Grenzen zu überschreiten im wahren und metaphorischen Sinne – das betrieben die Protagonisten, Roger und Eugen Cicero, mit ihrem musikalischen Können – und zwar ohne Ausnahme. Als politischer Flüchtling überwand Eugen hierbei auch Staatsgrenzen: Er fand in Deutschland eine Heimat und den Nährboden seines internationalen Erfolges. Beide, Vater und Sohn, gingen neue, vorher nicht dagewesene Wege in der Musiklandschaft. Erst kürzlich haben wir den wundervollen Soundtrack zum Kinofilm reviewt – HIER nachzulesen.
Im berührenden Dokumentarfilm “Cicero – zwei Leben, eine Bühne”, der am 24.3.22 in den Kinos startete, offenbaren Kai Wessel, Katharina Rinderle und Tina Freitag die einzigartige Vater-Sohn-Beziehung zweier Ausnahmetalente. Engste Wegbegleiter und namhafte Zeitzeugen beleuchten zwei Genies, die es immer wieder auf die Bühne zurücktrieb. Außergewöhnliche Konzertmomente lassen die schmerzliche Lücke, die ihr früher Tod hinterließ, umso deutlicher werden. Der Film ist eine emotionale Hommage an zwei strahlende Persönlichkeiten voller Widersprüche, Humor und Inspiration – so frei und überraschend wie ihre Musik.
Inzwischen hatte ich auch die Gelegenheit, den Film zu sehen, daher etwas verspätet meine Eindrücke: Es handelt sich um einen authentischen, in weiten Teilen sehr berührenden Dokumentarfilm, der mit vielen Einspielern aus unterschiedlichen Jahrzehnten aufwartet und mit Till Brönner, Christiana Cicero, Ulita Knaus, Lutz Krajenski, Johannes Oerding, Gregor Meyle, Paul Kuhn, Decebal Badila, Joja Wendt,
Frank Ramond, Roland Spremberg, Willy Ketzer und vielen mehr eine Reihe wichtiger Zeitzeugen zu Wort kommen lässt, die sich voller Bewunderung zu den beiden viel zu früh verstorbenen Künstlern äußern.
Eugen wurde früh zum Idol der Jazzszene und Roger trat in riesige Fußstapfen. Schon früh im Film gibt es seltene Originalaufnahmen aus den 60er Jahren, die den Glanz des Pianisten zeigen. Rogers Aufstieg von Soul und Bigband hin zum Swing mit deutschen Texten wird ebenfalls akkurat beschrieben. Dabei ist es durchaus spannend zu erleben, wie das Marketingkonzept mit seiner Kleidung und dem zum Schluss unvermeidlichen Hut entwickelt wurde.
Doch auch die Schattenseiten werden gezeigt, vor allem in der Historie Eugens: Alkohol und Drogen, die Trennung von seiner Frau, diverse Abstürze. Das war schlimm für den jungen Sohn. Auch in Rogers Karriere gab es dunkle Zeiten nach dem Wechsel zur Popmusik. Ein Burnout machte eine längere Pause nötig.
Zum Ende hin gibt es eine der wenigen Aufnahmen von Eugen und Roger gemeinsam zu sehen. Und das bewegende „Ich hätt’ so gern noch Tschüss gesagt“ beschreibt die innige Beziehung der beiden, die so voll Liebe war. Die Sinatra-Shows waren Rogers nächster großer Schritt, den er nur im Ansatz mit viel Anstrengung gegangen ist. Der Film endet mit Statements zum plötzlichen Tod des Entertainers, der wie sein Vater an einem Hirninfarkt starb. Obwohl einige Sätze dazu gesagt werden, spürt man doch die Sprachlosigkeit der Interviewpartner.
“Cicero – zwei Leben, eine Bühne” ist ein Dokumentarfilm, wie man ihn vielleicht im Programm von ARTE erwartet hätte. Und doch ist es wundervoll, ihn auf großer Leinwand zu sehen. Auf der Homepage HIER sind aktuelle Kinotermine zu finden.