaker und Jupiter Jones auf der ARTE Concert Stage – das waren echte Highlights wie zu alten Zeiten. Es wurde gejubelt und gefeiert, allerdings „ohne Tanzen und ausschweifende Bewegungen“, wie die Festivalstimme vom Band am Anfang jedes Gigs vermeldete.
In den kleinen Locations wie dem UWE konnte man neue Acts entdecken und lieb gewinnen. Im Umfeld der Fritz Bühne wurde es immer wieder gemütlich und heimelig, da man von überall einen guten Blick auf die hohe zweistöckige Bühne hatte und zu guter und lebhafter Musik chillen konnte. Und dann waren da natürlich die wirklich ungewöhnlichen Konzertstätten: Das Imperial Theater, wo die Bands in der Kulisse eines Edgar-Wallace-Stücks auftraten, die St. Michaelis-Kirche mit ihrem wundervollen Ambiente und natürlich die Elbphilharmonie, die endlich wieder mit im Programm vertreten war.
Man konnte sich bestimmte Konzerte als Priorität setzen, pünktlich am Einlass stehen und mit etwas Glück einen Platz bekommen, oder aber man ließ sich treiben und stromerte dahin, wo gerade nicht so viel los war, wo spannende Musik zu hören war, wo das Publikum gerade lauthals jubelte. Hamburg wurde mit musikalischem Leben erfüllt – und es war fast wie früher.
Konzerthighlights
Herausheben möchte ich für den ersten Tag die spielfreudige Kölner Indie-Pop-Band Fortuna Ehrenfeld. Im GRUENSPAN heizten Martin Bechler, Jenny Thiele und Jannis Knüpfer dem Publikum ordentlich ein und sorgten für ausgelassene Stimmung. Was für ein Start ins Festival! Sehr soulig wurde es dann mit Joy Denalane im STAGE Operettenhaus. Bei einem umjubelten Auftritt präsentierte sie vor allem ihre aktuellen Songs im Motown-Sound und wurde dabei von einer kraftvollen Band mit zwei Background-Sängerinnen unterstützt. Ein grandioses Konzert voller stimmlicher Eleganz.
Am Donnerstag konnte ich Annie Chops bei einem Solo-Showcase ihrer Plattenfirma bewundern. Eigentlich gehörte sie gar nicht zum Festival-LineUp, doch da sie als Gitarristin von Antje Schomaker mit am Start war, nutzte sie die Gelegenheit für einen Auftritt vor dem Maa‘ Deyo und zeigte, wie sie ganz allein mit ihrem R’n’B, Hip Hop und Pop bestehen kann. Hilfreich war dabei eine Loop Station, garniert von einer unverschämt souligen Stimme, deren rauer Charme direkt unter die Haut ging.
Danach ging es zu OSKA in den Nochtspeicher. Sie war nominiert für den ANCHOR Award als Nachwuchstalent und trat hier vor der Jury auf (die mit Namen wie Emeli Sandé, Tom Odell und Yvonne Catterfeld aufwartete. Etwas nervös am Anfang führte sie das Publikum durch ein melancholisches Set voller ruhiger Songs. Mit traumhafter Stimme und verklärt-verspielten Ansagen. Tags darauf hat sie uns vom Auftritt berichtet – das Interview könnt ihr HIER nachlesen. Wenig später gab es JEREMIAS auf der ARTE Concert Stage. Die Indie-Pop-Band aus Hannover brachte das Publikum trotz aller Auflagen zum Tanzen und verwandelte das Heiligengeistfeld in einen atmosphärischen, bisweilen mystischen Ort. Pures Konzertfeeling wie in alten Zeiten!
Freitags gab es neben einigen kleineren Konzerten den gefeierten Auftritt von JUPITER JONES auf der ARTE Concert Stage. Ein erzählfreudiger Nicholas Müller mit teils launischen Ansagen, die perfekt zu seiner schnoddrigen Art passten – inklusive Mittelfinger für Hetzer und Populisten. So kennt man den Eifeler Sänger – schön, dass er wieder zurück ist. Und als dann sein Hit „Still“ erklang (wie immer der verstorbenen Mutter gewidmet), hatte die Gänsehaut alle ergriffen.
