„Schönen guten Tag, mein Name ist Nicholas und mich hat es vor ungefähr 500 Tagen aus den Schlappen gehauen. Ungefähr 200 Tage später haben mein lieber Freund Tobi und ich beschlossen, dass es das ja nun auch nicht sein könne und dass wir dringend Musik zusammen schreiben müssten. Haben wir dann auch getan.“ – so lautete Anfang August das erste mediale Lebenszeichen von Ex-Jupiter Jones-Sänger Nicholas Müller nach einem Sabbat-Jahr, das er sich aufgrund einer immer wieder auftretenden Angststörung selbst verordnet hatte. Tobi ist der langjährige Jupiter Jones-Live-Mitstreiter Tobias Schmitz (Komposition & Tasten), mit dem Nicholas Müller auf dem M.A.R.S., der Heim- und Wirkstätte von Thomas D., ordentlich Bambule machte.
Über die Monate sind dabei 14 Songs entstanden, die allesamt auf „Weit weg von fertig“, dem jetzt erscheinenden Debütalbum ihres gemeinsamen neuen Band-Projekts von Brücken gelandet sind. Ihr erster richtiger Auftritt fand am 25. September im Rahmen des Reeperbahn-Festivals im Hamburger Übel & Gefährlich statt und wer dabei war, der schwärmt wahrscheinlich heute noch davon. Mit dem Album darf weitergeschwärmt werden. Nicholas Müller geht es wieder gut. Er ist auch buchstäblich „weit weg von fertig“, hat neue Kraft getankt und die in ein Album gegossen, das vor Zuversicht nur so strotzt. In „Lady Angst“ besingt er den Sieg über seine Krankheit am deutlichsten. Es gibt keinen Grund für Scham.
Dass dieses Album im Herbst erscheint ist mehr als nur ein Zufall. Es ist nämlich ebenso bunt an Stimmungen wie die Jahreszeit zwischen Sommer und Winter. „Blendgranaten“ ist ein treffender Beitrag zur aktuellen „Besorgtbürger“-Debatte. In „Die Parade“ besingt Nicholas Müller den Tod und die Hoffnung, die darin stecken kann. „Der Tanz“ feiert das Glück und bringt die Traurigkeit zum Schweigen. „Dann sammle ich Steine“ darf als Hommage an seine kleine Tochter verstanden werden. Von Brücken balancieren mit Streichern und Bläsern, Keyboards und Gitarren. Auf die Dauer von satten 70 Minuten kann das langweilig wirken. Hier nicht. Nicholas Müller erhebt Metaphern zu Botschaften und lässt seine Stimme kitsch- und klischeefreie Streicheleinheiten verteilen. Es geht um Abriss und Aufbau, um den Optimismus frei von jedem anderen Zweck, außer dem, dass es sich lohnt jeden Tag aufzustehen. Mensch statt Leistungsträger. Leben statt Funktionieren.
Zusammenfassend könnte man die von Brücken-Musik als Indie-Pop bezeichnen, aber das wäre zu einfach. Die Musiker selbst reden von schamfreiem Pop. Ganz sicher ist es – soviel steht fest – Cinemascope ohne Hollywood, Sturm und Drang mit Konzept und Texten, an denen spürbar ein Herz hängt. Am 26. November spielen von Brücken in der Kölner Kulturkirche ihr – neben Hamburg – einziges und schon länger ausverkauftes Konzert in 2015.