Ganz zart startet der Opener „Fragrances“ mit einem sphärischen Grundton, bevor die Bläser einsetzen. Und dann Josefine Lindstrands Stimme voll skandinavischer Zerbrechlichkeit. Sanft, wohlklingend, wunderschön. Perfekt schwelgt sie in hohen Tönen und legt an Tempo zu. Ein Chor setzt ein und die Rhythmusfraktion übernimmt das Geschehen. Am Ende des Songs kommt alles zusammen zum großen Finale. Wow – und das war erst der Einstieg!
Josefine Lindstrand ist eine hochgelobte Jazzsängerin, Komponistin und Pianistin, die in Stockholm lebt und seit mehr als 15 Jahren zu den führenden Sängerinnen der Jazzszene in Skandinavien gehört. Das Debütalbum „There Will Be Stars“ wurde 2009 als bestes schwedisches Jazzalbum ausgezeichnet. Ihr neues Album „Mirages by the lake“ ist voll von Musik, die auf eine Reise zurück in Josefines Kindheit mitnimmt, in die dunklen und abenteuerlichen Wälder und kalten, versteckten Seen in Schweden.
Zwischen Jazz und Pop schwebt Josefine durch ihre luftigen Arrangements. Da gibt es kein Schema F, sondern spannende Songs, die sowohl in ihren Texten als auch musikalisch eine Geschichte erzählen. „Where the lilies grow“ hat einen reduzierten intrumentalen Mittelteil, bevor zum Ende Chor und Trompete wieder übernehmen. Es gibt feine Pianomelodien und hymnische Passagen. In „Phoenix“ geben eine energische Percussion und ein leidenschaftlicher Chor die Richtung vor.
Die Mischung aus Klangcollagen und Lautmalereien enthält Elemente von Jazz, Pop, Folk und einer Prise Elektronik. Die Musik wurde auf dem Land außerhalb von Stockholm in einem wunderschönen Studio aufgenommen, mit ihren eigenen Lieblingsmusikern von früher (Jonas Östholm – Piano, Gunnar Hallet – Trompete, Pär-Ola Landin – Kontrabass, Fredrik Myhr – Schlagzeug). Danach hat Josefine mit dem Material in ihrem eigenen Studio gearbeitet und Klänge, Stimmen, Synthesizer, Atmosphären kreiert und herumgeschnitten, wie beim Bauen von LEGO-Steinen. Im Februar 2019 reiste sie nach Bonn, um die wunderschönen Stimmen des Bundes Jazz Orchester Chors aufzunehmen. Das war der letzte Baustein, um das Projekt komplett zu machen.
Das sechseinhalbminütige „Streams“ führt uns mit Wassergeräuschen und einem fließenden Piano in die Natur. „Winter’s Tail“ ergänzt das Geschehen um mystische Klänge. Darüber schweben Josefines Vocals wie eine geisterhafte Sirene. Doch es muss nicht immer in die Höhe gehen. Zu Beginn von „It could have been us“ zeigt sie eine entspannte Altstimme, während „Our House“ an die verspielten Melodielinien von Björk erinnert.
Josefine Lindstrand lässt sich Zeit, um ihre Songs wirken zu lassen. Neun Tracks in einer knappen Dreiviertelstunde Länge sprechen ihre Sprache und wenden sich gegen Kompromisse oder Radiotauglichkeit. Sie lässt die kristalline Klarheit skandinavischer Seen und die dunkle Mystik schwedischer Wälder widerhallen und lädt uns zum Eintauchen ein. Großartig!