Auf der Spielbude XL wurde Tim Freitag zum Überraschungshit! Der Indie-Rocker aus Zürich kämpfte sich durch alle Tonlagen, sprang vom Boxenturm und stand am Ende selig und halbnackt im Schein der beeindruckenden Lightshow. Mit seiner Bühnenpräsenz war er sicher eine Entdeckung des Festivals! Skurril dann auch der Auftritt von Katy J Pearson im Imperial Theater, da die Band dort in der Kulisse eines Edgar Wallace Theaterstücks auftrat. Die Sängerin mit prägnanter Stimme und fantastischen Instrumentalisten konnte das Wohnzimmer jedenfalls problemlos mit ihrer Musik füllen.
Der Samstag führte nach einigen kleineren Shows auf der FRITZ Bühne wieder zur ARTE Concert Stage, wo Antje Schomaker in ihrer Heimatstadt vielleicht den Auftritt ihres Lebens hinlegte. Übersprudelnd vor Freude haute sie einen Deutschrock-Hit nach dem anderen raus und fütterte das Publikum mit Lebensweisheiten aus ihrem Alltag („Wenn’s nicht passt, dann trennt euch“). Sie wird einfach von Album zu Album stärker.
Und dann zwei abschließende Highlights zum Schwärmen: In der St. Michaelis Kirche (dem Hamburger Michel) glänzte die Songwriter-Band Die höchste Eisenbahn mit einem Akustikset, der durch alle Phasen der Karriere führte und das Publikum zu stehenden Ovationen brachte. Der Sound war überragend und die Band ließ sich davon tragen. Konnte man das noch toppen? Ja, mit Niklas Paschburg in der Elbphilharmonie. Der Hamburger Elektronik-Künstler füllte die hohe Konzerthalle mit wundervollen Klängen aus Flügel, Keyboard und Akkordeon, die er mit einer Loop-Station live zur atmosphärischen Soundkulisse arrangierte. Der glasklare und warme Sound der Philharmonie tat sein Übriges dazu, dieses Konzert zum Abschluss-Highlight werden zu lassen. Das konnte man nicht mehr steigern!
Fazit
Da will ich zunächst mal Frehn Hawel von der Festivalleitung zu Wort kommen lassen: „Als Superstar Sting erzählte, dass er vor seinem Auftritt bei der Eröffnung des Reeperbahn Festivals nervös gewesen sei, da dies seine erste Liveshow seit 18 Monaten war, brachte er damit die aktuelle Situation für die meisten seiner Kolleg*innen auf den Punkt. Die Freude über das Erleben von unmittelbarer Intensität und direktem Austausch, sowohl zwischen Künstler*innen und Publikum, aber auch branchenintern, gepaart mit dem Wiederaufleben der internationalen Aktivitäten des Musikgeschäfts zeichneten die diesjährige Ausgabe des Reeperbahn Festivals aus. Wie groß die Sehnsucht nach Konzerterlebnissen in Musikclubs ist, zeigte sich leider auch in den teils sehr langen Schlangen vor den Spielstätten, die durch die 3G-Umsetzung des Reeperbahn Festivals auch in diesem Jahr stark eingeschränkte Kapazitäten aufwiesen.“
Die Entscheidungen, die getroffen werden mussten, waren nicht leicht und sorgten durch die geringen Kapazitäten auch zu Unmut (nicht unbedingt vor Ort, aber in Kommentaren bei den sozialen Medien). Trotzdem waren sie richtig – und letztlich konnte sich jeder sein Festival bei Traumwetter selbst gestalten. Wer die langen Schlangen vor den Clubs meiden wollte, hatte vor den großen Open-Air-Bühnen Spielbude XL und ARTE Concert Stage genügend Freiraum. Der Reeperbus sorgte mit 15minütigen Kurzauftritten für große Vielfalt in kürzester Frequenz. Und wer es gemütlich haben wollte, konnte weitläufig um die hoch aufgebaute FRITZ Bühne chillen.
