Während Annette Humpe mit Ich+Ich von Erfolg zu Erfolg eilte, war ihre Schwester Inga mit ihrem Lebensgefährten Tommi Eckart als 2raumwohnung unterwegs. Das Elektropop-Duo gründete sich zur Jahrtausendwende in Berlin. Zwei Jahrzehnte sind also Grund genug für eine Werkschau aus 20 Titeln.
Die Compilation „20 Jahre 2raumwohnung“ fasst acht Studioalben zusammen. Mit „Das ist nicht das Ende Baby“ und „Hier sind wir alle“ sind auch zwei plakative neue Titel mit dabei.
Der größte Hit darf natürlich nicht fehlen: Das laszive „36 Grad“ aus dem Jahr 2007. Ansonsten gibt es bekannte Stücke wie „Ich und Elaine“, „Wir werden sehen“, „2 von Millionen von Sternen“ und „Bei dir bin ich schön“. Einfach entspannt und lässig, was die beiden in den vergangenen 20 Jahren geschaffen haben.
„Wir trafen uns in einem Garten“ hat das Lebensgefühl des vereinten Party-Berlins im Sommer 2000 so treffend beschrieb, wie es seitdem kaum ein Popsong geschafft hat.
Diese Werkschau war längst überfällig und die neuen Songs zeigen, dass die Zukunft noch einiges bringen wird. Jetzt geht es erst einmal auf Jubiläumstour – Daten für März und April findet ihr unten.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Deutsche Liedermacher, die eine differenzierte Meinung haben und diese auch lautstark kundtun, braucht das Land heute so sehr wie schon lange nicht mehr. Es gibt derzeit etwas zu sagen für den Pop- und Politpoeten, und zwar nicht zu knapp. „Der Wahrheit die Ehre“ sind 14 Songs voller Elegie, Empathie, Energie und voller politischer und persönlicher Verantwortung für die Welt und die eigene direkte „Um“-Welt. Ein Alben voller Hymnen mit Songs, die wahr und wahrhaftig sind und Misstände aufdecken.
Wehmütig, einfühlsam und energisch wendet sich der Liedermacher aus NRW an seine Zuhörer und Fans. Und seine Songs zeigen mal wieder, dass er ein Schreiber vom alten Schlag ist. Einer, der keinem hinterher rennt, sondern der sich seine eigenen Gedanken zum Zeitgeschehen macht. Es sind Hymnen mit einer klaren Friedensbotschaft wie „Mit welchem Recht“ oder „Die Zeit ist reif“, und das großartige „Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort“. Ein Song, der sich (erst nach der Thüringen Wahl 2019 entstanden) gleich einen der prominentesten Plätze auf dem Album gegriffen hat. Den Schluss. Dabei macht es von Anfang bis Ende richtig Spaß die aktuellen Kunze Wahrheiten zu hören.
Kunze reiht sich nicht ein in die Massen derer, die einfach mal wieder „dagegen“ sind, sondern Kunze gibt spannende, sprachlich raffinierte und inhaltlich glasklare Antworten. „Pervers“ ist so ein Titel mit einer Antwort. Musikalisch in bester Van Morrisson und Stones Tradition. Inhaltlich krass und eindeutig, die „Verdrehungen“ in unserer Gesellschaft auf den Punkt gebracht. „Es gibt Leute, die alle Menschen, die phantasievoll, bunt und offen leben wollen als pervers und krank und degeneriert bezeichnen und dabei gar nicht merken, dass sie es selber sind. – Ja gut, dann sind wir also ‚pervers‘ im allervernünftigsten Sinn! Und das genießen wir bis zur Neige“, sagt Kunze über diesen „pervers-klugen“ Song.
Balladen wie „Völlig verzweifelt vor Glück“ oder „Wenn du ohne Liebe bist“ lassen kurz durchatmen, lassen musikalisch einen Hauch „80er-Jahre-Elektroromantik“ aufflackern und stellen die Ängste des ewig nörgelnden Künstlers und die Einsamkeit in unseren Großstädten in den Fokus.
Nicht nur textlich, auch musikalisch ist „Der Wahrheit die Ehre“ eines der spannendsten und abwechslungsreichsten Kunze Alben der letzten Jahrzehnte. Britischer 80er Jahre Rock trifft auf das Jahr 2020. Die musikalische und politische Rebellion der frühen „U2“ treffen auf moderne Coldplay Klangmuster. „Der Wahrheit die Ehre“ betont die härteren Seiten des Heinz Rudolf Kunze. Jahrelang klang Kunze nicht so erdig, rockig und eingängig.
Unendlich viele Alben hat der inzwischen 64jährige sein Anfang der 80er Jahre veröffentlicht. Die Leute kennen „Dein ist mein ganzes Herzd“, doch seine Fans wissen, dass ihr HRK vielmehr drauf hat und ein Repertoire von 500 Liedern voller musikalischer und vor allem textlicher Perlen sein eigen nennt. Das aktuelle Album ist frisch und erfrischend – aktuell am Puls der Zeit. Die Brille brennt noch!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
In den 80er Jahren galten Neil Tennant und Chris Low (die Pet Shop Boys) als Hitgaranten für die Ewigkeit. Was sie anpackten wurde zu Gold, oder Platin, whatever. Wir haben getanzt zu „West End Girls“, „Suburbia“, „It’s A Sin“, „Go West“ – und glücklicherweise funktionierte das auch für Tanzlegastheniker wie mich.
Im Anschluss blieben die Chartbreaker aus. Man verlegte sich mehr auf Kollaborationen, das Produzieren anderer Künstler, die Verwirklichung ganz neuer Projekte. Wer genug Geld gemacht hat, kann sich so manche Freiheit erlauben. Dass Neil Tennant und Chris Lowe dabei mit vielen Heroen der Musikszene zusammengearbeitet haben (Kylie Minogue, Robbie Williams, Tina Turner) und ihnen oft zu Zeiten eines Karriereknicks wieder den nötigen Kick versetzten, muss gar nicht gesondert erwähnt werden.
Inzwischen jagt wieder ein eigener Longplayer den nächsten. Und „Hotspot“ ist bereits das vierzehnte Studioalbum des kongenialen Duos. Das Album wurde hauptsächlich in Berlin und Los Angeles geschrieben und aufgenommen. Es enthält zehn brandneue Tennant & Lowe -Tracks, darunter die bereits veröffentlichte Single „Dreamland“ mit Years & Years und den neuen Track „Burning The Heather“ mit Bernard Butler an der Gitarre.
Produziert und gemischt wurde das Album von Stuart Price und es ist der dritte Teil der von Price produzierten Trilogie, die 2013 mit „Electric“ startete und deren zweiter Teil „Super“ 2016 erschien.
