Schade, dass Andreas Kümmert den meisten Menschen jetzt als Aussteiger beim Eurovision Song Contest in Erinnerung bleiben wird. Dabei kommt immer noch so geniale Musik aus seinem Mund und aus seiner Feder. Schon lange vor seinem Sieg bei The Voice Of Germany hat der inzwischen Dreißigjährige viele Menschen mit seiner Musik begeistert. Als Rocket Man mit einer Reibeisenstimme im Stil von Joe Cocker überzeugte er dann 2013 nicht nur die Jury sondern auch die Zuschauer der bekannten Fernsehsendung.
Sein erstes Album als Profi trug den Titel „Here I Am“ – und jetzt, fast zwei Jahre nach dem Eurovision-Debakel, heißt die neue CD „Recovery Case“. Vielleicht eine Scheibe, die den Selbstheilungsprozess des Sängers beleuchten soll. Denn es war zweifelsohne eine depressive Erkrankung, die Andreas Kümmert zu dem schweren Schritt führte. Welcher Hass ihm danach entgegen schlagen würde, damit konnte wohl keiner rechnen. Die Bühnen sind jetzt wieder kleiner. Im Sommer konnte ich ihn auf einem schlecht besuchten Stadtfestival in Luxemburg bewundern. Stimmlich eine Wucht – und auch vor knapp 70 Zuschauern gab er sich keine Blöße. Der Set war durchdacht, stimmungsvoll und absolut stark.
„Recovery Case“ gewährt uns vielleicht einen kleinen Blick in die Seele des Sängers und Songwriters. Da sind die unterschiedlichsten Stimmungen und Emotionen vertreten. Andreas Kümmert kann wirkliches jedes Gefühl transportieren und dabei glaubwürdig bleiben. Der Soulman profitiert von jahrelanger Erfahrung. Er beherrscht rockige Titel ebenso wie Blues und R’n’B Balladen.
Mit rauer Stimme veredelt er die Rockmonster „Notorious Alien“ und „One Day“. Sehr einfühlsam ertönen „Beside You“, „Lonesome But Free“ und „The Beginning Is The End“. Akustisch anmutende Titel wie “Falling” lassen seine Stimmqualitäten besonders gut zum Ausdruck kommen. Das Album wirkt als homogenes Ganzes. Das verdankt man nicht allein Kümmerts Songwriting, sondern auch dem Input der Produzenten Christian Neander (Selig) und Michael Tibes.
Textlich trifft Kümmert den Nerv der Zuhörer und entblößt sich auch ein Stück weit selbst. In „Reflection“ hält er sich den Spiegel vor, „Train To Nowhere“ wird zum Lebensmotto und „I Love You“ mehr zur Hymne an die eigene Persönlichkeit als zum echten Lovesong. Ich finde es faszinierend, was er hier geleistet hat. Ein abwechslungsreiches Album, bisweilen im Retrosound – mit einigen echten Ohrwürmern.