Im Februar 1980 wurde in der Dortmunder Westfalenhalle das erste Mal der Rock-Epos „The Wall“ von Pink Floyd aufgeführt. Heute Abend, gute 33 Jahre später, genau zum 70. Geburtstag von Roger Waters, finden sich 35.000 Zuschauer in der fast ausverkauften Düsseldorfer Esprit-Arena ein, um die Mauer noch einmal einstürzen zu sehen – wohl die vorerst letzte Möglichkeit, dieses Spektakel in Deutschland noch einmal miterleben zu können.
Aufgeführt wird die Show natürlich schon lange nicht mehr von „Pink Floyd“, sondern von Roger Waters und seiner Band, welche noch durch eine große Lücke der Mauer zu sehen ist. Zu Beginn ist lediglich die linke und rechte Bühnenhälfte von der Mauer bedeckt, die als überdimensionale Leinwand genutzt wird, auf die durchweg eine Mischung aus Live-Kamerabildern und Videoszenen projiziert wird. Nach dem Intro betritt Waters zu „In The Flesh“ den Steg zwischen Mauer und Publikum, unterstützt durch Pyrotechnik und einen Sound, dessen räumliche Fülle den Eindruck entstehen lässt, sich im Kino zu befinden, anstatt bei einem Live-Rockkonzert: So zum Beispiel durch den Klang des Hubschraubers, der die Köpfe des Publikums mit sich kreisen lässt, fallende Bomben oder das abstürzende Flugzeug, welches plötzlich im hinteren Eck der Esprit-Arena auftaucht und über die Köpfe des Publikums hinwegfliegt, um schließlich hinter die Mauer zu stürzen und dort in Flammen aufzugehen.
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Tatsächlich erweckt die Show den Eindruck, eine Mischung aus Konzert und Film zu sein. Ebendiesem Film, der die Geschichte von „Pink“ erzählt: einem erfolgreichen Musiker, der, bedingt durch die überfürsorgliche Mutter, die grausamen Lehrer und zuletzt den Verlust seines Vaters, der im Krieg gefallen ist, allmählich den Verstand verliert und ebendiese Mauer um sich herum aufbaut. Jedoch steht bei diesem Konzert jegliche Form von Krieg thematisch im Vordergrund und wird ständig aufs Härteste angeklagt. Dies geschieht insbesondere durch die Bilder auf der Mauer: gezeigt werden unter anderem kurze Andenken an Personen, die in Kriegen gefallen sind und von deren Hinterbliebenen Fotos und Kurzbeschreibungen der Gefallenen an Waters gesandt wurden, nachdem dieser online dazu aufgerufen hatte. Selbst als Waters sich das erste Mal direkt ans Publikum wendet, klagt er direkt den „Town Terrorism“ an, dem ständig sowohl Zivilisten als auch Soldaten zum Opfer fallen und ruft an dieser Stelle zum Gedenken auf.
Natürlich steht aber die Musik keineswegs im Hintergrund. Mit „The Ballad Of Jean Charles de Menezes“ gibt es nach „Another Brick In The Wall Pt.2“, das durch einen 15-köpfigen lokalen Kinderchor unterstützt wird, ein Stück zu hören, welches man nicht vom Album kennt und wohl für viele neu ist. Nach diesem Stück beginnt sich schließlich die Lücke in der Mauer nach und nach zu schliessen. Mit der Fertigstellung der Mauer zu „The Last Few Bricks“ endet schließlich die erste Hälfte des Konzerts. Die zweite Konzerthälfte spielt sich musikalisch fast komplett hinter der Mauer ab. Der Höhepunkt wird schließlich bei „Comfortably Numb“ erreicht als Dave Kilminster zum Ende des Stücks sein Gitarrensolo in bester Gilmour-Manier von der Mauer herunterspielt, während dessen kaum jemand aus dem Publikum auf seinem Sitz bleibt. Schliesslich stürzt die Mauer zum Ende von „The Trial“ unter „Tear Down The Wall!“-Rufen ein und sogar das altbekannte fliegende Schwein wird von den Zuschauerrängen ergriffen und in Stücke zerrissen. Die Band schliesst das Konzert danach inmitten der Mauertrümmer mit „Outside The Wall“ ab.
Nach Standing Ovations folgt sogar noch ein Happy-Birthday-Ständchen zu Roger Waters‘ 70. Geburtstag – begleitet von 35.000 Besuchern. Die 70 Jahre merkt man Waters, der die The Wall Show mit dieser Band schon weit über 100 Mal aufgeführt hat, keineswegs an. Weder wirkt er gelangweilt von seiner eigenen Show, mit der seit 2010 um die Welt tourt, noch wirkt die Show selbst vorhersehbar oder fade. Auch lässt Waters sich nicht aus seinem eigenen Konzept bringen: Weder die im Vorfeld häufig beklagten Davidsterne noch die Schauspieleinlage, in der sich Waters in einen langen Ledermantel kleidet und mit einer Maschinenpistole gleich einem durchgedrehten Kriegsherrn um sich ballert, werden aus der Show gestrichen. Die Show vermittelt eben immer noch denselben bombastischen Eindruck, den sie einst bei ihrer Uraufführung 1980 gemacht haben muss und bleibt mit Sicherheit jedem einzelnen Konzertbesucher noch lange in Erinnerung.