Die Pet Shop Boys sagen zu ihrem neuen Album: „Wir haben viel von unserer Musik in den letzten zehn Jahren in Berlin geschrieben und es war eine aufregende Erfahrung, an diesem Album in den legendären Hansa-Studios zu arbeiten und unserem Sound eine neue Dimension hinzuzufügen.“
Der hymnische Opener „Will-O-The-Wisp“, ein durchdringendes „Happy People“, die Melancholie von „Hoping For A Miracle“, das mit akustischer Gitarre versehene „Burning The Heather“ und schließlich diese geniale Hochzeitsnummer „Wedding In Berlin“, ganz stilecht mit Kirchenglocken und Felix Mendelssohn Bartholdys Hochzeitsmarsch versehen, aber so clubtauglich, als würde die Hochzeit im Berghain stattfinden.
Auch wenn die Pet Shop Boys nicht mehr im Mittelpunkt der Clubszene stehen – man kann sagen, dass sie immer noch ein Hotspot sind. Auf Tour werden sie mal wieder zeigen, dass sie trotz aller Elektronik Wert auf handgemachte Musik legen.
„Uthlande“ ist ein alter Begriff für die Inseln, Halligen und Marschen vor dem nordfriesischen Festland. Die Band stammt ursprünglich aus Husum, also ganz aus der Nähe dieser „Außenlande“, und stellt damit ihre Heimatverbundenheit unter Beweis. Die Songs erzählen zwar keineswegs von Weite und Einsamkeit, doch man spürt, dass sie von Herzen kommen.
Turbostaat sind ein Role Model für eine ganze Generation von deutschsprachigen Post-Punk-Bands. Wer die Entwicklung der Band in den letzten 21 Jahren verfolgt hat, wird sagen, dass sie sich gleich im Beginn einen sehr soliden eigenen musikalischen Rahmen und Stil aufgebaut hat, der über die einzelnen Platten hinweg immer wieder etwas justiert und gut dosiert weiterentwickelt wurde. Im vergangenen Jahr erschien das Livealbum „Nachtbrot“ – und es ist eine Offenbarung, wie die Band es schaffte, das Livefeeling ihrer Konzerte (ich erinnere mich noch gerne an das „Angst macht keinen Lärm“ Open Air in Trier) auf einen Silberling zu pressen.
Dieses Gefühl spiegelt sich auch auf „Uthlande“ wider. Es geht um um die Landschaft des Nordens, aber auch um die Region für die Orte, an denen sich das soziale Wetter zusammenbraut. Und so hört sich „Uthlande“ an. Nach einer Insel, die verteidigt wird. Nach einer ganzen Inselgruppe. Ruppig und ungewöhnlich hart erklingen die neuen Songs – so wie das Leben an der Küste, die auf dem Albumcover noch recht friedlich daherkommt.
Die Gegend und die Menschen werden mit starken Worten beschrieben: „Rattenlinie Nord“ bezeichnet die Fluchtroute der Nazis Richtung Norden. Turbostaat sprechen vom Einzug neuer Henker, wo jetzt die alten Nazis sterben. „Stine“ beschreibt das Leben einer alten Bäuerin, eines nordfriesischen Originals. „Hemmingstedt“ beschreibt die Industrialisierung der Heimat durch eine Erdölraffinierie in deutlichen, herausgebrüllten Worten. Als Konzeptalbum mit dunklen Bilder und starken Emotionen beschreibt „Uthlande“ bildgewaltig die Welt des hohen Nordens – bis hin zum melancholischen „Stormi“ mit eingebautem Kinderchor.
Aufgenommen wurde dieses Selbstbild aus Frustration und emotionalen Ausbrüchen wie auch schon „Abalonia“ vom Turbostaat-Stammproduzent Moses Schneider im Berliner Hansa Studio. Pult-Legende Peter Schmidt mit Alex Sitnikov mischten. Wer die Vinyl-Ausgabe ordert, bekommt die CD gleich mitgeliefert. Feiner Zug!
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Im August 2018 erschien mit „High Water I“ das Studiodebüt von The Magpie Salute. Es klang wie ein Treffen alter Freunde. The Magpie Salute erzählt die Geschichte einer Legende weiter, die ihren musikalischen Anfang mit Rich Robinson, Gitarrist Marc Ford und Bassist Sven Pipien bei den Black Crowes nahm. Mit Sänger John Hogg arbeitete Robinson bereits bei seinem Nebenprojekt Hookah Brown zusammen und die übrigen beiden Bandmitglieder, Keyboarder Matt Slocum und Schlagzeuger Joe Magistro, unterstützen ihn seit Jahren bei seinen Soloalben und auf Tour. „High Water I“ wurde von Fans wie Kritikern gleichermaßen abgefeiert. Es folgten Konzerte in den USA, in Japan und Europa, darunter auch eine Show im Kölner Club Volta (hier findet ihr unseren Bericht). Nun erscheint der mit Spannung erwartete Nachfolger – passenderweise „High Water II“ betitelt.
Die Band selbst hat die Messlatte mit dem ersten Teil extrem hoch gelegt und so ist es keine Schande, dass Teil 2 dessen Qualität nicht ganz erreicht. Dabei wurde ein Großteil von „High Water II“ (genauer gesagt neun von zwölf Songs) schon während der Aufnahmen zu „High Water I“ geschrieben. Aufgenommen und abgemischt hat es Sean Genockey, der schon mit Schwergewichten wie The Who, Suede oder den Manic Street Preachers zusammen gearbeitet hat. The Magpie Salute bietet den Musikern fast unbegrenzte Entfaltungsmöglichkeiten und die musikalische Bühne, um in eine Vielzahl von Texturen und Emotionen einzutauchen. Das hört man selbstverständlich auch auf „High Water II“. Dennoch fehlt dem Album irgendwie die Lockerheit und entspannte Souveränität des Vorgängers.
Der Opener „Sooner Or Later“ (ebenso wie sechs andere Songs aus der Feder von Hogg und Robinson) knüpft noch da an, wo „High Water I“ aufgehört hat. Eine galoppierende Rocknummer mit einem hymnischen Refrain. Auch das groovende „Gimme Something“ besticht durch feinsten Southern Rock in bester Black Crowes-Tradition. So weit, so herrlich. Dann allerdings muss man die Rosinen im Kuchen schon langsam suchen. Um im Bild zu bleiben: Alles in allem ist das natürlich kein Kuchen, der missraten ist. Andere Bands würden sich freuen, wenn sie ein solches Exemplar aus dem Ofen holen könnten. Ein bißchen mehr Esprit hätte ihm trotzdem nicht geschadet. So klingen die folgenden zehn Songs bis auf ein paar Ausnahmen seltsam uninspiriert.
