Normalerweise singt Claudia Koreck in bairischem Dialekt. Das ist die Sprache, mit der sie ihre Gefühle vermutlich am besten ausdrücken kann. Ihre Musik ist zugleich volkstümlich und weltgewandt. Ich denke da an die „Heimatsound“-Projekte, bei denen sie stets sehr positiv aufgefallen ist. Jetzt aber mal was ganz Anderes: Claudia hat in den tiefen der deutschsprachigen Musiklandschaft getaucht und so manche Perle geborgen. Es ist ihr erstes Coveralbum und die Bandbreite geht von Udo Jürgens bis Rammstein.
Damit „Perlentaucherin“ erscheinen kann, musste sich einiges fügen. Da war zunächst der große Erfolg von Korecks zauberhafter Version von Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, mit der das Abenteuer begann. Die Musikerin aus der Nähe von Traunstein hatte den Song 2020 für eine bekannte Fernsehserie neu interpretiert und landete damit auf Platz 1 in Bayern und den deutschen iTunes-Single-Charts. Der Grundstein war gelegt. Ein ganzes Album mit Coversongs konnte sie sich auch deshalb vorstellen, weil sie im Lockdown – wie wohl alle Künstler – durch die eine oder andere Sinnkrise gegangen war.
Diese Krise hat Kreatives hervorgebracht. Claudia drückt allen – und ich meine wirklich ALLEN – Songs ihren persönlichen Stempel auf. Zart und gefühlvoll singt sie sich im Songwriter-Stil durch zwölf Stücke und macht sie sich zu eigen. Das funktioniert auch bei Sportfreunde Stiller und Falco. Ihre Singstimme haucht den alten Haudegen neues Leben ein – und die Arrangements dazu sind äußerst gefällig und charmant.
Selbst Marius und die Ärzte werden ordentlich auf diesen melodischen Weg gebracht. „Ich bin wieder hier“ – und wie! Dann erfolgt zum ärztlichen „Schrei nach Liebe“ ein sinnlich geflüstertes „Arschloch“. Perfekt! Wenn mit „Immer wieder geht die Sonne auf“ ein Schlager ertönt, hat der so gar nichts mehr von Hitparaden-Mitgröl-Charakter. Alles wirkt homogen und gitarrenlastig verfeinert.
Highlights? Gibt es quasi zwölf. Aber ich nenne mal den Echt-Teenager-Schweremüter „Du trägst keine Liebe in dir“, Grönemeyers melancholisches „Mensch“ und die Abschiedshymne schlechthin „Gute Nacht Freunde“.
Als spannende “Reise in die Tiefen des Pop-Ozeans” beschreibt die 34-Jährige die Arbeit an dem Album. Die Songauswahl war herausfordernd, denn: “Der Ozean ist so weit.” Geholfen hat ihr eine gewisse Struktur. „Viel Gefühl sollte im Spiel sein. Ich musste mich wohlfühlen mit den Songs.“ Auch die Arrangements sollten aus einem Guss sein. “Wir hätten uns verrannt, wäre jeder Song anders arrangiert.”
“Perlentaucherin” fügt sich gut in die jüngste Phase der Songwriterin aus Bayern. Den Mut, Neues auszuprobieren und die Stilvielfalt zu erweitern, hat sie zuletzt auch auf ihrem zehnten Studioalbum “Auf die Freiheit” (2020) gezeigt. An diese Experimentierfreudigkeit knüpft das Coveralbum an.
Dass in Rammsteins „Ohne dich“ ebenso viel Gefühl steckt wie in „Du erinnerst mich an Liebe“, hätten wir uns eigentlich denken können. Claudia Koreck bringt zusammen, was zusammen gehört. Ein Streifzug durch die deutschsprachige Musikgeschichte, wie er stärker und emotionaler nicht sein könnte.