Zeitgenössische Klaviermusik – nun ja, da muss man sich erst einmal rein finden. Seit 1973 ist Lubomyr Melnyk schon musikalisch aktiv, der mit seinem Rauschebart aussieht, als sei er frisch der Kelly Family entsprungen. Dieser Vergleich trifft aber keineswegs sein kompositorisches Werk, das er seit 1978 veröffentlicht und mit dem Kunstbegriff „Continuous Music“ umschreibt. Darunter versteht er Klaviermusik mit transzendentalem, esoterischem Charakter. Doch vor allem seine Technik ist berauschend. Mit 19,5 Noten pro Sekunde gilt er als schnellster Pianospieler der Welt. Starke Leistung!
„Illirion“ ist das erste Album, das bei Sony Classical erscheint. Die fünf Tracks ertönen meditativ, ja geradezu hypnotisch, und rasen wie ein breiter Fluss an Tönen am Hörer vorbei. Schnell gerät man dabei ins Träumen und verfängt sich gerade bei den längeren Stücken in einer harmonischen Endlosschleife, die der Komponist exzessiv nutzt, um eine Art melodisches Mantra zu schaffen.
Geboren in München, wuchs der Sohn ukrainischer Eltern in Kanada auf. Dort studierte er Latein und Philosophie, bevor er zwischen 1973 und 1975 an der Pariser Oper während der Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Choreografin Carolyn Carlson begann, seine „Continuous Music“ zu entwickeln. Lubomyr Melnyk lebt heute in Schweden und Kanada. Mit seinen Aufnahmen und Konzerten begeistert Lubomyr Melnyk das Publikum in aller Welt. So kürte das New Yorker Magazin „Village Voice“ seine Einspielung „KMH“ zu den „10 Alben, ohne die man einfach nicht leben kann“.
Melnyk ist 68 Jahre alt. Seine Musik hat durchaus klassischen Charakter, dürfte aber auch jüngeren Hörern gefallen. Mich entführen die luftigen Kompositionen in eine sehr natürliche Umgebung – als betrachte man eine schnell vorüber ziehende Landschaft aus der Luft. Seine Klangsprache funktioniert ohne Worte und übt eine starke Faszination aus. Inzwischen schon seit 40 Jahren – und ein Ende ist nicht abzusehen.