Das WGT 2016 fand wie immer zu Pfingsten, vom Donnerstag, 12. Mai bis zum Montag 16. Mai, statt und hat in seinem 25. Jahr mehr Besucher angezogen als je zuvor: 23.000 Festivalgäste wurden gezählt, das sind rund 3.000 mehr als im Vorjahr. Sicherlich nicht zuletzt, dank vieler Specials zum Jubiläum war das Line-Up, mit rund 230 nationalen und internationalen Künstlern, interessant gestaltet.
Der Donnerstag war noch entspannt, in aller Ruhe bezogen die Besucher ihre Hotel, Zelte oder Wohnwagen und besorgten sich neben den Eintrittsbändern den einen oder anderen Met zum Einstimmen.
Zum Jubiläum des Festivals gab es in diesem Jahr eine besondere Eröffnung im BELANTIS Freizeitpark. Hier wurden die Festivalbesucher mit Bus-Shuttels hin- und wieder zurückgefahren.
Die Fahrgeschäfte waren weit nach regulärem Betriebsschluss weiterhin gut besucht und ein fulminales Feuerwerk würdigte das 25. Jährige Bestehen dieses Festivals.
Tag 1, Freitag 13. Mai
Beim Viktorianischen Picknick am Freitag Morgen (13. Mai) wurde dann auch standesgemäß das Pfingstwochenende in Leipzig eingeläutet. Im Clara Zetkin Park versammelten sich schon früh gut gestylte Gothics und zeigten einen Querschnitt der Epochen in ihren Kleidungsstilen und mit aufwendigen Makeups.
Der Tag begann für uns mit der Lesung von Lydia Benecke und “Theorie der Satanistischen Weltverschwörung” im Haus Leipzig. Die Reihen waren gut gefüllt, einige Besucher standen für die Stunde der Vorlesungszeit.
Weiter ging es in der Sixtina. Hier lud Düsterpiano zu einem kleinen akustischem Konzert ein. Etwas Sphärisch und, wie der Nahe sagt, düster, bot er seine Lieder dar, die Sixtina war übervoll und er erntete lauten Applaus.
Mit einem kurzen Abstecher in die Agra Halle schoben wir das Konzert von Abney Park (USA) noch ein. Die Band aus Seattle eröffnete die Agra Bühne mit ihrem exklusiven Deutschland-Konzert. Die Musik mit einer Mischung aus “Post Punk”, “Post Industrial” und “Post Gothrock”, lockte vor allem die Steampunk-Fraktion an. Etwas früher als geplant verließen sie die Bühne und wurden mit tosendem Applaus verabschiedet.
Nächster Halt – Kohlrabizirkus. Hier war das Programm für diesen Festivaltag härter und elektronischer. Wir besuchten die Darbietungen von Sexorzist, Haujobb und Project PItchfork, die ebenfalls ihr 25 Jähriges Bestehen feierten und ein großartiges Set mit einem Mix aus allen Jahren der Bandgeschichte darboten.
Ab einem gewissen Punkt kam es zum Einlass-Stop, der Kohlrabizirkus platzte aus allen Nähten! Absolut großartige Akustik und ein feierwütiges Publikum verschmolzen zu einer wunderbaren Einheit mit hohem Konzertgenuß.
Als Mitternachtsspecial stand Peter Murphy an diesem Abend in der AGRA auf der Bühne, leider konnten wir diesen Auftritt zeitlich bedingt nicht wahrnehmen.
Tag 2, Samstag 14. Mai
Das WGT ist ein Zusammenkommen vieler Menschen, verschiedenster Regionen der Welt, zu einem gemütlichen Beisammensein. Kaum eine Location vermittelt dieses Gefühl so gut wie die Sixtina. Für Freunde, von Freunden heißt hier die Devise. Und so traten auch Oberer Totpunkt aus Hamburg im Rahmen des WGT hier auf. Zu früher Stunde war hier schon richtig Betrieb, Bier und Wein zur Mittagszeit und intellektuelle Texte leiteten entspannt in den zweiten Festivaltag ein.
