Der Graben zwischen den bekanntesten Skandal-Brüdern der letzten Jahrzehnte war wohl zu tief, um nochmal zugeschüttet zu werden. Was passierte seit der Trennung? Beide machen unabhängig voneinander weiter und verzichten auch auf den Bandnamen Oasis. Liam vermeidet sogar den berühmten Nachnamen und nennt sein Projekt Beady Eye, Noel hingegen firmiert als Noel Gallagher’s High Flying Birds. Kürzlich erschien sein zweites Album.
Der Titel „Chasing Yesterday“ lässt eine Rückbesinnung auf alte Stärken erwarten. Und tatsächlich hört man aus einem Teil des Albums viel Oasis heraus. Schrammel-Gitarren, ein Britpop-Retro-Sound. Doch es geht weit darüber hinaus und Gallagher 2015 bietet zudem Experimentelles wie den verjazzten Track „The Right Stuff“ und das psychedelische „The Girl With X-Ray-Eyes“. Schon die Eröffnung mit „Riverman“ inklusive Saxofon klingt äußerst spannend. Dem folgen Hymne um Hymne und Noel ist sich auch nicht zu schade, „In The Heat Of The Moment“ mit knackigem Discobeat anzureichern. Ein Song wie „Lock All The Doors“ erinnert am ehesten an alte Zeiten, was kein Wunder ist, basiert er doch auf 23 Jahre alten Songfragmenten.
Alles in allem ist Noel Gallagher mit seinen High Flying Birds ein solides zweites Album gelungen, dem ich eine Wertung im oberen Drittel der Skala geben würde. Wäre da nicht das abschließende „Ballad Of The Mighty I“. Was für ein wundervoller Song, der sich so überraschend an „You Know We Can’t Go Back“ anschließt und von zarten Pianoklängen eingeleitet wird. Dann folgt ein Song, den ich ohne Hintergrundwissen im Bereich des Progressive Rock Marke Spock’s Beard oder Steven Wilson verortet hätte. Glänzende Melodielinie, vertracktes Arrangement, mehrstimmige Vocals – ich liebe diesen Track und muss ihn nach jedem Durchgang des Albums gleich mehrfach hören. Hätte nicht gedacht, dass Herr Gallagher mich derart überraschen kann.