„Die Lieder vom Standstreifen“ sind die ersten, die ich von The Tangent kennen lerne. Bislang hatte ich die Gruppe um Andy Tilson nicht auf dem Radar, von gelegentlichen Berichten im Fachmagazinen abgesehen. Als Freund von Long Tracks war ich auf das Album sehr gespannt, da drei von vier Titeln sowie der Bonus-Track deutlich über 15 Minuten Spielzeit hinausgehen.
Der Opener „The Changes“ (17:06) und der dritte Titel „The Lady tied to the Lamp Post“, mit fast 21 Minuten der längste Titel, sind sehr textlastig, trotz der instrumentalen Intermezzi. „The GPS Vultures“ (17:01) ist komplett instrumental. Aus der Reihe tanzt das „nur“ 4:40 lange „Wasted Soul“, folglich auch mit dem kürzesten Textanteil. Der Bonus-Track „In the Dead of Night“ ist ein Medley und erinnert mich stark an die Band UK, während ich den Rest des Konzept-Albums (?) eher mit den Flower Kings vergleichen würde. Wie ein Konzept-Album klingt es für mich, wenn der Titel „Songs from the hard shoulder“ auch ironisch betrachtet nach Resteverwertung klingt.
„The Lady tied to the Lamp Post“ handelt von einer obdachlosen Frau. Gleichzeitig bezieht sich der Titel auf die Zeit der Pandemie, die das Leben quasi zum Stillstand brachte und in naher Zukunft vielleicht wieder bringen wird. Das Cover-Foto könnte eine Szene aus diesem Song darstellen. Eine Frau am Rande einer leeren Straße. Auch der Song „The Changes“ handelt im Prinzip von der Pandemie. Es geht darin um liebgewonnene Menschen, die man während der Pandemie vermisst.
So euphorisch die Kritiken über das Album über das neue Tangent-Album auch sind, muss man wohl ein Fan des anspruchsvollem Mixes aus Prog, Canterbury-Sound und Jazz sein. Der kürzeste Song „Wasted Soul“ steht am Ende des Hauptteils und ist im Motown-Soul inszeniert, klingt damit noch am flottesten.
Fans dieses Musikstils, die gerne in Long Tracks versinken, werden mit diesem Album voll auf ihre Kosten kommen. Bei mir hat der Funke leider nicht gezündet. Ob ich mir daher den Back-Katalog von The Tangent anhöre, um eventuell andere Facetten der Band zu entdecken, ist zumindest fraglich.