Die Ausnahmen beginnen mit „Mother Storm“, das mit tollen Soli und üppigen Keyboards im Americana Sound aus den Boxen weht. Das elektrifizierende und lyrisch von Bob Dylan und David Bowie beeinflusste „Turn It Around“ steht dem in nichts nach. Auch der mit einem grossen Mitsingpotential und einer Bläsersektion ausgestattete Roots Rocker „In Here“ darf sich einreihen. Das beste Stück des Albums haben sich The Magpie Salute allerdings fast bis zum Schluss aufgehoben. Es heißt „Doesn’t Really Matter“ und ist ein Song, der alles vereint, was diese Band ausmacht: Funk, Blues und psychedelischen Rock gewürzt mit einem Hauch von Melancholie. Kleine Notiz am Rande: Zum countrylastigen „Lost Boy“ hat die wundervolle Alison Krauss Background-Gesang und Geige beigesteuert.
Handwerklich sind die sechs Musikanten über jeden Zweifel erhaben, nur beim Songwriting haben The Magpie Salute für meinen Geschmack etwas zu sehr auf die Karte „Sicherheit“ gesetzt. Vielleicht braucht „High Water II“ aber auch nur ein paar Hördurchgänge mehr als noch „High Water I“, um zu zünden. Sicher ist: Wer die erste Platte mochte, der wird hier nicht unglücklich werden. Oder wie Rich Robinson es ausdrückt: „Beide Alben sind Teil einer gemeinsamen Reise. Ich habe die Reihenfolge speziell für jede Platte gewählt. Ich wollte, dass wir uns mit „High Water l“ der Welt vorstellen. Mit „High Water ll“ wollte ich etwas tiefer gehen und Menschen an Orte führen, die sie vielleicht nicht erwartet haben.“ Das Album erscheint in limitierter Auflage als 180g 2LP Brown Vinyl, 2LP 180g Black Vinyl, CD und digital. Ihr habt die Wahl.
Beth Hart ist inzwischen 47 Jahre alt und genießt die Sonnenseite des Lebens. Der große Erfolg des 2016 erschienenen Albums „Fire On The Floor“ hallte über Jahre nach: sie erhielt hervorragende Kritiken, verkaufte viele Einheiten und die Karten ihrer Konzerte in ehrwürdige Locations wie dem Ryman Auditorium sowie der Royal Albert Hall (von letzterem erschien vergangenes Jahr die triumphale Live-DVD) waren in kurzer Zeit vergriffen.
Damit hat die Rockröhre aus Los Angeles endgültig gezeigt, dass sie auch erfolgreich sein kann, ohne am Rockzipfel von Joe Bonamassa zu hängen. Sie ist einfach eine begnadete Sängerin und kann dies vor allem mit ihren Livemitschnitten immer wieder beweisen.
Das neue Album ist etwas ruhiger gehalten, dadurch aber nicht wirklich schwächer. „Bad Woman Blues“ haut als Opener richtig rein. Erst danach wird es ziemlich balladenlastig. Den Grund gibt sie selbst mit: „Die Dinge wurden gut, dann schlecht, besser und wieder schlechter. Auf ‚War In My Mind‘ widme ich mich vielen dieser Themen. Ich habe auf jedem Album, das ich bisher gemacht habe, die Wahrheit gesucht. Diesmal bin ich der Offenheit und Verletzlichkeit meines Lebens noch ein Stückchen nähergekommen: der Liebe, meiner Sucht, meiner bipolaren Störung, meinem Vater, meiner Schwester…“ Diese Offenheit – vor allem was Familie und Krankheit angeht – schlägt sich in den Lyrics nieder und ist äußerst beeindruckend.
Die Songs erzählen schonungslos ehrlich von den Höhen und Tiefen der letzten Jahrzehnte: von Beths Kindheit in den 70er Jahren in Los Angeles, in der sich bereits ihr musikalisches Talent und ihr unsteter Geist offenbarte. Von ihrer chaotischen Erziehung bis zum Verlust ihrer geliebten Schwester Sharon. Von ihren persönlichen Problemen und dem Leben, das ihr entglitt, als ihr in den 90er Jahren ihr Durchbruch mit einem Majorlabel bevorstand. Von der Zusammenarbeit mit Bluesrock-Maestro Joe Bonamassa bis zur Erlösung durch ihren Ehemann Scott und die Wiedergeburt, die sie durch die Kirche erfahren hatte.
Das Album wirkt als Ganzes und ist sehr homogen gehalten. Eine Frau, die den Blues hat und das zum Ausdruck bringen kann. Die verletzliche Seite von Beth Hart ist auch ihre schöne Seite. Den Kampf im Kopf hat sie definitiv gewonnen – und den Kampf um die Herzen ihrer Hörer wird sie ebenfalls gewinnen.
In 2020 wird es einige Deutschlandtermine geben. Mit diesem Album im Rücken, wird es ein Rock- und Bluesfest in den Arenen.
Flying Colors sind eine der Supergroups schlechthin. Gitarrist Steve Morse (Deep Purple, Dixie Dregs, Ex-Kansas), Schlagzeuger Mike Portnoy (Winery Dogs, Ex-Dream Theater, Transatlantic), Keyboarder Neal Morse (Transatlantic, Ex-Spock’s Beard), Bassist Dave LaRue (Dixie Dregs, Ex-Joe Satriani) und Sänger/Songwriter Casey McPherson (Alpha Rev, The Sea Within) haben ihre verschiedenen Talente erneut zu einem großen Ganzen verschmolzen.
Es ist auch nicht schwer, ihre Alben in eine Reihenfolge zu bringen. Das Debüt war selbstbetitelt, Nummer zwei hieß „Second Nature“, Nummer drei trägt den Namen „Third Degree“ und die 3 auch symbolhaft auf dem Cover. Nachdem Nummer 1 und 2 noch recht schnell aufeinander folgten, musste die Prog-Gemeinde ganze fünf Jahre auf das dritte Werk warten. Kein Wunder, wenn man sich obige Bandliste der Protagonisten nochmal anschaut. Ein Wunder, dass sie überhaupt gemeinsame Zeit gefunden haben.
Anscheinend hat man aber ziemlich schnell wieder als Band zusammengefunden, denn das Album klingt wie aus einem Guss und verbreitet den gewohnten progressiven Esprit. Die unterschiedlichsten Einflüsse von Hardrock bis Folk vereinen sich hier zu dem gewohnten Konglomerat. Mike Portnoy hat die rhythmischen Fäden in der Hand und das Keyboard wirbelt, was das Zeug hält. Da geht Fans von Dream Theater und Spock’s Beard doch gleich das Herz auf. Die vertrackten Arrangements verleiten zum genauen Zuhören – und das ist es doch, was Progger wollen.
