„I’m Alice“ – so lautet der erste Track des neuen Albums „The Road“ von Alice Cooper. Doch das muss man eigentlich gar nicht erwähnen. Der Mann aus Detroit ist Legende! Und das seit fast sechs (!) Jahrzehnten, als er noch Vincent Furnier hieß und in jungen Jahren seine erste Band gründete. Der Album-Opener gibt mit seinem staubigen Drumbeat und den in der Ferne heulenden Gitarren den Ton des Albums an. Man erkennt Alice sofort, wenn er beginnt zu singen: „I know you’re looking for a real good time. So, let me introduce you to a friend of mine. I’m Alice. I’m the Master of Madness; the Sultan of Surprise…so don’t be afraid, just look into my eyes.”
Und so bringt Alice in einer genialen Rockshow den Rock ’n‘ Roll in die Musikwelt zurück. Es sind erzählende Songs, mit denen er alle Hörer*innen auf eine gigantische Reise zu seinen Wurzeln mitnimmt. Dabei gibt es aber keine Coversongs, wie bei den Hollywood Vampires, sondern brandneue Tracks, die den Geist vergangener Tage atmen.
Produziert von Bob Ezrin, wurde das Album mit seiner aktuellen Touringband geschrieben, komponiert und aufgenommen. Mit Entschlossenheit und jeder Menge Gusto, schließt es den Kreis und verkörpert Alice Coopers Old School-Spirit. Es ist alles, was man sich erhofft, und noch so viel mehr. Und dieses Mal sind seine langjährigen Bandkollegen – Ryan Roxie [Gitarre], Chuck Garric [Bass], Tommy Henrikson [Gitarre], Glen Sobel [Schlagzeug] und Nita Strauss [Gitarre] – mit von der Partie.
Das Album vereint alles, was Alice Cooper seit jeher ausmacht: grandiosen Hardrock, theatralisches Storytelling und eindringliche Melodien. Stimmlich ist der 75jährige noch voll auf der Höhe. Die Vocals klingen bisweilen heiser, aber das war schon seit eh und je so. Trotzdem sind sie stark und energisch, vor allem wenn Alice in Erzähllaune ist und auf seine besondere From des Sprechgesangs umschwenkt.
Da sind formidable Tracks wie das morbide „Dead Don’t Dance“, das vor allem viel dreckiges Detroit zu bieten hat und nicht den Schockrocker, den viele immer noch erwarten. „White Line Frankenstein“ hat gar harte Riffs für Headbanger in petto. Die Fraktion der Feierwütigen dürfte es ihm danken. Nur einen lamentierenden Song wie „Bog Boots“ finde ich ziemlich nervig, doch darüber kann man hinweg sehen.
Wenn Alice seine Lebensweisheiten in „Rules of the Road“ verkündet, spürt man den Retro-Rock und den Spaß, die ihn antreiben. Ruhige Klänge sind selten, gibt es aber in der Rockballade „Baby, please don’t go“. Und das düstere, musicalmäßig erzählende „100 More Miles“ ist ein weiteres Highlight, bevor der Mottosong „Magic Bus“ das Album beschließt.
Besonders empfehlenswert ist die Ausgabe im Doppel-Digipack, da der zweite Silberling auf DVD einen Mitschnitt der Show vom „Hellfest 2022“ enthält. Dies ist der ultimative Beweis für die nach wie vor vorhandene Livepräsenz des Künstlers. Mit Kostüm, Zylinder und Bemalung gibt es einen Auftritt voller Live-Energie mit den Klassikern seiner Karriere. Die Band ist grandios und führt inklusive Gitrarrenduell und Drumsolo durch den Set, während Alice sein altbekanntes Theater mit Zwangsjacke, Hinrichtung, Kunstblut und musikalischer Wiederauferstehung abzieht. Alles schon tausend Mal gesehen, aber immer noch grandios.
„Welcome to the Show“ – und ab geht’s, auf die Straße!