Wer Musik macht, möchte gehört werden – gerade, wenn er etwas zu sagen hat. Dies gilt schon immer und ganz besonders für Daniel Wirtz. 2007 erscheint der 49-jährige Wahl-Frankfurter mit seinem Debüt „11 Zeugen“ erstmals auf dem Rockradar. Textlich beweist er dabei eine klare Kante und nimmt als einer der Wenigen im deutschsprachigen Musikzirkus kein Blatt vor den Mund. Seitdem ist viel passiert. Mit „Auf die Plätze, fertig, los“ von 2015 und „Die fünfte Dimension“ von 2017 veröffentlicht Wirtz zuletzt zwei weitere Vollstromalben, auf denen er sich seiner sprachlichen Wucht leider weitestgehend selbst beraubt und mehr in Richtung Radioquote schielt. Dazwischen liegt das grandiose Unplugged-Konzept mit zwei außergewöhnlichen Akustikalben und wunderschönen Konzertabenden. Bis Corona auch Wirtz im wahren Leben den Stecker zieht und ihm für geschlagene drei Jahre Stillstand verordnet. Einziges leises wie beeindruckendes Lebenszeichen ist die komplett selbstproduzierte „Co-WIRTZ-19“-Scheibe mit elf Lockdown-Versionen früherer Songs. Danach herrscht rund um Wirtz eine geradezu ohrenbetäubende Stille.
Bis jetzt! Denn Anfang Februar erscheint sein sechstes Studioalbum „DNA“, das lauter und deutlicher ist als alles zuvor. Schluss mit der teilweisen Hinwendung zum Mainstream. Schluss mit den bis auf die Knochen reduzierten Neuarrangements altbekannter Stücke. Wirtz ist wieder da und er strotzt nur so vor Energie. Wo früher auch mal die ein oder andere melancholische Note ihren Platz fand, geht es auf „DNA“ nur in eine Richtung. Das Album ist ein emotionaler Striptease aus vollfettem Sound und schmutzigen Gitarren, auf dem Wirtz gewohnt deutlich mit den letzten drei Jahren seines Lebens abrechnet. Es lag ihm eine Menge auf der Seele. Und er schreit es raus.
„Hab den alten Staub vom Pult gewischt und neue Saiten aufgezogen, mich mit frischem Personal verstärkt, Zack der Zeiger zeigt nach oben“, heißt es im Opener und Titelsong. Das frische Personal sind unter anderem Pascal Kravetz und der niederländische Gitarrist JB Meijers. Sie sorgen dafür, dass Wirtz das Gaspedal wiedergefunden hat und es auf neun der zehn Songs von „DNA“ auch bis zum Anschlag durchtritt. Wer bisher immer noch die Sorge hatte, dass Wirtz seine Unverwechselbarkeit an der Garderobe des Massengeschmacks abgelegt haben könnte, der wird eines Besseren belehrt. Nicht umsonst heißt das Album „DNA“, denn wie wir natürlich alle wissen, trägt die DNA unsere Erbinformationen und ist somit quasi der Bauplan eines Individuums. Wirtz kehrt zu seiner DNA zurück und die besteht seit 17 Jahren aus harter Rockmusik und Texten, die sein Innerstes schonungslos nach Außen kehren.
Kreissägengitarren, die man zuletzt so kraftstrotzend von Soundgarden gehört hat (Gott hab sie selig!), und ein Schlagzeug, das sich förmlich selbst zerlegt, bilden den Rahmen für die musikalische Reise in die emotionalen Eingeweide von Daniel Wirtz. In „Dünnes Eis“ taumelt er durch die „neue schöne kalte Welt“ und fragt sich wer Freund und wer Feind ist. „Ein klares Nein“ hält allen Wendehälsen und Wetterfähnchen den Spiegel vors Gesicht, während er wegen „Lucy“ fast den Verstand verliert und nebenbei „Atlantis“ untergehen lässt: „Ein Hauch von gar nichts mehr, wo einst mein Leben stand“. Soviel sei verraten, er baut es verbal auch wieder auf. Hoffnungslosigkeit gilt nicht. In „Operation Unsterblichkeit“ zelebriert Wirtz das Leben im Hier und Jetzt. Lautstark! Am Ende hält er dann in „Schweigen mit dir“ doch noch einmal kurz inne und feiert die Liebe, die uns auffängt, „wenn um uns rum ein Orkan tobt“ und „der Lärm die Ohren betäubt“.
Vor betäubten Ohren muss man nach dem Anhören von „DNA“ definitiv keine Angst haben. Das Album ist eher wie ein Tritt in den Arsch. Dynamisch. Lebendig. Und gewohnt authentisch. Endlich! Jetzt wo Wirtz wieder da ist, merkt man erst wie sehr er gefehlt hat. Davon könnt ihr euch auch auf der anstehenden Tour überzeugen. Ich bin mir sicher, es werden schweißtreibende Abende mit großer Lust auf das original Rundum-Durchdreh-Programm der Marke Wirtz. Die Pause war schließlich lang genug.
WIRTZ – DNA LIVE TOUR 2024:
01.02.2024 – Stuttgart, Im Wizemann
02.02.2024 – Saarbrücken, Garage
03.02.2024 – Köln, Carlswerk Victoria
08.02.2024 – Bremen, Aladin
09.02.2024 – Münster, Skaters Palace
10.02.2024 – Hannover, Capitol
11.02.2024 – Hamburg, Grosse Freiheit 36
15.02.2024 – Frankfurt, Batschkapp
16.02.2024 – Erfurt, Club Central
17.02.2024 – Leipzig, Felsenkeller
18.02.2024 – München, Backstage Werk
21.02.2024 – Berlin, Huxleys Neue Welt
22.02.2024 – Nürnberg, Hirsch
23.02.2024 – Dortmund, FZW Halle