Casey McPherson macht einen fantastischen Job. Das muss man noch mal extra betonen, wo mit Neal ein weiterer Vokalist der Extraklasse an den Keys sitzt. Vor allem die Longtracks „Last Train Home“ und „Crawl“ stehen im Mittelpunkt des Albums – doch auch alle anderen Tracks schwelgen in akustischen Gitarren, sphärischen Elegien oder rhythmischen Finessen. Wer das live genießen will, sei auf den 12. Dezember verwiesen – dann gastieren die Progheroen in der Kölner Essigfabrik.
Ob John Watts solo unterwegs ist oder als Band mit den alten Mitstreitern von Fischer-Z: Er ist auch nach 42 Jahren immer noch für eine Überraschung gut! Während das letzte Werk „Building Bridges“ sehr rockig angelegt war, wird Watts in „Swimming In Thunderstorms“ wieder zum altbekannten Geschichtenerzähler. Er greift aktuelle gesellschaftliche Themen auf und steckt sie in ein spannendes, bisweilen fantastisches musikalisches Gewand.
John bleibt so profiliert, politisch, belesen und trotzig wie immer. „Ich denke Leben ist Bewegung. Ich möchte einfach immer in Bewegung sein und weiter wachsen. Am Ende bist Du immer nur so gut wie dein letztes Projekt. Das ist was mich antreibt“.
Im Opener „Big Wide World“ geht es um einen Veteranen, der zum Säufer geworden ist und sich seine Jugend zurück wünscht. Der melodische Rock und die Poesie, die in dem Song stecken, machen ihn zum musikalischen Gegenpol der traurigen Geschichte. Das funktioniert auch bei „Stamp It Out“, das die Geschichte um Fake News und deren Verbreitung mit einlullenden Pianoklängen unterlegt. „The Islamic American“ beschäftigt sich mit der Flüchtlingsthematik und klingt viel optimistischer, als das Thema vermuten lässt.
Wie in alten Zeiten verbinden Fischer-Z Elemente von Folk, Punk und New Wave zu einem schönen Gesamtbild. Auch weltmusikalische Elemente sind (wenn auch reduziert) weiterhin vorhanden, beispielsweise in „Stolen“ und „Prime“.
John Watts wird in Kürze 65 Jahre alt. Seine charismatische Stimme hat nicht an Ausdruckskraft verloren. Er kann energisch nach vorne preschen und sich dezent zurücknehmen. „Swimming In Thunderstorms“ ist ein weiteres sehr abwechslungsreiches Album und begeistert mich durch die Bank.
Vor 25 Jahren gelang der bermudischen Sängerin Heather Nova mit dem Album „Oyster“ der erste Vorstoß in die Charts. Seitdem hat sie sich längst als Songwriterin und Musikerin etabliert und vor allem in Europa eine treue Fangemeinde aufgebaut. Dass ihr aktuelles Album „Pearl“ zum 25-jährigen Jubiläum von „Oyster“ erscheint, war laut Heather Nova selbst gar nicht bewusst geplant, ebenso wenig wie die Tatsache, dass sie „Pearl“ erneut mit ihrem damaligen Produzenten Youth aufgenommen hat. Im Ergebnis sind nun aber 11 kraftvolle Songs entstanden, die den Bogen vom Heathers ursprünglichem Indie-Rock zu einem modernen und gleichzeitig zeitlosen Sound schlagen.
Wie immer spiegeln Heathers Texte ihre eigenen Erlebnisse und Empfindungen wieder. So verarbeitet sie auf „Pearl“ unter anderem ihre Scheidung mit dem leicht melancholischen, aber doch energischen „The Wounds We Bled“, genießt aber auch ihre neue Unabhängigkeit in dem ruhig fließenden „Rewild Me“. Und schließlich findet auch das aufregende Gefühl, sich neu zu verlieben, seinen Platz in dem beinahe atemlosen „All The Rivers“ und der wunderbaren Akustik-Ballade „After All This Time“.
Druckvolle Gitarren und rhythmisches Cello prägen den sehr emotionalen Song „Some Things Just Come Undone“, in dem Heather ihrem Sohn die Trennung seiner Eltern erklären muss, und in dem sich die Verzweiflung von Mutter und Sohn deutlich hören lässt. Dem gegenüber stehen dann die versöhnlichen Harmonien von „Over The Fields“, mit dem Heather Nova dem Mann vergibt, der sie vor Jahren missbrauchte. Damit ist dann auch wieder ein Bogen zu Oyster geschlagen, denn mit dem auf diesem Album veröffentlichten Song „Island“ verarbeitete sie damals den Missbrauch.
Insgesamt dominieren auf „Pearl“ aber Hoffnung und Lebensfreude, die sich im rockigen „Just Kids“ genauso zeigt wie im verspielten“ Don´t Worry What The Experts Say“. Das Album endet schließlich mit dem wunderschönen, ganz von melodischen Gitarren und ruhigem Cello getragenen „Your Words“ über die heilende Kraft von liebvollen Worten.
Ohne die Qualität von Heathers anderen Alben bezweifeln zu wollen – hier ist nach 25 Jahren in der Auster wahrlich ein Perle gereift, und so ist der Titel des neuen Albums sehr treffend und gewiss nicht zufällig gewählt.
Spätestens seit dem Ende der Wise Guys sind Maybebop unbestritten die Nummer 1 in der deutschen A-cappella-Szene. Eigentlich waren sie es schon vorher, doch den Bekanntheitsgrad der Band aus Köln haben die Hannoveraner nie ganz erreicht. Und das zu Unrecht, denn seit Bandgründung im Jahr 1992 (damals noch unter anderem Namen) gibt es im Schnitt alle zwei Jahre ein hervorragendes neues Album mit deutschsprachigen Titeln. Oliver Gies, Hauptsongwriter und Arrangeur, hat einfach ein Händchen für spannende Themen, witzige Ideen und einen vokalen Wohlklang. Kein Wunder, dass er auch als Arrangeur in der Chorszene sehr gefragt ist und mittlerweile zu den meistgesungenen Arrangeuren verschiedenster Stilrichtungen zählt.
Das neue Maybebop-Album heißt „Ziel:Los!“. Dabei kommt es keineswegs orientierungslos daher (wie man anhand des Albumtitels denken könnte), sondern es ist ein sehr aktuelles und in weiten Teilen gesellschaftskritisches Werk. Damit wird klar, dass das Quartett vor allem ein Wortspiel betreibt: Los Richtung Ziel. So muss man den Titel übersetzen.
Den Anfang macht die aktuelle Single, die sich mit deutlichen Worten gehen rechtspopulistische Strömungen in der Gesellschaft richtet. Dabei geht es weniger darum, was die AFD falsch macht, sondern darum, was die Gesellschaft entgegensetzen soll: Wir müssen „#lautsein“. Ein energisches Statement, das (bisweilen auch mit ruhigen Tönen) sehr kraftvoll vorgetragen wird.