Das Experiment ist auch im zweiten Corona-Jahr gelungen und hat die Normalität ein Stück weiter zurück gebracht. Bleibt zu hoffen, dass es im nächsten Jahr mit wieder 50.000 Besuchern und ohne Auflagen weitergeht. Der Termin steht schon: 21. bis 24. September 2022. Early-Bird-Tickets sind ab heute erhältlich!
Der deutsche Pophimmel ist momentan voller Sterne und mit Antje Schomaker ist ein weiterer dazu gekommen. Ihr Debüt „Von Helden und Halunken“ hört sich an, als sei sie schon ein alter Hase im Geschäft. Das liegt vermutlich daran, dass die Songs über viele Jahre hinweg entstanden sind. Und es ist ein Genuss ihr zuzuhören. Antje singt unaufgeregt und doch emotional. Ihre bisweilen lapidar wirkende Stimme hört sich an wie das weibliche Gegenstück zu AnnenMayKantereit.
Am 17.10.2018 war sie im ExHaus Trier zu Gast. Und es war nicht einmal ihr erster Auftritt in Deutschlands ältester Stadt. Im Sommer war sie schon als Support von Amy Macdonald am Start und hat damit sowohl die Herzen der Zuschauer erobert als auch das Feld für den Herbst-Gig bereitet.
Gut 60 Leute hatten den Weg in den Balkensaal gefunden. Das war nicht die Welt, aber gemessen an Antjes (noch) nicht sehr hohem Bekanntheitsgrad eine ganze Menge für das Trierer Kulturzentrum. Und den Anwesenden wurde ein unvergessliches Konzerterlebnis geboten – voller intimer Momente und mit einer musikalischen Lebensfreude, die sich selten findet.
Antje Schomaker sang in den 90 Minuten vor allem Stücke ihres Debüts, hatte aber auch einige neue Songs zu bieten. Um zu erkennen, was ihr die Tour bedeutet, reichte ein Gang an den Merchandise. Da gab es mit Sinnsprüchen handbestickte Wandtapeten als Poster („Wenn ihr die Idee habt, so etwas auch mal zu machen – lasst es“, lachte Antje dazu) und Armbänder aus Buchstabenwürfeln, welche die Worte „Heldin“ oder „Halunke“ ergaben („Und da sitze ich so im Tourbus und denke, wer hatte diese bescheuerte Idee. Ach ja – ich.“).
Da gab es schon zu Beginn den wundervollen Song „Gotham City“, der gegen die Glorifizierung einer Beziehung angeht: „Du bist nicht Batman und ich bin nicht Gotham City“. Ein ganz neuer Song heißt „Auf beiden Augen Herbst“ und setzt die Melancholie in Gegensatz zur Fröhlichkeit des Sommers. „An und für dich“ sang Antje ganz allein am Piano. Und für „Heute und in 100 Jahren“ begab sie sich ganz allein mit Gitarre mitten unters Publikum und interpretierte den Song ohne Mikro für die Umstehenden. Was für ein magischer und unglaublich schöner Moment – sie drehte sich und jeder konnte für Momente Blickkontakt aufnehmen.
Antje brachte die Menschen dazu, mit ihr zu summen. Denn das sei gut fürs Immunsystem und gut gegen Fremdenhass, konnte sie glaubwürdig vermitteln. Und wer bis zu diesem Augenblick noch zweifelte, ob er hier ein 08/15-Konzert einer Mainstream-Pop-Künstlerin oder etwas ganz Besonders erlebte, konnte nun sicher sein: Das sind die Momente, deretwegen wir Konzerte besuchen.
