Als ich im Büro berichte, dass ich am Abend zu Bryan Ferry nach Düsseldorf fahre, heißt es: „Cool.“ Und dann: „Und das willst du anziehen?!“ Für Bryan Ferry mache man sich schick, heißt es, zumindest müsse man aber schweinecool aussehen. Respekt vor dem Gentleman des Pop!
Bryan Ferry ist mittlerweile 72, bekannt geworden als Frontman von Roxy Music, und auch heute noch mit Soloplatten unterwegs. Tatsächlich ist er der Einzige, der heute Abend im Anzug da ist, und der schweinecoolste ist er sowieso. Ich muss ja zugeben, dass ich recht wenig Musik von Bryan Ferry kenne. Ein Freund von mir hörte immer Roxy Music, wenn er richtig gut drauf war. Das ist lange her, und bei mir blieb da nicht so viel hängen. Trotzdem freue ich mich sehr auf den Abend: ein neues Häkchen auf der Bucket List.
Mit Bryan Ferry sind in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle insgesamt zehn Musiker auf der Bühne. Keine zusammengewürfelte Band, sondern richtig gute Musiker. In fast jedem Song ist irgendein Solopart eingebaut, bei denen abwechselnd Gitarre, Bass, Violine, Keyboard, Saxophon oder Klarinette glänzen können. Die Arrangements sind kraftvoll, die Band breitet den Sound in der Halle aus und alle nehmen gemütlich Platz, um das zu genießen. A propos: Das hier ist ein Sitzkonzert und ich hebe den Altersdurchschnitt schon gewaltig. Unangenehm ist das nicht, die Zuschauer haben Spaß, Herren geben wilden Zwischenapplaus, die Augen der Damen leuchten.
Mit Tanz, großen Gesten und Interaktion mit dem Publikum ist Mister Ferry zurückhaltend heute Abend. Hier wird eben nicht gequatscht, sondern gearbeitet. Und obwohl auf der Bühne außer der tollen Lightshow im weitesten Sinne nicht viel passiert, bin ich überwältigt. Schon als 2. Song spielt er „Slave to Love“ und ich fühle mich wie in einem opulenten 80er-Jahre-Video. Die Coolness bekommt man auch nicht mehr aus dieser Stimme raus, egal wie alt der Mann auch wird. Mit neueren Songs hält er sich an dem Abend tatsächlich zurück, dafür hören wir all die „wichtigen“ Sachen, für die die Leute da sind: „Out of the Blue“, „Avalon“, „More than this“, aber auch Coverversionen wie zum Beispiel „Simple twist of fate“ von Bob Dylan, bei dem Bryan Ferry fast so gut Mundharmonika spielt wie das Original. Und da ist so viel Eleganz und Pop-Glamour auf der Bühne, dass ich ganz froh bin, dass ich sitze und mir das einfach ansehen kann.
Und dann, ein paar Songs vor Ende des Konzerts, als ich mir gerade überlege, wie viel Prozent der Anwesenden im Saal schon Sex zu der Musik von Bryan Ferry hatten, geht anscheinend ein geheimes Zeichen durch das Publikum, in das ich vorher nicht eingeweiht war. Als die ersten Klänge von „Love is the Drug“ anfangen, stürmen alle die Gänge und drängen zur Bühne. Und plötzlich tanzen alle wild und sind wahnsinnig glücklich. Und das ist der beste Abschluss des Konzerts, den ich mir hätte vorstellen können. Bryan Ferry spielt da noch mal die ganz großen Stücke und weiß selbst, dass das hier ein richtig gutes Konzert war.