Der Albumtitel „Loyal to myself“ ist nachvollziehbar, wenn man Lenas Interviews in den letzten Wochen verfolgt. Offen spricht sie von ihrer Überforderung nach dem ESC-Sieg, wie unwohl sie sich auf ihrer ersten Tour gefühlt hat. Von öffentlichem Druck, von Burnout und Depressionen. Dabei spielt immer auch Loyalität eine Rolle – gegenüber den Entdeckern, der Produktion, den Musikern und allen im Hintergrund, den Fans sowie in Lenas Fall vermutlich ganz Deutschland als musikalische Hoffnungsträgerin. Dabei hat sie die Loyalität zu sich selbst vergessen und holt dies nun quasi mit einem mutig betitelten Album nach. Man sollte ihr nämlich nicht etwa Egoismus vorwerfen, sondern einfach anerkennen, dass sie sich als (immer noch junge) Frau und Mutter um ihr eigenes Wohlergehen sorgen muss.
Lena hat den Entschluss gefasst, gut zu sich selbst zu sein. Sich frei zu machen von Ängsten, Zweifeln und äußeren Erwartungen. Sich selbst zu akzeptieren, die Freude an sich wiederzufinden, an den Dingen, die sie tut. Davon handelte bereits die erste Single und Titeltrack „Loyal to myself“ und es ist auch Thema in der zweiten Auskopplung „Good again“, die begleitend zur Veröffentlichung des Albums erschien: „I’m feeling better than I ever have / I lost it, now I got it back / Never get enough of that / I’m good, good, good again”, singt Lena. Der Vibe ist ausgelassen, positiv, voller wiederentdeckter Lebensfreude. Und spätestens, wenn sie davon singt, wie sie den ganzen Abend zu ihrem Lieblingssong tanzt, steht man gefühlt neben ihr auf der Tanzfläche.
So optimistisch und lebensfroh wie diese Tracks kommt das ganze 43minütige Album. Klar, es sind Pop-Dance-Songs, wie man sie momentan in Dauerschleife per Radio-Airplay zu hören bekommt, doch Lena muss sich nicht hinter Kolleginnen wie Leony, Dua Lipa oder Taylor Swift verstecken. Sie sing mit viel Energie und ihrer Vocals stehen viel stärker im Vordergrund als bei den letzten beiden Alben. Elektronik wird zwar eingesetzt, doch sie gewinnt diesmal nicht überhand.
Ganz am Anfang steht ein melancholischer, einminütiger Opener mit dem Titel „Let me dream“. Dieser wird zum Ende (vor den Bonustracks) wieder aufgenommen – und das in deutscher Sprache! Dabei zeigt sich, dass Lena auch in ihrer Muttersprache perfekt bestehen kann und wundervoll a cappella klingt.
Mit diesen beiden einschließenden Träumereien klingt das Album bis dahin wie aus einem Guss. Ein Konzeptalbum über Verlorensein und das Zurückgewinnen der eigenen Stärke. Da gibt es als Highlight eine feine Pianomelodie und viel Melancholie zu „See You Later“, das die intensive Hymne „First Love“ fortführt.
Der gefühlvollen Reise schließt sich dann im Bonusbereich eine Abfolge von Dancehits an. Das schnelle „Strip“ und den Ohrwurm „Looking For Love“ kennt man schon – „What I Want“ und „Straitjacket“ schließen sich dem mit poppigen Beats an. Alle vier Tracks am Schluss liegen mit 2:40 Minuten auf gleicher, radiotauglicher Länge, was bei diesen Dancetracks absolut sinnvoll ist. Eine gute Idee, das Album in zwei Abschnitte zu teilen. Der Reise ins Innere schließt sich eine deftige Partynacht an. Sehr gelungen!