Antje hatte eine formidable Band dabei, die je nach Erfordernis sehr atmosphärische Klänge schaffen konnte. Falls nötig auch mit elektronischen Elementen, die aber nie zum Selbstzweck verkamen sondern immer songdienlich waren. „Mein Herz braucht eine Pause“ gab es – und „Glanz und Gloria“ als Lied über Freundschaft, das Antje dem Drummer widmete, der just am Tag Geburtstag hatte.
Freunde werden ohnehin gern mit Songideen bedacht. „Irgendwohin“ wurde mit einer Roadmovie-Geschichte um die beste Freundin eingeleitet. Man war spontan ans Meer gefahren, aber dort hat es geregnet. Nicht jedes Roadmovie hat ein Happy End. Noch emotionaler wurde es mit „Auf und Davon“, gewidmet einer Freundin, die an Depressionen litt. Und dann gab es dieses herzzerreißende „Du löst dich auf“, das von einem kürzlich verstorbenen Freund handelte. Es gehört schon viel Mut dazu, sich liebe Menschen unter der Erde vorzustellen und auch noch so bildlich von dem Auflösungsprozess zu singen. Antje hatte darum gebeten, diesen intimen Titel nicht zu filmen, woran sich auch jeder hielt. Und sie verschwand kurz von der Bühne, vermutlich um einmal tief Luft zu holen, bevor mit dem fröhlichen „Aller guten Dinge sind wir“ das Konzertende eingeläutet wurde.
Ganz zum Abschluss gab es mit „Bis mich jemand findet“ einen tanzbaren Abschluss – und am Merchandise ein Bad in der Menge. Antje Schomaker hat in Trier einen klasse Job gemacht. Ich bin überzeugt, dass wir noch viel von ihr hören werden. Ihr Duett mit Johannes Strate (Revolverheld) läuft erfolgreich im Radio, das Debütalbum sollte sich jeder Freund guter poetischer Popmusik schleunigst zulegen und: Besucht ihre Konzerte! Es lohnt sich definitiv.
Ein starker Auftakt für das Amphitheater Open Air 2018 in Trier: Am Mittwoch gab sich Chris de Burgh die Ehre und stand ganz allein mit seiner Gitarre auf der Bühne, um dem Publikum Hits aus allen Epochen seiner langen Karriere darzubieten. Und am Donnerstag verzauberte Amy Macdonald die Zuschauer mit ihrem schottischen Akzent und herzerfrischender Bodenständigkeit.
Am 15. Oktober wird Chris de Burgh schon 70 Jahre alt. Das sah man ihm nicht an, als er mit leger geöffnetem Hemd und Windjacke die Bühne betrat. Das Auftreten ist ebenso sportlich, wie man das von dem unwesentlich älteren Reinhard Mey kennt. Und dann ein Set – solo vorgetragen allein mit Gitarre oder wahlweise am Piano. Ähnliches durfte ich eine Woche zuvor bei Ed Sheeran erleben. Der beglückt damit 80.000 vor allem jüngere Leute. Chris de Burgh muss sich mit 1.900 Zuschauern gesetzteren Alters begnügen. Aber er hat Spaß daran und das Publikum dankte ihm am Ende für viele emotionale Momente.
Es war ein Sitzkonzert – zumindest zu Beginn. Chris de Burgh zeigte sich zunächst sichtlich überwältigt vom Ambiente des römischen Amphitheaters. Eine Kultstätte für Altertumsforscher aber auch für Konzertgänger. Denn wenn Popp Concerts alljährlich zum Amphitheater Open Air rufen, wird für viele Musikrichtungen das Richtige geboten. Folk und Pop begeisterten die Zuschauer aus dem Mund von Chris de Burgh. Mangels Schlagzeug ließ er schon früh den Rhythmus vom Publikum mitklatschen. Das gelang gut.
