Skip to content

Musicheadquarter.de – Internet Musikmagazin

Menu

Hannes Wader "Poetenweg"

Unsere Wertung: 8 von 9 Punkten.

Nach vier Jahren Abstinenz wieder auf der Bühne

Die Begrüßung ist kurz und schmerzlos: „Nach meinem Abschied vom Tourneeleben ist das nach vier Jahren wieder mein erster Bühnenauftritt.“ Und was sollte dann anderes kommen als der Song „Gut, wieder hier zu sein“? So wundervoll anrührend beginnt dieses ganz spezielle Konzert, das Hannes Wader am 4. September 2021 in der Wassermühle Deppendorf gab. Diese liegt in seiner Heimatstadt Bielefeld, die nach 60 Jahren in Kassel kürzlich wieder zu seinem Wohnort geworden ist.

Der 72minütige Mitschnitt besteht aus einer Mischung aus Lesung und akustischen Songs, bei denen er sich selbst an der Gitarre begleitet. Die Texte stammen aus seiner Autobiografie „Trotz alledem, mein Leben“. Es ist nicht nur seine Lebensgeschichte, das Spiegelbild seiner politischen Einstellung, sondern auch eine subjektive Betrachtung Deutschlands über Jahrzehnte hinweg. Schon der Start ist göttlich und es macht besonderen Spaß, diese Worte aus seinem Mund zu hören: “Gegen sechs Uhr morgens, am 23. Juni 1942, werde ich in Bethel bei Bielefeld im Hause Gilead, der Entbindungsstation, mit einem Haarkringel über der Stirn geboren. Dem diensthabenden Arzt, der mich hochhebt, schiffe ich laut schreiend ins Gesicht.” Einfühlsam und mit eindrücklichen Bildern beschreibt er seine früheste Kindheit und Jugend, berichtet von schwierigen Verhältnissen und musikalischen Prägungen. Von einer so persönlichen Seite dürfte sich der Sänger wohl noch nie auf einer Bühne gezeigt haben.

Allein schon die Lesung ist es wert, dem „Poetenweg“ ein Ohr zu gönnen. Und dann sind da die wundervollen Songs, mit denen er seine Zitate und Anekdoten musikalisch lebendig macht. „Krebsgang“ und „Wahre Freundschaft“ werden geboten. Natürlich das politische „Brüder, zur Freiheit, zur Sonne“ und Kleinode wie „Und am Abend ziehen Gaukler“ sowie „Der Zimmermann“. Ganz zum Schluss gibt es mit „Schwestern, Brüder“ eine Ansprache an diejenigen, die schon von uns gegangen sind, und natürlich das unvermeidliche Schlusslied „Heute hier, morgen dort“, das Hannes‘ Rastlosigkeit auch nach 60 Jahren im Musikgeschäft noch immer perfekt beschreibt.

Es ist ein kleines Wunder, Hannes Wader, der im Juni 80 Jahre alt wird, hier mit klarer und sonorer Stimme zu erleben. Genau wie seine Kumpane Reinhard Mey und Konstantin Wecker wirkt er stimmlich kaum gealtert und kann seine Hörer fesseln wie eh und je. Die „Geschichten und Lieder an einem Spätsommerabend“ wurden vor nur 80 geladenen Zuschauern dargeboten. Was hätte man gegeben, um dabei sein zu dürfen?

Zum Glück gibt es diese wunderschön aufgemachte CD-Veröffentlichung im Hardcover-Digipack. Das Booklet enthält viele aussagekräftige Bilder und die verwendeten Liedtexte. Außerdem beschreibt Wader im Vorwort die Besonderheiten des Konzerts, die ihn hochgradig nervös machten: „Zum ersten Mal im Leben trage ich ein Programm nicht vor einem Mikrofon stehend, sondern auf einem Hocker hockend vor. Zum ersten Mal in meinem Leben singe ich und lese dazu aus dem einzigen von mit jemals selbst geschriebenen Buch vor.“

Auch mit 79 Jahren gibt es noch „erste Male“ – und es erfreut das Fanherz, dass wir an diesem perfekten Liedermacherkonzert teilhaben dürfen, wenn auch nur per CD.

Hannes Wader - Poetenweg

Letzte Aktualisierung am 10.09.2024 um 08:14 Uhr / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Bezahlte ANZEIGE