Maybebop bieten eine Reise durch die Welt des Gesangs. Dabei dürfen sie gerne mal nach den Comedian Harmonists klingen wie in „Die Klavierlehrerin“. Und das direkt nach dem elektronisch anmutenden „Algorhythmus“, das trotz seines Computersounds ebenso wie alle anderen Titel ganz ohne Instrumente auskommt.
Viele Stücke gewinnen, wenn man sie erst einmal live erleben durfte. So ging es mir mit fast allen Tracks der CD und „Raggamuffin“ ist ein perfektes Beispiel. Schon in der Studioversion funktioniert der mitreißende Reggae um den selbstgemachten Beitrag zum Partybuffet sehr gut, doch erst auf der Konzertbühne entfalten solche Songs ihre ganze Stärke. Wer da am Ende nicht begeistert mitmacht, dem ist nicht zu helfen.
„In deiner Tür“ beschäftigt sich in harmonischer Melancholie mit dem Größerwerden der Kinder. Ein wundervoll trauriger Song für alle Eltern. „Kein schöner Land“ macht aus dem bekannten Volkslied ein weltmusikalisches Pendant, indem es ihn gekonnt mit afrikanischen Rhythmen mischt. Und „Sejeln jehn“ wird von Lukas Teske so gekonnt auf Berlinerisch vorgetragen, das man nur staunen kann.
15 Songs voller Ideen bekommt man geboten. Langweilig wird es dabei nicht mal in „Bhaarbershop“, der vor allem aus einer Aufzählung von markanten Friseurläden besteht. Das schaffen Maybebop in feiner Barbershop-Manier. Und vielleicht ist es auch deswegen mein Lieblingslied, weil meine A-cappella-Formation Chorschatten in der Aufzählung kurioser Chornamen mit vertreten ist.
Es gab einige Hürden zu diesem Album zu überwinden, pausiert doch Bassist Sebastian Schröder krankheitsbedingt seit über einem Jahr, was zu Verzögerungen bei der Produktion führte. Ersatzmann Christoph Hiller macht jedenfalls einen klasse Job und „Ziel:Los!“ ist eines der besten Maybebop-Alben geworden. Intelligente Texte, schöne Melodien – alles schön harmonisch aufeinander abgestimmt und klanglich perfekt produziert. Maybebop setzen sich an die Spitze des Genres und beeindrucken einmal mehr.
Jade Bird ist derzeit eines der begehrtesten, neuen UK-Talente. Mit ihrem leidenschaftlich authentischen und furchtlos rohen Sound bringt sie frischen Wind in die musikalische Landschaft. Schon beim ersten Hören mag man kaum glauben, dass Jade Bird erst 21 Jahre alt ist.
Musikalisch bewegt sich die junge Künstlerin gekonnt zwischen Country und Pop. Während der Opener „Ruins“ noch sehr dem Countryfolk verhaftet ist, gibt es später wunderschöne Balladen wie „17“ oder den abschließenden Pianosong „If I Die“. Ihre Stimme schwankt zwischen energischer Stärke und sanfter Zerbrechlichkeit. Da sind das dynamische „Lottery“ und die rasante Erzählfreude von „I Get No Joy“. Sie singt von Scheidung, Desillusion, Betrug und Trauer – ohne in Melancholie zu verfallen. Bei Titeln wie „Side Effect“ oder „Going Gone“ gibt es die inspirierende Furchtlosigkeit in Jades Stimme, mit der sie alle Zuhörer überzeugt und einlädt, Kummer und Schmerz zu überwinden.
Über zwölf großartige Songs hinweg ist Jade Bird ein selbstbewusstes, starkes Album gelungen, das seine Zuhörer gleichermaßen herausfordert und belohnt. Es ist der Sound einer jungen Frau in vollkommener Kontrolle über ihre Musik und ihre Songs, die Geschichten und Beobachtungen teilt.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Neil Tennant und Chris Lowe waren und sind eine Legende! Es hat lange gedauert, bis sie nach unzähligen Nummer-1-Hits den Sprung auf die große Showbühne wagten. Doch seit sie Ende der 80er Jahre Blut geleckt haben, sind sie mit ihren großartigen Showkonzepten Dauergäste in den Arenen der Welt und auf diversen Festivals. Trotzdem ist das Londoner Royal Opera House schon eine besondere Location – auch für die erfolgsverwöhnten Briten.
Die spektakuläre Inszenierung des legendären Duos wurde 2016 erstmals in vier ausverkauften Shows im Royal Opera House präsentiert und Ende Juli 2018 im Rahmen ihrer „Super“-Tour für weitere vier Abende erneut gespielt. „Inner Sanctum“ wurde vom langjährigen PSB-Designer Es Devlin und der Choreografin/Regisseurin Lynne Page inszeniert. Aus dieser Serie stammt der vorliegende Mitschnitt. Ohne große Worte und ausschweifende Ansagen liefert das Duo ein Konzert in der Art eines ultralangen Rave. Anfangs tragen sie noch metallische Masken, später darf man auch die Gesichter sehen. Die junge Begleitband übernimmt PC, Keyboards und Schlagwerk. Hinzu kommen futuristische Tänzer, die das Geschehen ordentlich aufpeppen.
Laser, schillernde Choreografie, faszinierende Visuals und Bühnenbilder sorgen für eine elektrisierende Show in der reich dekorierten Umgebung des Opera House. Bei Kameraschwenks ins Publikum kann man in glückliche Gesichter und eine ewig schwofende Masse sehen. Die Setlist enthält zeitgenössisches PSB-Material der letzten beiden Alben „Super“ und „Electric“, gemischt mit vielen klassischen Hits aus ihrem unvergleichlichen Back-Katalog, darunter „Love comes quickly“, „West End girls“, „It’s a sin“, „Go West“ und „Always on my mind“.
Dabei verzichten die beiden allerdings auf gesetzte Hits wie „Suburbia“. Der Schwerpunkt liegt auf den Alben aus 2013 und 2016. Das sollen ihnen andere Heroen der Disco-Zeit erst einmal nachmachen. Von Dancefloor über moderne Clubmusik bis hin zu chilligen Trance-Klängen ist alles vertreten. Auch wenn sich beide aufs Rentenalter zubewegen, sind Musik und Performance immer noch eine Bank.
Brenley MacEachern und Lisa MacIsaac gehören, was Konzerte und Tourneen anbelangt, mit Sicherheit zu den fleißigsten Künstlerinnen weltweit, da sie fast ununterbrochen on the road sind und circa 200 Konzerte pro Jahr spielen. Eine Reihe von Preisen konnten sie einheimsen: den John Lennon Songwriting Contest, den Galaxie Rising Star Award und den Canadian Folk Music Award.