„The Moonfleet Overture“ wurde als Intro gespielt. „Road To Freedom“ war der erste Song. Schon an dritter Stelle gab es mit „Missing You“ einen Klassiker zum Mitsingen. Zu „Waiting For The Hurricane“ ließ der Barde erstmals die Gitarre an der Seite und setzt sich ans Piano. Chris hielt guten Kontakt zum Publikum und war zum Scherzen aufgelegt. Haben die deutschen Fußballer in Russland zuviel Wodka getrunken? So lautete die Ansage zu „Moonlight And Vodka“. Dann erzählte er von einem Traum, in dem ein Römer ihm im Amphitheater ein kühles Bier bringt. Bei den herrschenden Temperaturen war er mit diesem Traum nicht allein – aber seiner ging letztlich in Erfüllung.
„A Woman’s Heart“ besang Chris als das größte Geheimnis von allen. Dann wandte er sich der aktuellen Platte „A Better World“ zu, aber nicht ohne eine Seitenhieb auf die USA, wo die Welt anscheinend verrückt geworden ist. Ein folkiges „Shipboard Romance“ durften wir hören. Dann „The Hands Of Man“ und schließlich das autobiographische „Where Would I Be“. Der akustische Set brachte mehr Folk- als Rocksongs. Das passte gut zur abendlichen Atmosphäre in Trier. Ganz romantisch und abenteuerlich kamen dann auch Stücke vom „Moonfleet“ Album hinzu – Geschichten über Schätze und Piraten, die Chris de Burgh gekonnt erzählte.
Schließlich gab es für ein jubelndes Publikum „Borderline“ und der Sänger konnte schon nach einer Konzertstunde stehende Ovationen der Zuschauer empfangen. Ob er damit gerechnet hatte? Seine Interpretation am Piano war jedenfalls so berührend und auch pathetisch, dass es die meisten nicht auf den Sitzen hielt. Um die Situation danach etwas aufzulockern, gab es einige witzige Instrumental-Cover wie „Here Comes The Sun“, „Hotel California“ und „Pretty Woman“, bevor mit „Revolution“ der Song gespielt wurde, der eigentlich als „Borderline“-Fortsetzung gedacht ist.
Hier konnte auch ich mich zuhause fühlen, der ich doch vor allem in den 80ern zu Zeiten von „The Getaway“ und „Man On The Line“ einer großer Fan des Iren war. Damals gab es noch rockigere Klänge, die spätestens mit „The Lady In Red“ dem soften Chris de Burgh wichen. Dieser Titel wurde natürlich auch gespielt. Und das als einziger im Playback mit elektronischen Klängen. Warum? Natürlich damit der alte Haudegen und Herzensbrecher einen Ausflug zu den Damen im Publikum machen und ein paar Tänzchen aufs Parkett legen konnte. Spätestens jetzt war aus dem Sitz- ein Stehkonzert geworden. Und viel (vor allem weibliches) Volk stürmte den Platz direkt vor der Bühne.
Chris de Burgh hat ein treues Publikum. Und das weiß, was es bekommt: Eine gesunde Mischung aus alten und neuen Songs. Bei den älteren Titeln wie „Sailing Away“ gibt es ein paar Schwierigkeiten in den Höhen. Das bringt Chris aber nicht davon ab, munter zwischen Brust- und Kopfstimme zu wechseln. Und er kann es sich erlauben. Die Highlights „Don’t Pay The Ferryman“ und „High On Emotion“ folgten erst kurz vor dem Zugabenblock. Und auch die Rocksongs kommen gut zur alleinigen Gitarrenbegleitung. Chapeau!
Nach 100 Minuten Konzertlänge beendeten atmosphärische Zugaben wie „Where Peaceful Waters Flow“ ein eindrucksvolles Konzert. Es waren selige Gesichter, in die man blicken konnte. Und viele sollten ja am nächsten Abend direkt wieder kommen.
