Nein, Adam Lambert kann Freddie Mercury nicht „ersetzen“ – und das will er auch gar nicht. Wer die Netflix Doku „The Show Must Go On: The Queen + Adam Lambert Story“ ansieht, wird erkennen, welche Ehrfurcht der Sänger vor dem verstorbenen Frontmann hat. Und zugleich, wie die Musik von Queen seinen Werdegang beeinflusste. 2009 belegte er den zweiten Platz bei „American Idol“ und seit 2011 ist er mit Queen live unterwegs. Brian May und Roger Taylor unterstützten als Gäste den damaligen Finalisten bei seiner Show-Performance. In der Folge beschloss man gemeinsam zu arbeiten. Das wird aber nicht zum Selbstzweck, den Adam verfolgt parallel eine durchaus erfolgreiche Solokarriere.
Man mag sagen: Die Idee von Gastsängern bei QUEEN sei verbrannt, seit Paul Rodgers der Band von 2004-2009 den Stempel von AOR aufgedrückt hat. „The Cosmos Rocks“ ist ein respektables Rockalbum, doch es hat nicht den Flair der alten Queen-Werke. So war der Zusammenarbeit kein langfristiger Erfolg vergönnt. Bei Adam Lambert sieht es da schon anders aus: Man versucht sich gar nicht erst an einem neuen Studioalbum. Und in der Performance ist Adam seinem großen Vorbild auf der einen Seite sehr ähnlich, schafft es aber immer, seinen eigenen Stil zu kreieren.
Der Ruf nach einem Livealbum wurde also immer lauter – und endlich ist es da! Als Einzel-CD, bei der aus Platzgründen Drum Battle und Gitarrensolo fehlen, im Paket mit einer fulminanten Konzert-DVD. Der Mitschnitt umfasst kein vollständiges Konzert, sondern die Setlist der gemeinsamen Tour, zusammengestellt aus Performances in verschiedenen Städten. Das fällt kaum auf – höchstens am häufigen Kleiderwechsel des Frontmanns.
Taylor, May und Lambert haben nur die besten Mitschnitte aus gut 200 gemeinsamen Live-Shows ausgewählt. Die Aufnahmen, bislang größtenteils unveröffentlicht, entstanden tatsächlich „around the world“: Von „Rock in Rio“ (Lissabon) bis zum „Isle of Wight-Festival“ reicht die Liste, auf der auch das „Summer Sonic Festival“ in Japan sowie ausgewählte Shows in Großbritannien und Nordamerika stehen. Mit dem „Fire Fight Australia“-Benefizkonzert ist ein ganz aktueller Live-Mitschnitt dabei, der zu den letzten Auftritten kurz vor dem Lockdown zählt.
Dieser Benefiz-Auftritt in der australischen Metropole ist auf allen Konfigurationen des Live-Albums in voller Länge zu hören: 22 Minuten, in denen sie das legendäre Live-Aid-Set von 1985 komplett nachspielen – inklusive „Bohemian Rhapsody“, „Radio Ga Ga“, „Hammer To Fall“, „Crazy Little Thing Called Love“, „We Will Rock You“ und „We Are The Champions“. Und natürlich fehlen hier auch nicht die „Ay-Oh“-Animationsrufe, die einst schon von Freddie Mercury berühmt waren. Im Gedenken an den Original-Interpreten erscheint er auf der Leinwand und animiert das Publikum zum Mitmachen, als wäre er livehaftig auf der Bühne. Gänsehautmoment!
Zu den insgesamt 20 Titeln von „Live Around The World“ zählen außerdem Queen-Klassiker wie „Don’t Stop Me Now“ und „I Want To Break Free“ oder auch Neuinterpretationen von Mercury-Kompositionen wie „Love Kills“ und „I Was Born To Love You“. Mein Highlight ist „Under Pressure“, bei dem Adam seine exzellenten Qualitäten, seine herausragende Stimme und sein Charisma am besten zeigen kann. Doch auch der stille Moment von Brian allein an der Gitarre zu „Love Of My Life“ ist absolut wundervoll.
QUEEN legen hier ein meisterliches Livealbum mit der perfekten Setlist vor. Schön, dass sie die Legende am Leben erhalten! Bleibt zu hoffen, dass die „Rhapsody Tour“, die im Jahr 2019 startete und mit Corona so ein abruptes Ende fand, bald fortgesetzt werden kann.