Die Idee war, dass der Konzertfilm zum Streaming-Event im November in die Kinos kommt. Es wäre eine klare Würdigung dieses wichtigen Ereignisses gewesen: Publikum, Kinosound, Atmosphäre – doch dann kam (natürlich) wieder die Pandemie dazwischen. Kultur-Verhinderer Corona macht also das visuelle Erlebnis zunichte, doch man kann zumindest dem Hörgenuss frönen.
Das Cover zeigt schon, was den geneigten Hörer hier erwartet: Der geniale Nick Cave allein am Piano – und das an diesem eindrucksvollen Konzertort. Es wäre jetzt bei einem Künstler wie Nick Cave gar nicht undenkbar, dass es ein solches Konzert auch ohne Corona gegeben hätte. Immerhin sind spannende und skurrile Ideen sein Metier von Haus aus. Und wenn man Melancholie und Düsternis darstellen will, macht man das am besten allein, ob jetzt im stillen Kämmerlein oder am ansonsten so lebendigen Ort, der durch das unwirkliche Ambiente ein fast schon unheimliches apokalyptisches Setting bietet.
Aufgenommen wurde das Konzert im Juni 2020, als in England gerade die ersten Maßnahmen zurückgenommen wurden und das Land langsam wieder aus dem Lockdown erwachte. Caves Solo-Performance sollte in erster Linie eine Reaktion auf die Isolation und die Einschränkungen der Zeit davor sein. „Idiot Prayer“ zeigt die Essenz von Nick Cave, der hier auf sich allein gestellt ist: Er präsentiert seine Stücke so minimalistisch wie selten zuvor, allein am Klavier, wobei das Set des Australiers alles von frühen Bad Seeds- und Grinderman-Kompositionen bis hin zum aktuellen Nick Cave & The Bad Seeds-Album „Ghosteen“ beinhaltet.
Mit diesem Setting ist Cave absolut in seinem Element. Das ist genau das Konzerterlebnis, das sich viele Fans vermutlich schon lange gewünscht haben. Grandios und doch teilweise enorm anstrengend. Nick Cave hält die extremste Form von Distanz zu seinem Publikum – und doch fühlt man sich ihm sehr nah. Ich tendiere zu: grandios!