Amy Macdonald zog gut 3.000 Leute, die im Schnitt auch jünger waren als am Vorabend. Zudem war es ein Stehkonzert und es gab einen Support: Die 26jährige Antje Schomaker hatte ihr Debüt „Von Helden und Halunken“ mitgebracht. Die junge Frau vom Niederrhein hörte sich mit ihren selbst geschriebenen Songs unaufgeregt und doch emotional an. Ihre bisweilen lapidar wirkende Stimme klang wie das weibliche Gegenstück zu AnnenMayKantereit. „Bis mich jemand findet“ drückte enorme Lebensfreude aus. Und der Song „Gotham“ ist einfach genial, wenn Antje zwischen tiefer Stimme und hohen Tönen switcht. „Irgendwohin“ erklang als neuer Song für die beste Freundin und „Auf und davon“ rührte zu Tränen als Stück für eine Freundin mit Depressionen. Am 17. Oktober wird Antje Schomaker mit ihrer Band im ExHaus Trier spielen. Und dafür rührte sie ordentlich die Werbetrommel. Wer ihren Gig im Amphitheater gesehen hat, ist sicher auf den Geschmack gekommen.
Als Amy Macdonald die Bühne betrat, war vom ersten Ton an Stimmung angesagt. Die Haare plötzlich blond – das war schon sehr überraschend – dazu blaue Boots. Die Schottin ist eine traumhafte Erscheinung und dabei so bodenständig, wie man als weltweit erfolgreiche Sängerin nur sein kann. Ihre in manchmal schwer verständlichem Schottisch vorgetragenen Ansagen hörten sich an, als sei man zu später Stunde an der Theke in einem schottischen Pub. Verdammt – hat das Spaß gemacht!
Und hinzu kam natürlich wundervolle Musik zu einer lauten Rockband. Dabei hatte Amy meist ebenfalls eine Gitarre in Händen. Sie begann mit dem Titelsong des aktuellen Albums „Under Stars“. Es folgten die stimmungsvollen Titel „Spark“ und „Youth Of Today“, bevor es schon an vierter Stelle den Hit „Mr. Rock And Roll“ gab. Jetzt war der Damm gebrochen und alles sang lauthals mit. Amy erklärte, es sei schon sehr heiß für jemanden aus Schottland. Bei ihnen begänne man ab 15 Grad zu schwitzen. Und jetzt weit mehr als das Doppelte. Dann amüsierte sie sich über die zahlreichen Zaungäste in den Weinbergen: „Man will dabei sein, aber nichts zahlen.“ Das kenne sie auch aus Schottland.
Zu „Slow It Down“ wollte Amy einen Zuschauerchor formieren. Doch Totenstille im Publikum. Sie machte sich ernsthaft Sorgen, ob man ihren Akzent in Trier nicht versteht. Doch dann interpretierte sie das Schweigen zugunsten des Publikums als höfliches Zuhören. Wer weiß? Zumindest klappte der Mitsing-Refrain bei „Slow It Down“ letztendlich hervorragend. Danach kam mit „4th Of July“ eine Liebeserklärung an New York.
Das Amphitheater schien auch Amy zu imponieren. „Ihr habt noch nicht gekämpft. Gut so!“ Sie freute sich über unzählige schottische Flaggen („mehr als bei mir zuhause“) und verwies auf die Fußballtrikots, die sie extra im schottischen und deutschen Design hat anfertigen lassen. „We are Scheiße together“, so hob sie die beiden Mannschaften spielerisch auf ein Level und hatte das Gelächter auf ihrer Seite. Beeindruckend und unterhaltsam.
Musikalisch bot die 30jährige Schottin einen Rundumschlag aus vier hervorragenden Alben. Und den Song „Woman Of The Word“ aus dem Soundtrack der Disney-Komödie „Patrick“, an dem sie mitgewirkt hat. Überhaupt singt Amy mit starker Stimme und großer Überzeugungskraft. Die Band ist glanzvolles Beiwerk, aber sie braucht das nicht, wie die Ballade „It’s Never Too Late“ zu Pianobegleitung eindrucksvoll bewies. Und endlich kam auch „This Is The Life“, der Über-Hit, bei dem ordentlicher Jubel ausbrach.
