Max Giesinger lässt seine Hörer gerne daran, teilhaben, was in seinem Kopf vorgeht. Und es sind Gedanken voller Nachdenklichkeit und Melancholie, die ihn zu bewegen scheinen. Das merkt man auf seinen Live-Konzerten, denn dort geht der Wohlfühlcharakter über alles und Max liegt viel daran, den Fans unvergleichliche Konzerterlebnisse zu bescheren. Dabei gibt er sich kumpelhaft und sympathisch – wie der Typ, der neben dir an der Theke sitzen könnte und aus seinem Leben erzählt.
Max erzählt seine Geschichten in aussagekräftigen Bildern. So war es schon bei den ersten beiden Alben „Laufen Lernen“ und „Der Junge, der rennt“. Immer ging es um Bewegung. Das dritte Album von Max Giesinger heißt „Die Reise“ und knüpft daran an. Bei seinen ersten Alben ging es ihm noch darum aufzubrechen, bloß nicht stehen zu bleiben. Jetzt macht sich Max Giesinger scheinbar zum ersten Mal bewusst, welchen Weg er hinter sich hat. Er reflektiert über die Phase des permanenten Unterwegsseins. „Die letzten Jahre waren für mich wie eine extreme Reise, in der man immer wieder an seine Grenzen stößt. Ich bin losgezogen und hatte keinen Plan, wohin mich die Reise führt. Man steht ständig vor Entscheidungen und muss eine Richtung einschlagen. Gar nicht so einfach, wenn es nicht unbedingt zu den Stärken zählt, Entscheidungen zu fällen“, meint Max.
Einige gute Entscheidungen hat Max zumindest getroffen. Beispielsweise nach seinem vierten Platz bei „The Voice of Germany“ 2011 nicht abzuheben und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Sein Debütalbum per Crowdfunding finanzieren zu lassen, was ihm große künstlerische Freiheiten ließ. Und schließlich mit „80 Millionen“ den richtigen Song zur richtigen Zeit zu veröffentlichen und der EM 2016 ein musikalisches Gesicht zu geben.
Jetzt führt der Weg ihn weiter und „Die Reise“ ist beinahe als Konzeptalbum aufgebaut. Sehr ruhig und getragen – wie ein innerer Monolog, der sich über alle Songs hinweg trägt. „Bist du bereit“ erzählt vom Fortgehen – mit wunderschöner Melodie und filigranem Arrangement, das sich zu einer großen Hymne aufbaut, die ein Roadmovie einleiten könnte. Der Titelsong „Die Reise“ betrachtet ehemalige Weggefährten und das Vergehen der Zeit. Die Single „Legenden“ ist schon hinlänglich bekannt und schließt sich nahtlos an Giesingers große Hits an.
„Das ständige Unterwegssein führt nach einiger Zeit auch dazu, dass man überall und doch nirgendwo so richtig Zuhause ist.“ Im Song „Zuhause“ greift Max persönlicher denn je die Suche nach einer Balance zwischen Aufbruch und Ankommen auf. „Mein Kopf will immer nur weiter, mein Herz sagt, dass ich Zuhause vermiss, wo auch immer das ist“. Es geht um die Suche nach dem, was Max auf seiner eigenen Reise zur Ruhe bringt. Die Songs handeln vom Sehnsuchtsort „Australien“, aber auch vom Abschiednehmen wie in „Lieber geh ich“ und „Leerer Raum“. Wenn man in der richtigen Stimmung ist, können diese Tracks Tränen in die Augen treiben. Max Giesinger verfügt über ein schönes Songwriting, das in Stücken wie „Die Ausnahme“ entfernt an Gregor Meyle erinnert.
Mir gefällt die homogene Ruhe, die das Album ausstrahlt, und die gelungene Melange zwischen Melancholie und Optimismus. Bis hin zu abschließenden Hymne „Wir waren hier“ die erklärt, warum trotz des ständigen Fortgehens immer ein Stück von uns zurück bleibt. Max Giesinger scheint sich Sorgen zu machen, was bleibt, wenn seine Popularität wieder nachlässt. Wenn er weiterhin die Herzen seiner Hörer erreicht – so wie mit diesem Release – kann er sich zumindest in dieser Hinsicht entspannt zurücklehnen.