Musikalisch folgten die weiblichen Stimmen zunächst großen männlichen Vorbildern wie Simon & Garfunkel, den Everly Brothers oder auch den Fleet Foxes. Schöne Melodielinien, akustisch und oft zweistimmig vorgetragen. Solche Harmonien betörten Folkfreunde weltweit. Und ein leichter Country-Einschlag gehört bei den Musikerinnen aus Toronto, Kanada, zum guten Ton.
Bei den beiden hat sich im Lauf der Jahrzehnte (die erste EP erschien 2002) alles zum Guten verändert und sie haben sich als feste Größe in der Folkszene etabliert. Nach einigen Jahren des Experimentierens kehren sie nun zu den Wurzeln zurück und bieten zur Freude der Fans wieder gewohnt beeindruckende Gesangsharmonien, gediegene Gitarrenklänge, betörende Melodien und authentisch-aufwühlende Songtexte.
Songs wie „Time To Right The Wrong“ sind wundervoll melancholisch und gehen zu Herzen. Ansonsten gibt es viele Nashville-Anleihen aber auch große Popmelodien. Und immer wenn die Gesangslinien in eine Zweistimmigkeit führen, wird es absolut heimelig. Wunderschön!
Dass Skunk Anansie zu den besten Liveacts des Planeten gehören, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Die Energie, die Frontfrau Deborah Anne Dyer auf die Bühne bringt, kann man unmöglich in einem Livealbum einfangen – aber man kann es zumindest versuchen.
Anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums veröffentlichte die Band ein Zeitdokument mit 25 wegweisenden Songs aus ihrer langen Karriere. Das Album bringt allerdings kein geschlossenes Konzerterlebnis mit sich, sondern es enthält alte und neue Liveaufnahmen, die der langjährige Wegbegleiter der Band, Jeremy Wheatly, zu einem neuen, einzigartigen Konzerterlebnis zusammengefügt hat.
„25LIVE@25“ enthält Songs von allen sechs Studioalbum, darunter die relevanten Single-Veröffentlichungen der britischen Band. Damit ist es nicht nur Werkschau einer unvergleichlichen Karriere, sondern zeigt auch die Wichtigkeit Skunk Anansies als musikalische und kulturelle Kraft. „Als schwarze Sängerin war es auf vielen Ebenen schwer, anerkannt zu werden.“, sagt Dyer rückblickend. „Wenn ich jedoch auf der Bühne stand, tat ich exakt das, was ich mir in meinen Träumen vorgestellt hatte. Zum ersten Mal fühlte ich mich in meinem Leben voll und ganz akzeptiert.“
Es wurde Zeit, dass es nach dem akustischen Mitschnitt aus 2013 endlich auch einen lauten und rockenden Nachweis der Qualitäten gibt. Im Juli geht es auf große Europatour mit fünf Konzerten in Deutschland. Da darf sich jeder davon überzeugen, wie charismatisch die Band auftritt und wie sie das Publikum im Griff hat.
Skunk Anansie „25LIVE@25“-Tour
01/07/19 Luxembourg, Rockhal (LU)
04/07/19 Nichelino, Stupinigi Sonic Park (IT)
05/07/19 Bologna, Bologna Sonic Park (IT)
07/07/19 Legnano, Rugby Sound (IT)
08/07/19 Rom, Auditorium Parco Della Musica (IT)
15/07/19 Wiesbaden, Schlachthof (DE)
17/07/19 Paris, La Cigale (FR)
20/07/19 Cologne, E-Werk (DE)
21/07/19 Berlin, Columbiahalle (DE)
23/07/19 Dresden, Junge Garde (DE)
24/07/19 München, Tonhalle (DE)
25/07/19 Prag, Lucerna Music Bar (CZ)
27/07/19 Zagreb, SRC Salata (HR)
28/07/19 Wien, Arena Great Hall (AT)
29/07/19 Ljubljana, Kino Siska (SI)
31/07/19 Budapest, Barba Negra Track (HU)
Die Songwriterin und Sängerin Gemma Ray ist im britischen Essex aufgewachsen, lebt aber inzwischen in Berlin und ist seit über 15 Jahren als Solokünstlerin unterwegs. Sie schafft dabei einen Sound, der sich nicht in die gängigen Schubladen einsortieren lässt und sich zudem mit jedem Album neu entwickelt. Ihr aktuell erschienener, komplett selbstproduzierter achter Longplayer „Psychogeology“ ist nun ein besonders persönliches und ambitioniertes Projekt.
Der Titel verspricht nicht zu viel: Gemma Ray erschafft auf „Psychogeology“ ganz eigene Klanglandschaften, in denen sie ihr Innerstes zum Ausdruck bringt. Und gleichzeitig geht es in einigen Texten tatsächlich um Landschaften und um ihren Einfluss auf die darin lebenden oder auch nur durch sie hindurch reisenden Menschen. So erinnert sich Gemma im von ruhigen akustischen Gitarren getragenen „In Colour“ an ihre verstorbene Großmutter und sieht ihr Gesicht in den sie umgebenden Naturschönheiten, während sie quer durch Amerika reist. Und im melancholisch düsteren „Roll On River“ wird ein Fluss zum Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens, wobei am Ende doch Hoffnung auf etwas Ewiges aufscheint.
Alle Songs des Album sind sorgfältig und anspruchsvoll arrangiert und erzeugen eine eindrückliche Atmosphäre. Gemma tiefe warme Stimme wird fast immer von Harmoniegesang, manchmal von ganzen Chören unterstützt, und auch instrumental schöpft die Musikerin aus dem Vollen und webt einen wunderbar tragenden Klangteppich. Die Grundstimmung ist meist eher düster und schwermütig, aber in Titeln wie „Blossom Crawls“ oder „Dreaming Is Easy“ entfalten sich doch zwischendurch hoffnungsvolle Partien in Dur. Mit „Flood Pains“ und „Death Tapes“ verarbeitete Gemma schmerzhafte Erfahrungen und Erkenntnisse, und mit dem Titelsong „Psychogeology“ breitet sie in verträumter Schönheit die Landschaften ihrer Seele vor uns aus. Voll sehnsuchtsvoller Hoffnung endet das Album schließlich mit dem atmosphärischen „Summer Comes“.
Gemma Ray selbst sagt, dass sie ihre Musik weniger für das Publikum als für sich schreibt. Dennoch teilt sie die zwar nicht einfachen, aber oft wunderschönen Ergebnisse ihrer musikalischen Selbstreflektion mit der Welt – und wer sich auf ihre Musik einlassen kann, den wird sie mit Sicherheit berühren.
William Wahl war von Beginn an die treibende musikalische Kraft innerhalb der bekannten A-cappella-Gruppe BASTA aus Köln. Es sind vor allem seine Ideen und die skurrile Umsetzung von Alltagsthemen, die jedes Album des Quintetts zum Genuss machen. BASTA stehen zurecht im Genre Gesang & Comedy ganz weit vorne.