Nach 95 Minuten war das Konzert zu Ende und alle lauschten beseelt den hymnischen Klängen von „Let’s Start A Band“, das man gut mit „This Is The Life“ verwechseln kann. Die Schottin hat es allein gezeigt. Die Liebe zwischen Deutschland und Schottland ist ungebrochen. Daran wird auch der Brexit nichts ändern können.
Der deutsche Pophimmel ist momentan voller Sterne – und gerade ist ein weiterer dazu gekommen: Antje Schomaker. Ihr Debüt hört sich an, als sei sie schon ein alter Hase im Geschäft. Das liegt vermutlich daran, dass die Songs über viele Jahre hinweg entstanden sind. Und es ist ein Genuss ihr zuzuhören. Antje singt unaufgeregt und doch emotional. Ihre bisweilen lapidar wirkende Stimme hört sich an wie das weibliche Gegenstück zu AnnenMayKantereit.
Angefangen hat sie mit Coversongs. Doch was war nicht ihr Ding. Sie hat selbst etwas zu sagen und tut gut daran, es zu tun. „Ich hinterfrage wenig, bin so ehrlich wie möglich und dass das auf Deutsch passiert, war ganz selbstverständlich. Ich sammle überall Worte, z.B. wenn jemand etwas besonders Schönes sagt, und benutze manche Worte nie, weil ich sie hässlich finde.“ Vielleicht ist es die ungenierte, echte Liebe, die dafür gesorgt hat, dass Antje kaum Co-Writer für „Von Helden und Halunken“ brauchte.
Sie will 100% hinter allem stehen, was sie singt und was sie tut, denn Authentizität ist ihr so wichtig, wie unabhängig zu sein. „Ich bin z.B. diesen ‘Pärchen-Druck’ leid. ‘Bessere Hälfte’ und so. Jeder Mensch kann doch auch allein ein wichtiger Teil der Gesellschaft sein. In meinen Songs geht’s oft um die andere wichtige Sache: Freundschaft und gemeinsame Erlebnisse. Ich möchte nicht so sehr festhalten – wenn mich etwas ärgert, versuche ich es zu ändern, und wenn ich etwas anpacke, gebe ich mich voll rein. Multitasking ist nicht so meins.“
Die Songs, die so entstanden sind, klingen authentisch und unverbraucht. Antje singt mit klarer Stimme, hört sich aber trotzdem bisweilen etwas verlebt an. Ihre Texte glaubt man ihr aufs Wort. Als träfe man sie zufällig an der Theke der Stammkneipe. Einfach zuhören, was sie zu sagen hat. Stories wie „Mein Herz braucht eine Pause“, das Antje für eine Freundin geschrieben hat, um später auf der Bühne zu merken, dass der Song auch auf sie selbst passt. Oder „Gotham City“, in dem „Du bist nicht Batman und ich bin nicht Gotham City“ mehr als tausend Worte sagt. Geschichten wie „Glanz & Gloria“, das als offizielle Ode an die besten Freunde der Welt rausgeht und „Bis mich einer findet“, mit dem man herrlich allein sein kann. Und „Du löst dich auf“, in dem Wut aufblitzt, weil man eben erst mal aufgeschmissen ist, wenn etwas Heftiges passiert. Erzählungen wie die erste offizielle Single „Auf und davon“, die jemandem gewidmet ist, dem es lange nicht gut ging, um den man sich jetzt aber nicht mehr sorgen muss – und natürlich Titelsong „Von Helden und Halunken“, dessen erste Zeile man direkt so stehen lassen kann: „Es kommt so abrupt: Dieser eine Song, der ganz kurz alles aussetzen lässt.“
Antje Schomaker ist definitiv eine Entdeckung wert. Man setzt sich zu ihr und hört zu. Klasse!