Grundsätzlich finde ich Romane von John Grisham sehr erfrischend. Er schreibt gradlinig, überfordert die Leser*innen nicht und baut gekonnt seine Insiderkenntnisse zum Strafrecht und dem Wesen der amerikanischen Justiz ein. Aus diesem Schema sind bis heute unzählige Bestseller entstanden, allen voran die ersten Romane „Die Jury“ und „Die Firma“, denen im Prinzip jährlich ein neuer Wälzer folgte. Mit ziemlich allen Werken schaffte es der Autor, Politiker und studierte Anwalt aus Arkansas auf die weltweiten Bestsellerlisten.
Das neuste Werk trägt den Titel „Die Heimkehr“ und besteht erstmals nicht aus einem durchgehenden Roman sondern aus drei Novellen. In der ersten Story, die dem Buch den Titel gab, geht es um einen Anwalt, der vor Jahren eine große Geldsumme veruntreut hat und untergetaucht ist. Nun liegt seine Ex-Frau im Sterben und er sorgt sich um seine Töchter. Die zweite Geschichte handelt von einem jungen Mann in der Todeszelle und seinem letzten Wunsch vor Vollstreckung des Urteils. Nummer drei beschäftigt sich mit zwei verfeindeten Brüdern, die in einer Anwaltskanzlei arbeiten und sich zusammenraufen müssen, um eine frühzeitige Entlassung ihres Vaters aus dem Gefängnis zu verhindern.
Was mir bei allen Geschichten fehlt, ist der grundlegende Aufbau der Charaktere. Dafür nimmt sich John Grisham nämlich im Normalfall viel Zeit. Hier aber ist man direkt mittendrin im Geschehen. Das kann mal ganz interessant sein, beispielsweise bei der kürzesten Geschichte aus der Todeszelle, die doch sehr philosophisch daher kommt. Grisham kreidet hier deutlich das Prozedere an und zeigt das Dilemma des amerikanischen Strafrechts auf. Eine Läuterung der Täter ist da nicht vorgesehen. Für mich trotz des Blitzlicht-Charakters die beste Story im Trio.
Die dritte Erzählung um die beiden Brüder könnte als großer Roman vermutlich besser funktionieren. Hier passiert auf 150 Seiten einfach zu viel und der Autor wirkt bisweilen gehetzt. Die Themenvielfalt, die sich aus Betrug, Steuerhinterziehung, Korruption usw. ergibt wird voll ausgereizt und wirkt dadurch am Ende stark übertrieben. Scheint fast als hätte Grisham eine überbordende Idee gehabt, aber nicht konsequent umsetzen können.
Am meisten gefreut hatte ich mich auf die erste Geschichte, in der mit Jack Brigance und Harry Rex zwei alte Bekannte mitspielen, die in „Die Jury“ und „Die Erbin“ ihre großen Auftritte hatten. Hier aber sind sie leider nicht mehr als Namedropping. Die Anekdote um den reuigen Sünder ist ziemlich belanglos. Er taucht über Umwege auf der Bildfläche auf und muss um seine Entdeckung fürchten. Die Freunde helfen ihm mit einem Kniff – und das war’s. Punkt. Für mich eine nette Begegnung mit zwei alten Bekannten, die aber nicht nachhaltig ist. Trotzdem schön zu hören, dass es den beiden gut geht.
Fazit: Stilistisch sind die Geschichten okay. Man taucht halt nicht in die Geschichte ein, sondern hört einfach interessiert zu. Trotzdem liefert John Grisham eine solide Arbeit ab und hält mich als Leser am Ball. Letztlich sind die Stories eine Überbrückung bis zum nächsten großen Roman, der vermutlich im März 2023 erscheint. Von dem erwarte ich mir dann aber wieder mehr!