Allein mit stimmlicher Kraft – will heißen: ohne Instrumente – ist William bereits seit seiner Schulzeit unterwegs. Darüber hinaus glänzt er aber auch als Klavierkabarettist. Die Show heißt passenderweise „Wahlgesänge“ und erscheint jetzt erstmals live auf CD.
Den Anfang macht ein echter Show-Starter, mit dem William das ewige Musical-Einerlei gekonnt auf die Schippe nimmt. Mit „In flagranti“ besingt er eine Stadt, von der jeder schon mal gehört hat. Damit sind die Eckpfeiler gesetzt: Wortwitz und musikalische Klasse.
Das Liveprogramm bietet sehr gekonnte Ansagen zu den Stücken. Das sind Fans von BASTA schon lange gewohnt – und William kann die Leichtfüßigkeit und sein sarkastisches Herz auch locker aufs Soloprogramm übertragen. So erklärt er flüssig den Unterschied zwischen Songwriter, Liedermacher und Chansonnier, bevor er mit „Pfad der Misere“ ein echtes Highlight raushaut und die Inflation an Junggesellinnenabschieden auf die Schippe nimmt.
Doch es geht auch melancholisch und durchaus ernst: William macht sich Gedanken über Tod und Sterben. Dazu passend intoniert er die Ballade „Runter zum Fluss“. „Timbuktu“ und „Meine liebsten Lieder“ zeigen ihn als virtuosen atmosphärischen Liedermacher.
Mit „Zirkus“ wird es düster-schaurig. Das sollte man kleine Kinder nicht unbedingt hören lassen, wenn der nächste Besuch im Zirkus nicht zur Horrorshow werden soll. Witzig hingegen klingt die Vertonung der „neuen Abenteuer von Tarzan“, in der auch Mogli, Cheeta und das Dschungelcamp entscheidende Rollen spielen. Und man kann etwas lernen, z.B. Grundwissen über die Tongeschlechter Dur und Moll, das William hier mit virtuosen Klangbeispielen vermittelt.
Der Humor zwischen Feinsinn und Standpauke kommt hervorragend rüber. Auch BASTA-Fans werden manche Lieder in neuem Arrangement wiedererkennen. Ich durfte kürzlich ein Konzert in kleinem Rahmen in Herne erleben. Kleinkunst eben. Doch William Wahl beherrscht genauso die größeren Comedy-Bühnen. Dieser Mitschnitt aus dem Kölner Senftöpfchen zeigt jedenfalls, dass er sein Publikum auf eine wundervolle Reise mitnimmt, die auch im CD-Format bestens funktioniert. Meine absolute Empfehlung!
Der Hit „Save Tonight“ verschaffte ihm 1997 eine Dauerrotation in europäischen und US-amerikanischen Radiosendern. Und danach wurde es ruhig um den inzwischen 50jährigen Songwriter aus Stockholm. Die weiteren Alben, die er veröffentlichte, wurden kleine Erfolge im Heimatland Schweden, fanden aber kaum noch chartrelevante Beachtung – was Eagle-Eye Cherry in den Ohren vieler zum One-Hit-Wonder werden ließ. Das Los vieler Stars, die wie eine Wunderkerze aufleuchten, dann aber schnell verglühen.
Zu Unrecht, wenn ich mir jetzt das fünfte Studioalbum „Streets Of You“ anhöre, das Eagle-Eye nach sechs Jahren Pause aufgenommen hat. Der Sohn eines Jazztrompeters und einer Malerin – Halbbruder von Neneh Cherry („7 Seconds“) – hat seine musikalische Ader mal wieder in 13 fantastische Songs gefasst, die ganz der folkigen Straßenmusik-Schule entsprechen. „Streets Of You“ ist ein wundervolles, akustisches Album mit vielen Highlights. Große melodisch angelegte Balladen finden sich dort, meist von Gitarre begleitet.
Auslösender Schritt, es noch einmal zu probieren, war ein Aufenthalt in Nashville: „Ich war begierig danach, mit anderen Songwritern zusammen zu arbeiten. Zunächst probierte ich es in Los Angeles, doch die Stadt und ich haben einfach nicht harmoniert. Nashville hingegen habe ich von Anfang an geliebt. Die Einstellung der Leute dort ist fantastisch und die Musik fließt regelrecht durch die Adern dieser Stadt. Egal wohin man geht, überall ist Musik zu hören und jeder applaudiert Dir. Das hat mir die Lust am Spielen zurückgebracht, es war ein regelrechter Aha-Effekt.“
Das Ergebnis ist fröhliche Straßenmusik mit Folk-Touch, die einfach Spaß macht und sofort ins Ohr geht. Ich hoffe, dass wir den Künstler jetzt nicht mehr so schnell aus den Augen verlieren. Das Album ist klasse – meine Empfehlung.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Es ist die Königsdisziplin für jeden ernstzunehmenden Künstler: Ein Auftritt in der altehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall. Vermutlich stand auch Beth Hart recht ehrfürchtig auf dieser Bühne vor sitzendem Publikum. Doch ihre Stimme war fest und klar, als sie ganz allein und a cappella „As long as I have a song“ anstimmte. Die DVD – ein Mitschnitt vom 4. Mai 2018 – hält diesen Moment fest: Das Scheinwerferlicht folgt der grammynominierten Singer-Songwriterin, die sich langsam ihren Weg durch die Gänge der Halle bahnt. Der perfekte Start in einen perfekten Abend.
23 Stücke aus ihrem unendlich scheinenden Repertoire bekommen wir geboten. Und es ist alles dabei: Von Blues und Rock über Pop bis hin zu Soul. Diese Stimme, die mal rauchig, mal honigsüß klingt, kann jeden Song interpretieren.
Beth Hart spielt selbst auch Klavier und Gitarre. Mit liebevollen Ansagen führt sie das Publikum durch ihre Karriere und spielt den entsprechenden Soundtrack dazu. Und sie legt all ihre Emotionen in die Songs und macht das Konzert somit zu einem ganz besonderen Ereignis.
Während sie zwischen Mikrofon, Klavier, Gitarre und Bass hin und her wechselt ist das Konzert eine faszinierende Rückschau auf über 25 Jahre und Beth reagiert ständig auf die sich verändernde Energie des Publikums: „Ich habe drei Monate damit verbracht, diese Setlist zu erstellen.“, erzählt sie. „Doch als ich auf der Bühne stand, änderte ich noch einmal alles.“
Wer bisher Beth Hart nur in Verbindung mit Joe Bonamassa kennt, dem sei dieses Konzert empfohlen. Natürlich sind auch einige der Songs aus diesem Karriereabschnitt vertreten, doch Beth ist weit mehr als ein Sidekick für den Gitarrengott. Sie hat selbst eine formidable Band mitgebracht und sing mit urgewaltiger Stimme. Dazu ein glasklarer Sound aus den Boxen – so machen Konzerte am heimischen Bildschirm großen Spaß.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Gibt es in der A-cappella-Szene eine Ära vor und nach dem Ende der Wise Guys? Eher nicht. Auch wenn die Kölner um Dän Dickopf seit der Jahrtausendwende als Aushängeschild im Vokalpop galten, lag dies doch vor allem daran, dass sie mit einer geschickten Marketingstrategie und sich doch oft sehr ähnlich anhörenden Ohrwürmern aus Däns Feder eine große Fangemeinde um sich scharten, die zum Teil von Konzert zu Konzert reiste.
