Vor knapp drei Jahren wurde ich durch „The Moon on a Stick“ erstmals auf die Band Syrinx Call aufkerksam. Was für ein erstaunliches Album! Die Querflöte als Instrument im Progressive Rock kennen wir ja schon seit Jahrzehnten, doch hier geht es um die “hundsgewöhnliche” Blockflöte, die uns in jungen Jahre so sehr im Musikunterricht gequält hat. Kann man damit Virtuoses schaffen? Oh ja, denn Flötist Volker Kuinke hat da ein absolut spannendes Projekt auf die Beine gestellt.
Seit dem eher folkig-symphonischen Debütalbum „Wind In The Woods“ hat das Projekt eine beachtliche Reifung zu einem eigenständigen Stil durchlaufen, aber auch an Komplexität gewonnen. Das neue Album „Mirrorneuron“ überzeugt mit erstaunlicher Prägnanz und Virtuosität, mitreißender Dynamik und berührenden Melodien. Zu den Gastmusikern zählen unter anderem Frank Bornemann und Klaus-Peter Matziol von der Band Eloy.
Das dritte Album ist ein waschechtes progressives Konzeptalbum. Es erzählt die Geschichte einer Künstlichen Intelligenz namens Kai, die den Auftrag hat, in der Arktis nach Öl zu bohren. Bei der Berechnung von Nachhaltigkeit stellt Kai jedoch Widersprüche und Dissonanzen zwischen Theorie und Praxis fest, was bei ihm eine schwere existenzielle Krise auslöst. Die Psychotherapeutin Mara soll den humanoiden Roboter wieder in die Spur bringen, jedoch entgegen aller Erwartungen rührt Kai etwas in ihr an. Sie erfährt zum ersten Mal tiefes Mitgefühl, wovon sie feststellen musste, dass sie es bisher in ihrem perfekt organisierten Leben kaum kannte. Aber auch Kai selbst entwickelt eine Funktion, die ihn befähigt, sich in Mara hineinzuversetzen. Diese Fähigkeit schreibt man den Spiegelneuronen (englisch: mirror neuron) zu. Diese Nervenzellen im Gehirn machen uns Menschen zum emphatischen Wesen, indem wir das Erleben anderer nachempfinden können.
Das komplexe Thema ist hervorragend umgesetzt! Blockflöten treffen auf klassische und elektrische Gitarren, Keyboards und Schlagzeug, auf orchestrale Elemente und auf den packenden Gesang von Isgaard und Doris Packbiers. Multiinstrumentalist Jens Lueck ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben und bringt sich zudem stark als Sänger ein. Diese Vielfalt bietet ein spannendes, mitunter fast musicalhaftes Hörerlebnis, das immer wieder von der wunderbaren Bandbreite unterschiedlicher Flöten durchbrochen und geleitet wird.
Die Mitglieder der Band Eloy bieten Gastpassagen, die den Neoprog in eine neue Blüte heben. Diese fügen sich passgenau in die Atmosphäre des Albumkonzepts, das vom Leitmotiv der Ouvertüre „Bit By Bit“ getragen wird. Die instrumentalen Variationen und der Wechsel von ruhig dahinfließenden Melodien zu teilweise bombastischen Sounds steigern die Dynamik dieses Albums ungemein. Es braucht nur wenige Hördurchläufe und man ist mitten drin in der dynamischen Geschichte.