Neu war die Location des NONTOX, etwas außerhalb aber mit der Bahn gut zu erreichen. Hier traten am frühen Nachmittag mit etwas Verspätung Rabbit At War auf. Diese Band hat es sich zum Ziel gemacht, die Tanzflächen der Nation zu füllen. Im Nontox waren die ersten 10 Reihen gut besucht und auch die Energie von der Bühne übertrug sich auf die Füße der Anwesenden.
Letzter Locationwechsel für diesen Tag zog uns in den Felsenkeller.
Hier erreichten wir noch rechtzeitig die Vorführung von Diodati. „Musikalisch-kultureller Crossover” so beschreibt man das Werk von DIODATI wohl am besten. Sie kombinieren klassische Instrumente wie das Cello mit klassischen, lyrischen Texten. Die Songs sind fesselnd, man lauscht gespannt und verfolgt die Geschichte der Lieder. Musikalisch wirklich etwas Besonderes, irgendwo zwischen Avantgard und Post-Punk, Kammermusik und Jazz. Das Publikum verlangte auch nach einer Zugabe, die Band ließ sich nicht zweimal bitten.
Anschließend betreten Meinhard die Bühne. seine Mischung aus Rocky Horror Picture Show, Rock, Swing und Cabaret verzaubern die Besucher und versetzen Sie in die Welt von Alice im Wunderland zurück. Meinhard ist unterhaltsam und kommuniziert viel mit dem Publikum. Die Verbindung und Interaktion ist ihm sehr wichtig, es gibt kleine Zylinder als Geschenke für die Fans, ohne Berührungsängste versprüht er eine große Sympathie. Musikalisch sind die Stücke sehr abwechslungsreich, mal zum tröumen, mal zum Tanzen. Das Set ist spannungsvoll aufgebaut, ein Wechsel von Deutsch und Englisch gibt zudem ganzen zu dem eine weitere Variation vor.
Es bliebt weiterhin experimentell – Other Day betreten die Bühne des Felsenkellers. Die feierliche Stimmung änderte sich hier in eine nachdenkliche Gefühlswelt. Other Day steht für eine alternative Art von Denken und Fühlen. Sänger Sad tritt etwas unnahbar im stylischen Lackmantel auf, die Details der Kostüme und des Makeups sind spannend gestaltet und bieten dem Auge viele Highlights. Seit mehr als 17 Jahren ist diese Formation etabliert und wird von den Besuchern frenetisch gefeiert, auch wenn das Ziel von OTHER DAY eher ist, im stillen daheim ihre Hörer zu erreichen und sie in eine neue Welt zu entführen, anstatt sie zum Tanzen zu bewegen.
Nach so viel Nachdenklichkeit wurde es Zeit den Abend mit etwas schnellerer, festivalfreundlicher Musik zu beenden.
Joachim Witt ist ein Garant für gute Stimmung, fliegende Tanzbeine und Chöre des Mitsingens. Mit kleiner Verspätung betrat der Großmeister die Bühne. Der Felsenkeller war rappelvoll, ob jung oder alt, von Lack- und Lederfans oder Steampunk Anhänger, alle waren sie hier versammelt um dem Großmeister zu lauschen. Die Show bot ein großartiges Lichtkonzept, akustisch teilweise etwas zu laut erreichten seine Songs jeden einzelnen Besucher im Raum. Natürlich fehlten die Hits „Die Flut“, „Der goldene Reiter“ und „Ohne Dich“ in diesem Set nicht.
Tag 3, Sonntag 15. Mai
Heute, am dritten Tag des Festivals mit den ersten Ermüdungserscheinungen, begann der Tag erst um 17:00 Uhr. Das Konzertprogramm in der Agra Halle wurde von Lord OF The Lost eröffnet. Die Halle war zu so früher Stunde richtig gut gefüllt, die Hamburger Jungs lieferten ein rockiges, extrem schnelles Set ab und ballerten 60 Minuten lang voll durch. Gared Dirge mit blondem XXL IRo und die neue LED Gitarre von Chris Harms waren nur zwei der Hingucker der Darbietung.