Dabei gab es auch damals schon Mitbewerber gleichen Kalibers: Die Urgesteine 6-Zylinder (auch heute noch ganz weit vorne in der Live- und Studioperformance), Maybebop um den nimmermüden Dauer-Arrangeur Oliver Gies und Viva Voce, die bis heute frischen Wind in die Szene bringen und vermutlich die besten Stimmen des Genres in ihrer Band vereinen.
Und da sind dann noch BASTA, die dieser Tage ihr neuntes Album auf den Markt bringen. Trotz einiger Besetzungswechsel gibt es seit jeher im Abstand von 2-3 Jahren ein neues Album und ein neues Programm. Und es ist vor allem der unendlich scheinende Ideenreichtum von Hauptsongwriter William Wahl, der jeden dieser Releases zu etwas ganz Besonderem macht.
Zu meiner Schande habe ich es vor zwei Jahren versäumt, das Album „Freizeichen“ zu reviewen. Dabei sind da zwei meiner All-time-favourites zu finden, nämlich der unglaublich geniale Büro-Shanty „Cut, Copy & Paste“ sowie das allen männlichen Musen gewidmete Lied „Jochens“. Wer einmal vom BASTA-Virus infiziert ist, wird dieses Album nicht so schnell aus dem Player nehmen.
Und dann gibt es jetzt – fast exakt zwei Jahre später – schon den nächsten Longplayer „In Farbe“. Wie immer mit einem bunten Allerlei aus musikalischen und chorischen Stilrichtungen. Und mit der üblichen Themenvielfalt, die BASTA auszeichnet. „New York, Rio, Gütersloh“ ist ein Gute-Laune-Titel, der das Leben im Tourbus persifliert. „Zu spät“ erzählt nicht nur die Geschichte von verpassten Gelegenheiten – es stellt das Zuspätkommen auch hervorragend im vokalen Zusammenspiel dar.
„Kranke Männer“ ist der perfekte Rocksong im AC/DC-Stil, nur echt mit per Mund und Mikro eingespielten E-Gitarren-Riffs. Sehr geil. Nach dem Klassiker „Legalize Acappella“ gibt es endlich wieder einen Reggae, der diesmal das wundersame Leben der Senioren beleuchtet: „Reggaeton im Altersheim“. Die Wirrungen der neuen Medienwelt werden in „Ich komm nicht mehr mit“ besungen und „Bitte nicht ihr“ erzählt entsetzt vom perfekten Paar, das sich aus heiterem Himmel scheiden lässt.
Definitiv sind keine Lückenfüller dabei. Jeder Song klingt stark und ist hervorragend durcharrangiert. Egal ob „Schlager“, das die geheime Lieblingsmusik des Berufsschlägers offenlegt, oder „Roboterkätzchen“ mit seinen futuristischen Klängen. Zum Runterkommen gibt es ganz zum Schluss das melancholische „Lass es schneien“, das Kenner der Band schon auf William Wahls Soloalbum hören durften.
Was bleibt zu sagen? BASTA sind die Speerspitze der Szene. Ihre Livekonzerte sind ein Feuerwerk der guten Laune – und jedes Album gehört in die private Sammlung aller Freunde vokaler Popmusik. Auch und vor allem das neue Werk „In Farbe“, das es nun auch live on Tour zu hören gibt.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Was Steven Wilson im Progressive Rock, das ist Joe Bonamassa im Bluesrock: ein unermüdlicher Kämpfer an allen Fronten. Die Anzahl seiner Veröffentlichungen ist Legion. Egal ob an der Seite von Beth Hart, mit der Supergroup Black Country Communion oder als Solokünstler. Er ist Perfektionist durch und durch, ein Gott an der Gitarre und er haut ständig Neues raus. Gerade erst sind doch drei Livealben erschienen, darunter die „British Blues Explosion“, ein Coveralbum mit Interpretationen von Blues-Legenden. Und auch „Black Coffee“ mit Beth Hart ist erst vor einem Jahr erschienen. Schon erreicht uns mit „Redemption“ ein formidables Soloalbum – ganz im Stil der alten Meister und mit einem Gitarrensound zum Niederknien.
„Redemption“ ist nicht nur das 13. Studioalbum des zweifach für den Grammy nominierten Bluesrocktitans, es ist auch das dritte Album in Folge mit komplett eigenem Material. Er zeigt sich ambitionierter und vielseitiger denn je, definiert sich wieder einmal neu und sprengt die Grenzen des Bluesrock. Die zwölf Songs spiegeln die Wiedergeburt, die er derzeit durchlebt, wider. „Es passieren gerade Dinge in meinem Leben, von denen ich dachte, dass ich sie nie erleben würde. Es fühlt sich an wie eine Auferstehung. Ich spüre Reue und Akzeptanz. Manchmal ist es sehr schmerzhaft, doch ich weiß, dass ich daran wachsen werde“, erklärt Bonamassa.
Das Album wurde in verschiedenen Studios weltweit aufgenommen, darunter den Blackbird Studios (Nashville), The Cave Australia (Sydney), Studio At The Palms (Las Vegas), Criteria Hit Factory (Miami) und Addiction Sound Studios (Nashville). Mit von der Partie waren erneut Anton Fig (Schlagzeug), Michael Rhodes (Bass), Reese Wynans (Keyboards), Lee Thornburg und Paulie Cerra (Horns), Gary Pinto (Vocal Harmony) sowie Mahalia Barnes, Jade McRae und Juanita Tippins (Background-Gesang). Außerdem brachte Bonamassas kreativer Partner Kevin Shirley zwei neue Gitarristen mit ins Spiel: Kenny Greenberg und Doug Lancio.
Joe Bonamassa zeigt alle Facetten seines Könnens. Nicht nur an der Gitarre – da kann ihm ohnehin keiner das Wasser reichen – auch am Gesang. Bluesrock gewürzt mit Jazz und Soul. Das sind die Zutaten, die von einem emotionalen Höhepunkt zum nächsten führen. Ob er sich in rockigen Riffs verliert oder ganz atmosphärisch und ruhig zu Werke geht: sein Stil ist zugleich einzigartig und folgt doch den Großen des Genres.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren