Das gedruckte Musikmagazin eclipsed bringt schon seit Jahren in jeder Ausgabe einen sogenannten „Einkaufszettel“, der sich dem Backkatalog einer Band oder eines Künstlers widmet. Wer diese Seiten sammelt, hat mit der Zeit ein spannendes Nachschlagewerk, das bei der Recherche und bei der Ordnung bzw. Vervollständigung der eigenen Sammlung sehr hilfreich sein kann.
Noch einfacher ist das aber mit den Büchern, von denen der lang erwartete Band 5 am 31. März 2022 erschienen ist. Die Wälzer tragen den Titel „ROCK – Das Gesamtwerk der größten Rock-Acts im Check: alle Alben, alle Songs“. Bereits Teil 1 wurde vielerorts als Basiswerk der Rockmusik gewürdigt. Dabei widmete er sich vor allem dem Metier Progressive Rock und war damit auch für mich essentiell. Teil 2 bis 4 weiteten das Spektrum noch aus und dürften Freunde jedweder Rockmusik der 60er bis 90er Jahre erfreuen.
Dieses Mal analysierten die eclipsed-Mitarbeiter ca. 850 Alben und DVDs, um das Gesamtwerk von zwanzig der wichtigsten Rock-Acts qualitativ zu ordnen. „ROCK, Teil 5“ umfasst US-Weltstars wie Aerosmith, Metallica und ZZ Top, Woodstock-Ikonen wie Janis Joplin, Jefferson Airplane oder Johnny Winter, progressiv-symphonische Vertreter von den Moody Blues über das Electric Light Orchestra bis zu Steve Hackett – oder das berühmteste Duo der Rockgeschichte: Simon & Garfunkel. Aus Deutschland ist neben dem Exportschlager Scorpions auch Klaus Schulze, das Aushängeschild der Berliner Schule, mit von der Partie.
Die Infos sind hervorragend recherchiert und spannend aufbereitet. Jeweils finden sich: ein allgemeiner Text zum Künstler, eine Zeitschiene, Reviews und Tracklisten aller gängigen Alben, Songlisten in Chartform und eine Bewertung der Alben von Kaufrausch bis Fehlkauf.
Die Analyse des Gesamtwerks ist natürlich äußerst subjektiv, aber immer gut nachvollziehbar. Der Leser darf bei den Bewertungen anderer Meinung sein – aber das Buch gibt auf jeden Fall gute Anhaltspunkte.
Die Qualität in Layout, Druck usw. ist hervorragend. Da gibt es nichts zu meckern. Das Buch bietet 336 Seiten wertvolle Lektüre im Hardcover mit Schutzumschlag. Als Nachschlagewerk oder zum munteren Drauf-los-schmökern bestens geeignet. Und ich garantiere euch: Auch wer mit ROCK 5 beginnt, weil er vielleicht Gary Moore liebt oder ein großer Fan von Billy Joel ist, wird sich danach auch die Teile 1-4 zulegen, denn die Werke sind wirklich essentiell!
Am 30. Dezember gastierte Konstantin Wecker mit seiner bewährten Band und der Bayerischen Philharmonie in der Halle 45 in Mainz. 90 Minuten vor Konzertbeginn konnte unser Redakteur Andreas Weist ein Interview mit dem 72jährigen Liedermacher führen. Sein Fazit: Ein sehr sympathischer, überaus gesprächiger Mensch, der sich trotz der späten Stunde vor dem Konzert sehr viel Zeit nahm, aus seinem Leben erzählte, die orchestrale Seite seiner Musik beleuchtete und auch politische Themen nicht aussparte.
Heute ist das letzte Konzert der „Weltenbrand“ Tour. Wie war es für dich mit großem Orchester auf der Bühne?
Der absolute Traum. Es war sicherlich das Schönste, was ich jemals gemacht habe, weil alle Lieder so klingen, wie ich sie mir beim Komponieren gedacht habe. Es gibt auch einige Stücke von mir, die eher rockiger sind. Die haben wir halt nicht mit dabei. Obwohl auch hier durch unseren wunderbaren E-Gitarristen, den Severin Trogbacher, den ich für ein Genie halte, durchaus rockige Klänge mit rein kommen.
Die orchestrale Seite ist nicht neu für dich?
Nein. Ich bin nun mal ein Musiker, der aus der Klassik kommt. Und meine Ziehväter sind – im Gegensatz zu meinen geschätzten Kollegen – klassische Komponisten. Bei Hannes Wader ist es englischer Folk, bei Reinhard Mey französischer Chanson, bei mir Franz Schubert.
Jetzt kommt diese klassische Seite so richtig durch?
Das war schon immer so. Ich kann mich noch erinnern, als ich in den 60er Jahren ein Cello mit auf die Bühne brachte. Da musste ich mir unglaubliche Sachen sagen lassen: Das kann man doch nicht machen, mit so einem bourgeoisen Instrument. Aber eine Gitarre ist nicht bourgeois?
Fany Kammerlander am Cello ist eine große Bereicherung für deine Konzerte, oder?
Ja, Fany ist eine große Bereicherung. Aber ein Cello war immer bei mir mit dabei. In den 60ern war es Hildi Hadlich, die ist jetzt in Rente. Und in den 80ern war ich mit einem Kammerorchester unterwegs. Das hatte einen Schlagwerker, weil ich damals Schlagzeugern misstraut habe. Auch zu Recht, weil die meinen Text kaputt geschlagen haben. Schlagwerk ist feiner. Jetzt kenne ich auch Schlagzeuger, die sensibel spielen können, aber das war früher nicht so der Fall. Damals war ich schon in Italien und hatte ein Studio dort. Es kamen immer Musiker zu Besuch. Wenn ein Oboist da war, habe ich was für Oboe geschrieben. Oder für Klarinette, Trompete – es war ein kleines Kammerorchester. Das war damals sehr mutig, denn zu dieser Zeit kam der Punk als neue Musikrichtung auf und das Publikum kam nicht wegen meiner Musik, sondern trotz meiner Musik.
Hast du deine Arrangements damals selbst geschrieben?
Ja, das habe ich alles selbst gemacht. Für Kammerorchester habe ich in vielen Varianten selbst geschrieben. Bis in die 90er habe ich auch einen Großteil meiner Filmmusiken selbst arrangiert. Bei „Schtonk!“ allerdings nicht mehr. An großes Orchester habe ich mich nicht ran getraut. Da fehlte mir die Erfahrung. Man muss selbst in einem großen Orchester gespielt oder es dirigiert haben.
Und jetzt? Die neuen Arrangements?
Jetzt hat es der Jo Barnikel gemacht. Er kennt mich seit 25 Jahren und weiß, wie ich ticke. Er hat das wahnsinnig feinfühlig gemacht und er hat, was ich ihm hoch anrechne, keine persönliche Eitelkeit. Es gibt Arrangeure, die wollen unbedingt ihren eigenen Stil durchsetzen, aber das wäre bei meinen Liedern einfach falsch, denn die haben schon ihren eigenen Stil. Der Jo weiß, wie ich empfinde, und hat sich auch gut angehört, was ich früher alles geschrieben habe. Interessanterweise sagte mal ein Pianist zu mir, dass er genau merkt, dass ich beim Komponieren eigentlich orchestral denke und nicht pianistisch. Und so ist es auch. Ich bin groß geworden mit Verdi, Puccini und Mozart. Mein Vater war Opernsänger. Bis zu meinem 18. Lebensjahr habe ich nur klassische Musik gehört – doch dann kam Janis Joplin. Sie hat mir eine andere Richtung gezeigt.
Du hast auf deinen Konzerten schon Aufnahmen vorgespielt von dir und deinem Vater. Das fand ich sehr berührend.
Ja, das war „La Traviata“. Ein Wunder, dass es das noch gibt. Meine Mama hat die Aufnahme aufbewahrt. Es war 1959 und eines der ersten Tonbandgeräte, die man als Privatmann kaufen konnte: ein SAJA – das werde ich nie vergessen. Vorher hatte nur der Rundfunk solche Geräte. Meine Mama hatte diese alten Bänder aufgehoben und wir haben sie irgendwann digitalisiert. Davon gibt es noch viel mehr.
War es schwer für dich, bestimmte Titel für die „Weltenbrand“ Tour auszuwählen? Du gehst ja einige Jahrzehnte weit zurück.
Ja, aber auch nein. Ich habe einfach viele Lieder, die von Haus aus orchestral gedacht waren. Und dann habe ich auch einige dabei, die ich allein am Klavier spiele, zum Beispiel „An meine Kinder“.
Warum hast du den Titel „Weltenbrand“ gewählt, der doch sehr politisch ist?
Weil ich unbedingt auf die Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg hinweisen wollte. Der Titel erinnert daran. Ich habe mich mein Leben lang intensiv mit der Räterepublik beschäftigt. Davon werde ich auch im Konzert heute sprechen. Was war das für eine blühende Zeit in der Weimarer Republik mit großartigen demokratischen Ideen wie dem Frauenwahlrecht und wie schnell ist das kaputt gegangen. Dabei ist das Lied „Weltenbrand“ eher ein philosophisch-lyrisches. Aber der Titel ist deutlich. Irgendwie war mir von Anfang an klar, dass ich das Programm so nennen will.
Und wie geht es im neuen Jahr weiter?
Das nächste Programm heißt „Utopia“. Da werde ich die Grundidee dieses Weltenbrands weiterführen und sagen, wir dürfen nie die Utopie der herrschaftsfreien und liebevollen Gesellschaft aufgeben. Wenn wir nicht einmal die Utopie in uns tragen, dann sind wir rettungslos verloren. Dann haben die Angepassten, die uns immer als naiv, verrückt und als Spinner bezeichnen, gewonnen. Dann überrollen uns das Kapital und die Wettbewerbsgesellschaft. Das darf nicht sein. Aber ich bin guter Dinge. Die nächste weltweite Revolution muss eine weibliche sein, da bin ich mir ganz sicher. Es ist gar nicht anders möglich. Selbst in der Türkei gibt es einen Aufstand der Frauen gegen Erdogan. Was meinst du, wie den das ärgert? Davor hat er am meisten Angst. Genauso ist es in Südamerika. Auch „Fridays for Future“ ist von Frauen gemacht. Nicht nur wegen Greta. Die meisten Aktivisten sind Mädchen. Eine herrschaftsfreie Welt ist ohne wirkliche Gleichberechtigung nicht möglich. Das fehlt uns auch hier. Es ist besser als im Iran, aber es ist noch keine Gleichberechtigung. Eine Politikerin der Grünen sagte mir mal, wenn sie in der Politik aufsteigen wolle, müsse sie männliche Machtstrukturen ausüben, was sie aber nicht will. Das ist die Gefahr. Das Patriarchat ist fünf- oder zehntausend Jahre alt. Wenn eine Frau sich wie ein Mann aufführt, wie Marine Le Pen, dann haben wir auch keine weibliche Politik.
Wie stehst du denn zu Angela Merkel? Bist du versöhnt mit ihr aufgrund ihrer Flüchtlingspolitik?
Ich war mit ihr nie politisch einer Meinung, aber spätestens seit „Merkel muss weg“ war ich auf ihrer Seite. Sie hat zwei herausragende Eigenschaften, die mir sehr imponieren: Sie ist nicht eitel und sie ist nicht korrupt. Ich halte sie für eine wirklich unbestechliche Person – im Gegensatz zu unserem Herrn Scheuer, dem die Autoindustrie aus den Ohren rausschaut. Auch wenn ich anderer Meinung bin, habe ich schon eine Achtung vor Frau Merkel.
Wird es zum neuen Programm auch ein Lied mit dem Titel „Utopia“ geben?
Vielleicht – das weiß ich noch nicht. Ich muss ja bei den Liedtexten immer warten, bis sie mir passieren. Ich kann sie nicht erzwingen. Das konnte ich noch nie. Ein paar neue Stücke habe ich geschrieben und ich werde noch einige Vertonungen von Mühsam, Kästner und Mascha Kaléko machen, also von den verbrannten Dichtern. Und ich werde zwei Schauspielerinnen dabei haben, die auch Texte sprechen.
Vielen Dank, Konstantin! Eine letzte Frage hätte ich noch: Meine Frau meinte, ich soll unbedingt nach der bunten Kette fragen, weil es da doch sicher eine Geschichte zu gibt.
Natürlich. Das kommt aus der Kultur des Friedens, der ich sehr verbunden bin. Da war ja früher auch Mikis Theodorakis dabei und viele tolle Leute. Mit denen war ich kurz vorm Irakkrieg in Bagdad. Wir haben diese Kette entworfen und verkauft. Der Erlös ging an Kinder dort. Wir haben Kindern geholfen, die mit 7 oder 8 Jahren in Bagdad arbeiten mussten. Wir halfen, damit sie in die Schule gehen konnten. Ich hatte auch ein Patenkind dort, Amir, aber dann kam der Krieg und der Kontakt ist abgebrochen. Ich weiß nicht, ob er noch lebt. Diese Friedenskette hat die „PACE“-Farben und dient jetzt anderen wohltätigen Zwecken.
Ganz lieben Dank für das Interview und deine Zeit. Gleich ist Einlass. Ich wünsche dir und uns ein tolles letztes „Weltenbrand“ Konzert.
Es war wundervoll, so ausgiebig und intensiv mit Konstantin sprechen zu können. Wir waren direkt beim „Du“ und ich bewundere seine Offenheit in den angesprochenen Themen. Mein Dank geht an den Tourleiter Peter Ledebur für die perfekte Betreuung vor Ort, an Mark Dehler von Netinfect für die Vermittlung des Interviews und natürlich an den lieben Konstantin, der den Abschluss der „Weltenbrand“-Tour zu etwas ganz Besonderem gemacht hat. Wir freuen uns auf „Utopia“ und die nächsten Weisheiten des unermüdlichen „Kämpfers für eine herrschaftsfreie Welt“. PACE!
Woodstock war das erste Open Air, das Geschichte schrieb. Anlässlich des 50. Jahrestages des legendären drei Tage dauernden Festivals liegt nun die deutsche Übersetzung des Buches von Michael Lang vor. Ein Mythos rankt um dieses Ereignis, das im Chaos endete und vollkommen aus dem Ruder lief (im Umkreis von 30 Kilometern waren die Zufahrtsstraßen verstopft, manche Besucher legten bis zu 18 km zu Fuß zurück, nachdem sie ihr Auto einfach auf der Straße stehen ließen), aber nichtsdestotrotz ein friedliches Festival war. Dies ist die wahre Geschichte um den Mythos Woodstock behauptet der Autor Michael Lang. Er muss es wissen, denn er hatte das Festival organisiert. In dem über 350 Seiten plus Anhang dicken Buch fängt er mit seinen Beschreibungen und seinem Detailwissen die Magie von Woodstock wunderbar ein. Folgt man ihm hat man praktisch einen Backstagepass.
Ich habe die Dokumentation in wenigen Tagen verschlungen, fast auf die Tage genau, als es vor 50 Jahren, vom 15.-17. August 1969 in Bethel im US-Bundesstaat New York stattfand (in Woodstock sollte es ursprünglich stattfinden, nachdem man kurzfristig umdisponieren musste, die Werbemaschinerie jedoch bereits unter Hochdruck arbeitete, hat man den Namen dennoch beibehalten).
Michael Lang schildert die Schwierigkeiten, die er und sein Team überwinden mussten, damit das Festival letztlich über die Bühne gehen konnte. Mit 200.000 Fans hatte man gerechnet, am Ende waren es 450.000 bis 750.000. Die Zahlen basieren nur auf Schätzungen durch Luftaufnahmen aus dem Helikopter, der Ticketverkauf war völlig eingebrochen, als die Massen herbeiströmten und die meisten ohne Ticket aufs Gelände vordrangen. Dies brachte auch enorme Versorgungsprobleme, die kurzfristig gelöst werden mussten, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, von nicht ausreichend vorhandenen sanitären Anlagen ganz zu schweigen. Hinzu kam noch der einsetzende Starkregen, der das Gelände des Farmes Yasgur in eine Schlammwüste verwandelte und für ständige Unterbrechungen des Bühnenprogramms sorgte.
So spielten die Bands Nächte durch, als letzter war Jimmy Hendrix aufgetreten (montags morgens!), als nur noch etwa 40.000 Zuhörer verblieben waren, die Zeugen wurden, wie der Ausnahmegitarrist den „Star Sprangled Banner“ effektvoll auseinander nahm. Es klang teilweise wie die Bombardierung Vietnams. Der Vietnamkrieg war in vollem Gange und Jimmy Hendrix drückte auf diese Art seinen Protest aus, wie auch die Zehntausende Hippys, die Farbe ins Festivalgelände brachten.
Viele Künstler erlebten rückwirkend betrachtet beim Woodstock-Festival ihren Durchbruch, wie etwa Joe Cocker, Santana oder Melanie. Bekannte Größen waren daneben The Who, Credence Clearwater Revival, Fly and the Family Stone, Joan Baez, Canned Heat, Greatful Dead, Janis Joplin, Jefferson Airplane, Ten Years After, Johnny Winter, Blood Sweat & Tears oder Crosby, Stills, Nash & Young, um nur einige zu nennen. Am Ende des Buches sind alle aufgetretenen Künstler mit ihrer Setliste notiert.
Wer die Atmosphäre von Woodstock einatmen und verstehen will, wie so viele Menschen friedlich miteinander feierten, muss dieses Buch lesen. Woodstock hat Maßstäbe gesetzt und etwas erreicht, was nie mehr danach erreicht wurde.
Vom 15. bis 17. August sollte das Woodstock-Festival wiederbelebt werden, auch unter Mitwirkung des damaligen Organisators und Autors Michael Lang, scheiterte aber, nachdem kurzfristig wichtige Sponsoren einen Rückzieher gemacht haben.