Anschließend gaben sie sich die Klinke in die Hand mit den Freunden von Darkhaus. Auch hier gab es eine Stunde lang Vollgas. Frontmann Ken Hanlon ließ das ein oder andere Mädchenherz dahin schmelzen, musikalisch absolut auf den Punkt spielten die 5 ein großartiges Set. Um Solar Fake im Kohlrabizirkus zu sehen mussten wir aber das Darkhaus Konzert vorzeitig verlassen.
Es ist großartig zu sehen, wie Bands wachsen und wie sehr sie es auf Grund ihres Könnens und der Leidenschaft einfach verdienen auf Festivals wie diesem in großen Hallen, zu später und gut besuchter Stunde aufzutreten. So ging es mir als ich Solar Fake auf der Bühne sah. Diese Spielfreude ist unglaublich, sie ziehen immer mehr Menschen in ihren Bann, der Zirkus war am Beben. Sichtlich beeindruckt bot Sven Friedrich alles, was einen Musikliebhaber glücklich macht. Tolle Stimme, gute Beats, spannende Arrangements und eine Live-Show mit viel Energie. Für mich einer der besten Darbietungen dieses Festivalwochenendes. Nicht zuletzt auch durch einen Gastauftritt von Aesthetic Perfection Sänger Daniel Graves, der gemeinsam mit Sven einen Remix des AP Songs „Never Enough“ darbot. Ein weiterer Überraschungsgast ist Peter Spilles, er singt mit Sven Friedrich den Pitchfork Klassiker „The Deviding Line“ gemeinsam.
Die Stimmung war super, und so konnte man quasi nahtlos bei der nächsten Band MESH mit ihrem Synth-Pop Sound anknüpfen. Stilistisch ähnlich, doch etwas ruhiger bot Sänger Mark, mit viel Emotion in seiner Stimme, die Songs aus über 25 Jahren Bandgeschichte dar. Die Chöre der Fans wurden immer lauter, einfach jeder war gefesselt und glücklich, bei solchen Momenten dabei zu sein.
Wieder zurück in der Agra Halle besuchten wir die Show von Lacrimosa, die an diesem Abend Headliner waren. Der Einlass Stop in der AGRA war fast zu erwarten, diese Band gehört zum Urgestein der Szene. Die alten Hits wie „Der brennende Komet“ und „Stolzes Herz“ uften natürlich nicht fehlen. Die Lichtshow war großartig und super auf die Stücke abgestimmt. Auch ganz hinten erreichte einen noch die Stimmung. Das Set endete mit 2 Zugaben und dem Klassiker „Alles Lüge“.
Ab jetzt hieß es durchhalten. Denn mit 2 Stunden Pause endete dieser Festivaltag mit dem Mitternachtsspecial, dieses Mal um 1 Uhr, den Auftritt von Special Guest John Lydon (Sex Pistols) mit der Formation PIL zu bestaunen.
Er gilt als Vorreiter der Punk Szene Ende der 70er Jahre, die Menge der Fans vor der Bühne hatte im Vergleich zu Lacrimosa stark abgenommen, dennoch war die Stimmung der Punker biergeschwängert und gut.
Ganz so punkig sieht er zwar nicht mehr aus, die Kleidung erinnert eher an eine Priester-Robe. Der größte Hit „This is not a Lovesong“ weckt noch einmal alle Anwesenden und am Ende verlassen sie Besucher zufrieden mit einem Lächeln das Gelände.
Tag 4, Montag 16. Mai
Melancholie macht sich breit, wenn das Festival neigt sich dem Ende. Freundschaften wurden gefestigt, gemeinsame schöne Stunden verbracht und das Gefühl, wieder zur Normalität zurück zu kehren und wieder 365 Tage auf die Zusammenkunft aller Lieben warten zu müssen, macht wehmütig.
Doch ein letztes Mal werden auch an deisem Tag wieder vielversprechende Künstler alles geben um den Fans ein gutes Gefühl zum Abschied mitzugeben.
Heute begann der Tag im Täubchental, wo The Fright mit Sleaze Rock begeisterten. Die Bühne hätte etwas großer sein können, um den Bewegungsdrang von Sänger Lon Fright zu stillen. Punks und Rocker schüttelten ihr Haar und die Stirnbänder hielten alles dennoch gut im Zaum. Von leichten technischen Problemen ließ sich die Band nicht verwirren und zeigte in Sachen Spielfreude absolut alles.
