Das letzte Konzert des Holländers, das ich in Trier gesehen habe, war vor sechs Jahren in der atmosphärischen Reichsabteikirche St. Maximin. Da kann die Europahalle mit ihrem 70er-Jahre-Flair natürlich nicht mithalten. Trotzdem schaffte es der inzwischen 74jährige Singer, Songwriter, Violinist, Clown und Schriftsteller ohne Weiteres, schon mit wenigen Songs – ja alleine damit, über die Bühne zu tänzeln – sein Publikum in der ausverkauften Halle zu begeistern.
Das aktuelle Programm heißt (nach dem im Februar erschienenen aktuellen Album) „Neue Saiten“. Und es sind wahrlich viele Seiten und Saiten, die uns der Altmeister zeigt. Da sind zum Beispiel die musikalischen Saiten von Gitarre, Violine, Kontrabass, Harfe und Piano, die uns in wechselnder Besetzung nahe gebracht werden. Und es ist der gute Herman als Sänger, im Violinen-Duell, als Pianist, als Schauspieler (im ewigen Clinch mit seinem Bassisten), als Pantomime und nicht zu vergessen als Vorleser, an dessen Lippen das Publikum hängt.
Unsere junge Kollegin Hannah Kröll hat vor sieben Monaten einen wunderschönen Artikel zum Auftritt in Siegburg geschrieben, bei dem Herman schon das aktuelle Programm zum Besten gab. Das hat sie in so persönliche und lebendige Worte gepackt, dass ich dem gar nichts hinzufügen mag. Daher hier der Link zu ihrem Konzertbericht:
Wenn man lacht, weint und sich riesig freut… Herman Van Veen in Siegburg
Meine eigenen Highlights will ich aber auch nicht verschweigen. Es sind die Momente, in denen der Holländer vom Tod erzählt, ohne dass dies die Zuschauer traurig stimmt. Denn er führt stets eine große Portion Trost mit sich. Es sind die Momente, in denen Herman Geschichten vorliest. Kleine Anekdoten, in denen er aus seinem Leben erzählt – von Familie, Persönlichkeiten und Begegnungen. Fast schade, wenn er den sonoren Erzählfluss mal wieder durch ein Lied unterbricht.
Definitiv lohnt sich die Investition in das „Programmheft“ für 7 Euro. Hier nämlich finden sich viele der Lebensweisheiten zum Nachlesen. Van Veen erzählt rührend von seinem ehemailigen Pianisten Erik van der Wurff, der in allen Tourstädten die Wege besser fand als der Taxichauffeur. „Das TomTom hätte man ErikErik nennen müssen.“ Oder vom Kreuz mit den Ärzten: „Wenn die Blumen im Wartezimmer deines Hausarztes tot sind, ist es Zeit, den Arzt zu wechseln“. Auch die homosexuelle Tochter muss als Aufhänger herhalten, um zu Toleranz und Friedfertigkeit aufzurufen.
Der Schriftsteller liest zudem aus seinem aktuellen Buch „Solange es leicht ist“, erschienen bei Droemer Kanur. Auch diese Auszüge sprechen dafür, dass diese Lektüre sich lohnen dürfte.
Aber zurück zum Konzert: Glänzend, wenn Herman in Socken über die Bühne tänzelt und im nächsten Moment den gebrechlichen Alten gibt. Er ist immer für eine Überraschung gut – egal ob er den langen Schuhlöffel als Pseudo-Trompete nutzt oder ein fröhliches „Tutti Frutti“ anstimmt. Nach 60 Minuten gab es eine Pause.
Im zweiten Teil überließ er die Bühne für lange Zeit seinen Instrumentalisten, die ja auch hervorragende Sänger sind. Edith Leerkes ist ohnehin eine Koryphäe und bestach mit Gitarre und Vocals. Jannemien Cnossen gab die hervorragende Einlage „Your Kisses“. Wieke Garcia (Percussion und Harfe) machte die Bühne mit stimmlichen Lautmalereien lebendig und Kees Dijkstra feierte ein rockiges Bass-Solo.
So nahm der Abend seinen Lauf und spätestens mit Van Veens überzeugender Opernparodie war die Stimmung im Publikum auf dem Siedepunkt. Pünktlich um 22.30 Uhr verabschiedete sich die orchestrale Truppe. es gab nur eine winzige Zugabe, aber das Publikum ließ nicht locker. Durch „Herman“- und „Edith“-Rufe holte man die Akteure zurück, als der Saal schon halb geleert war. Die abschließende Zugabe „Mein Freund und ich“ beschloss einen fantastischen Abend. Hoffen wir, dass Herman van Veen auch mit 76 oder 77 Jahren nach Trier zurück kehrt und dem Bühnenleben noch lange erhalten bleibt.