Es gibt kaum jemanden in Deutschland, der den Namen Laith Al-Deen noch nie gehört hat. Der Sänger von Hits wie „Bilder von dir“, „Dein Lied“ oder „Keine wie du“ prägte von Anfang an maßgeblich den Deutschpop. Dabei verkaufte der Künstler Millionen Tonträger und erntete goldene Platten sowie Top Chart-Platzierungen. Während seiner Zeit in der deutschen Musiklandschaft verlor er nie an Leidenschaft, Qualität und Neuerfindungsdrang, was sein letztes Album „Bleib unterwegs“ (2016) bis an die Spitze der Deutschen Charts brachte. Ein neues Album von Laith Al-Deen ist für mich immer ein Gewinn. Auch wenn die großen Radiohits seit einigen Jahren ausbleiben, schafft er es doch immer, seine Hörer mit authentischen und emotionalen Songs zu bewegen. Da macht auch das neue Werk „Kein Tag umsonst“ keine Ausnahme.
Die Release-Konzerte für sein zehntes Studioalbum hätte sich der Sänger aus Karlsruhe aber sicher anders vorgestellt. Beiden fanden nämlich in Autokinos statt. Am Donnerstag (Vorabend) in Gießen, am Freitag (Release-Tag) im saarländischen Schiffweiler. Laut seiner Aussage waren es zwei sehr unterschiedliche Konzerte, denn in Gießen herrschte Hup-Verbot. Damit war die Stimmung im Saarland schon ausgelassener – und ich selbst war auch froh, mir das Konzert nicht bei geschlossenen Fenstern anschauen und anhören zu müssen.
Kommen wir zunächst zum neuen Album, bevor ich mich dem skurrilen und dennoch wundervollen Konzert in Schiffweiler zuwende. Das Album dreht sich um die Dinge, die einem Halt geben und im Leben verankern. In Zeiten des Wandels und der Selbstoptimierung kennen viele Menschen das Gefühl, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden. Laith ruft in „Kein Tag umsonst“ dazu auf, einen Schritt zurückzutreten, das eigene Leben wieder schätzen zu lernen und sich auf das, was zählt, zu besinnen.
Der Opener „C’est la vie“ spricht davon, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen und die Risiken eines Neubeginns zu wagen. „Liebe ist ein Geschenk“ behandelt die Kraft von Beziehungen, die man für sich nutzen kann. „Zwischen den Zeilen“ ist ein Aufruf, den Blick nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf Gegenwart und Zukunft zu richten. „So nah“ erklärt, wie nah man oft der eigenen Vorstellung vom Glück ist, ohne es zu merken. Und „Ein Wort“ widmet sich den wirklich guten Freunden, die immer für einen da sind und für die man immer da ist.
Der Balladen-Anteil ist bis zum melancholischen Piano-Abschluss „Kein Tag umsonst“ sehr hoch. Zwischendrin wird der Sound bisweilen durch elektronische Elemente aufgepeppt. Das sind zwar sehr energetische Augenblicke – ich muss aber sagen, dass mir die puren rockigen und akustischen Töne (wie sie auch live geboten wurden) besser gefallen. Packende Melodien und Laith Al-Deens unverkennbare und herausragende Stimme. Mehr braucht es nicht für ein wunderschönes Deutschpop-Album mit Tiefgang.
Beim Autokino-Releasekonzert hatte Laith eine fünfköpfige Band mit zwei Gitarren, Bass, Keyboard und Schlagzeug dabei. Der Sound auf der Radiofrequenz war überragend gut und schließlich – als es langsam dunkel wurde – entfaltete die Lightshow ihre Wirkung. Verstärkt natürlich durch Gehupe, Warnblinker, Fernlicht, geschwenkte Warnwesten und die Betätigung des Scheibenwischers, was laut Laiths Ansage emotionale Betroffenheit ausdrückt. Man lernt doch nie aus.
Das über zweistündige Konzerte umfasste sieben der neuen Stücke und natürlich Klassiker wie „Bilder von dir“, „Dein Lied“ und „Keine wie du“. Insgesamt 16 Stücke. Die Setlist hätte von einem normalen Konzert stammen können. Da wurden keine Kompromisse gemacht. Interaktion mit dem Publikum fand auf die oben erwähnte Weise statt. Und das war „ganz großes Kino“, wie Laith mehrfach feststellte. Die Refrains mancher Songs wurden rhythmisch gehupt, was den Sänger sichtlich erfreute.
Fazit: Das zehnte Album ist musikalisch eine Bank. Ohne große Innovation, aber ganz solide, emotional und in altbewährter Schönheit. Laith Al-Deens einzigartig kraftvolle Stimme schafft es dabei, jedem Song einen unvergleichlichen Charme zu verleihen. Die Musik ist vielfältig, sei es das klangvolle „Du bist es wert“ oder der reflektierende Titelsong. Sie verliert niemals die unverkennbare Handschrift des Musikers.
Vielleicht werden wir in ein paar Jahren über die Form des Konzertes lachen. Hoffentlich. „Es bleibt trotz allem ein bisschen unwirklich“, meinte der Protagonist des Abends abschließend. Das jubelnde Hupkonzert war vermutlich kilometerweit zu hören.
Setlist, 22.5.2020, Autokino Saar in Schiffweiler
Noch lange nicht genug
Bilder von dir
Zwischen den Zeilen
Ein Wort
Dein Lied
So nah
Hör mir zu
Keine wie du
Fliessende Wasser
C’est la vie
Liebe ist ein Geschenk
Damit ich wieder schlafen kann
Glaub an dich
Halt mich fest
Jetzt hier immer
Jedes Mal