Erneut stand auch der Kohlrabizirkus an diesem Tag auf dem Zettel. Hier Spielten als Opener Schöngeist aus München, gefolgt von der freundlichen Unzucht.
Sie haben sich vom ehemaligen Geheimtipp der Szene zum absoluten Publikumsliebling entwickelt. Und nach dieser Show ist auch klar warum. Sympathie in rauen Mengen, Nähe zum Publikum, tolle Texte und Beats zum Abgehen machen es leicht sie zu mögen. Die unverwechselbare Stimme von Sänger Daniel ist da nur die Spitze des Eisbergs. Die Begeisterung der Fans ist unverkennbar und die Band ist sichtlich gerührt und beeindruckt von so viel Zuspruch. Das energiegeladene Set war für viele Besucher viel zu kurz und zu schnell leider auch schon wieder vorbei.
Auf das Testosteron der Unzucht folgt eine Überdosis Östrogen – Grausame Töchter übernehmen das Zepter, ähm Mikrofon.
Dieses Kunstprojekt, mit Hang zum Fetisch und Lack und Leder, bieten der Elektrogemeinde neue Einblicke. Sängerin Aranela Peel ist super charismatisch und gestaltet die hypnotisierenden-monotonen Beats durch kunstvolle Inszenierungen. Immer wieder passiert etwas Neues auf der Bühne, die Tänzerinnen oder auch Interaktion mit der Gitarristin bieten einen zusätzlichen optischen Reiz. Der Stil ist etwas abgedreht – musikalisch wie auch stilistisch von den Outfits her. Einige Besucher konnten nicht so recht einen Zugang finden, doch die Band hat mit Sicherheit Potential zum Kultfaktor zu werden. Langweilig ist es zumindest auf keinen Fall.
Letzte Station für 2016 ist die Agra Halle. Hier freuen wir uns über den Auftritt von Aesthetic Perfection.
Daniel Graves nutzt die gesamte Länge der großen Bühne, rennt von links nach rechts, animiert jeden einzelnen Besucher und versprüht mit breitem Lächeln eine positive Energie. Daniel flirtet mit den Kameras der Fotografen und hat sichtlich Spaß am Feedback des Publikums. Kein Fuß bliebt hier still stehen! Am Keyboad verausgabt sich Elliot Berlin, klettert auf dem Instrument herum und springt von ihm herunter.
Auch aus der letzten Reihe war die Show optisch ein Highlight, Leinwand Projektion und schöne Lichteffekte perfektionierten die musikalische Darbietung.
Das letzte Konzert zum 25. WGT ziehen Agonoize durch. Als Headliner des Abends ziehen sie eine Menge Besucher mit Hang zu elektronischer Musik an.
Sänger Chris ist präpariert und feuert viele Liter Kunstblut in die Menge – so wie man es von einer guten Agonoize Show eben erwartet. Das Publikum duscht sich wohlwollend im roten Regen und begleiten die Sprechchöre eines jeden Liedes lautstark mit. Zusätzlich gab es Feuerfontänen, die das Publikum noch weiter anheizten. Viele Gruppen tanzten ein letztes Mal für dieses WGT ausgelassen und sangen bis zur Heiserkeit mit. Die gewohnt blutreiche und sozialkritische Show endete nach zwei Zugaben und damit auch das WGT 2016.
Fazit:
Für jeden war etwas dabei. Stilistisch wie gewohnt vielseitig, von der Planung her ließ sich die ein oder anderen Überschneidungen nicht vermeiden, dennoch konnte man viele neue Erfahrungen machen und alte Bekanntschaften wiederbeleben. Herausragend ist der freundliche Umgang aller, von Besuchern und auch Arbeitern auf dem Festival. Ebenso die Händlermeile mit interessanten neuen Schmuckstücken bot alles was das Shoppingherz begehrt. Preise für Getränke und Essen waren moderat, die Toiletten meist gepflegt. Wir bedanken uns für dieses großartige lange Wochenende und freuen uns schon jetzt auf ein Wiedersehen in 2017!