Ist der Songwriter aus Münster eigentlich noch mit Ina Müller zusammen? Die beiden Popstars schaffen es sehr erfolgreich, ihr Privatleben aus den Klatsch&Tratsch-Seiten raus zu halten. Fünf Alben hat der 35jährige Johannes Oerding in steter Regelmäßigkeit veröffentlicht. Und in meiner Wahrnehmung steigt die Qualität seines musikalischen Schaffens von Mal zu Mal, seit 2009 sein Debüt „Erste Wahl“ erschienen ist. 2015 war er bei der „Night Of The Proms“ Show dabei, und es war schon ein erfrischendes Erlebnis, den Songpoeten dort zu erleben, wie er authentisch und emotional aus seinem Leben und von seiner Heimat berichtete.
„Oft sind Anfang und Ende der gleiche Punkt“, lautet die erste Zeile von „Kreise“, dem Titelsong des neuen Albums. Diese Aussage ist durchaus programmatisch zu verstehen, denn um genau diesen Moment geht es hier. Ein Kreis, der sich schließt, ist immer Sinnbild einer Zeitenwende, die gleichermaßen Rückschau wie Ausblick hält. Deshalb hätte Oerding keinen treffenderen Titel wählen können.
Wenn sich ein Künstler, der in seiner konstant ansteigenden Karriere auf gold- und platinveredelte Alben sowie ausverkaufte Tourneen in immer größeren Hallen zurückblicken kann, an die Arbeit zu neuen Songs macht, steht er – wie jeder Songwriter mit Anspruch – vor der großen Herausforderung, musikalisch wie textlich Orte zu finden, an denen er noch nicht war. Sich treu zu bleiben und dabei dennoch neue Wege zu gehen. Nicht wenige Künstler halten in so einem Moment vorsichtshalber an Bewährtem fest – andere wiederum blühen geradezu auf, weil sie niemandem mehr etwas beweisen müssen und bringen mit genau dieser Freiheit im Rücken die Essenz ihres bisherigen Schaffens gekonnt auf den Punkt.
Johannes Oerdings typisches Songwriting, das man nach nur wenigen Takten als unverkennbar identifiziert, hat hierauf nochmal deutlich an Klarheit und Tiefe gewonnen – aber genauso sicher bewegt er sich auch auf musikalischem Terrain, das man von ihm so noch nicht gehört hat. Seine Stimme hat einen hohen Wiedererkennungswert, klingt entspannt und einfühlsam. Manchmal bin ich überrascht, wie jugendlich Johannes sich mit Mitte dreißig noch anhört – oder wie er die hohen Tenorklänge beherrscht.
Das Erzählen von Geschichten ist seine große Stärke. Sehr emotional in „Unser Himmel ist derselbe“ und „Die Zeit nach der Zeit danach“, aber auch mal gesellschaftskritisch, wenn in „Love Me Tinder“ zwei Menschen letztlich nicht über eine Smartphone-App zusammen finden, sondern weil sie sich in ihrer Enttäuschung auf der Straße begegnen und spüren, dass diese Begegnung nachhaltig ist.
Oerdings Texte gehen tief und man spürt, dass er viel zu erzählen hat. Dem mag Böhmermann seinen Textbaustein-Gemischtwarenladen entgegen halten, doch es wird nun mal spürbar, dass hier ein Gesamtkunstwerk aus filigranen Balladen und rhythmisch verfeinerten Popsongs entstanden ist, dass eben nicht beliebig klingt, sondern uns einen Einblick in Oerdings Gefühlsleben gibt. „Hundert Leben“ – auf einem Album erzählt, mit dem sich eine ganze Generation identifizieren kann.